Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


1. November - Hochfest Allerheiligen

 

"Habe ich nur Feiglinge in meinem Königreich? Gibt es niemanden, der mir diesen unruhigen Priester vom Halse schafft?" Es war König Heinrich II. von England, von dem dieser Satz stammt. Mit diesen Worten hat er die Ermordung von Thomas Becket angeordnet. Erzbischof Becket von Canterbury hatte es nämlich gewagt, sich seinem Willen zu widersetzen; dem Willen des Königs zu widersetzen. Und weil der Bischof dadurch der Macht des Königs im Wege stand, musste er beseitigt werden; er war unbequem geworden.

"Habe ich nur Feiglinge in meinem Königreich? Gibt es niemanden, der mir diesen unruhigen Priester vom Halse schafft?" Im Jahre 1170 wurde Erzbischof Thomas Becket während eines Gottesdienstes erschlagen. Er wurde erschlagen, weil seine Überzeugung und sein Handeln unbequem geworden waren.

Liebe Schwestern und Brüder,

heilige Männer und Frauen sind unbequem. Irgendwie scheint das für sie typisch zu sein. Es scheint ihr Los zu sein, immer wieder auf Ablehnung zu stoßen. Menschen, die das tun, was Jesus Christus auch getan hätte, die haben es anscheinend nicht leicht.

So hat Thomas Becket Anstoß erregt, weil er Gott mehr gehorchte, als dem König; der heilige Franz von Assisi stieß auf Widerstand, weil er freiwillig arm war und ernst machte mit dem Evangelium; und weil der Fürstin Elisabeth von Thüringen Arme und Kranke nicht egal waren, wurde sie von ihren Verwandten aus der Burg gejagt.

Heilige Männer und Frauen sind unbequem. Und ich fürchte, sie sind nicht nur unbequem für einen gottlosen König, wie dieser Heinrich II. einer gewesen ist. Sie sind nicht nur unbequem für Menschen, die von Gott und von der Kirche nichts mehr wissen wollen. Wenn jemand wirklich so zu leben versucht, wie Jesus gelebt hat, dann liegt er auch uns Christen ganz gewaltig auf dem Magen. Heilige Männer und Frauen sind auch unbequem für uns!

Ja, wenn das vergeistigte Gestalten wären, die meterhoch über dem Erdboden schweben, wenn sie absonderlich wären, weltfremd und verknöchert, dann könnten wir über sie hinwegsehen und sie als Spinner abtun. Aber wenn das ganz normale Menschen sind, Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, die aber trotzdem für ihren Glauben eintreten und sogar dafür durchs Feuer gehen, wenn ganz handfeste Menschen das tun, was Jesus Christus auch getan hätte, dann erregt das nicht nur Aufsehen bei denen, die von Gott nichts mehr wissen wollen. Das nagt ganz schön auch an uns, die wir in aller Regel unser Christsein nicht so gelungen verwirklichen.

Wenn ich an Heilige denke, dann meldet sich in mir nur allzu oft ganz deutlich ein schlechtes Gewissen. Heilige erinnern mich immer wieder daran, dass ich noch lange nicht das tue, was Jesus getan hat, und dass bei mir noch vieles faul ist. Mir ist es deshalb selten recht, wenn mir plötzlich einfällt, wie denn ein Franz von Assisi oder eine Elisabeth gerade jetzt, an meiner Stelle, gehandelt hätten. Und ich könnte mir vorstellen, dass es den meisten von Ihnen da gar nicht anders geht. Heilige Männer und Frauen erinnern uns alle immer wieder daran, dass wir noch lange nicht so sind, wie Jesus Christus das eigentlich von uns erwartet.

Sie sind unbequem - Und dennoch machen sie mir Mut!

Die Heiligen machen mir Mut, wenn ich daran denke, dass hier Menschen so lebten, wie Jesus es vorgelebt hat, dass hier Menschen - jeweils in ihrer Zeit - das getan haben, was Jesus auch getan hätte. Sie machen mir Mut, wenn ich sehe, dass sie ganz normale Menschen waren, mit allem Drum und Dran, natürlich mit Stärken, aber auch mit Schwächen, ja selbst mit ganz handfesten Fehlern.

Sie brauchen da nur an den hl. Augustinus zu denken, jenen großen Kirchenlehrer, dieses Vorbild, von dem man nur allzu gut weiß, dass da in seiner Jugend kaum etwas vorbildhaft gewesen ist. Oder an den hl. Petrus, der nicht nur einmal von allen guten Geistern verlassen war und "Ich kenne diesen Menschen nicht!" gesagt hat.

Die Heiligen machen mir Mut, wenn ich sehe, dass da Menschen aus allen Ländern, Rassen, ja selbst aus allen sozialen Schichten vertreten sind. Da findet sich der Bischof Thomas Becket genauso wie die Fürstin Elisabeth von Thüringen, der Kaufmannssohn Franziskus ebenso wie, ja selbst wie der Soldat Martin.

Die Heiligen machen mir Mut, wenn ich sehe, dass trotz aller Ablehnung, der die Botschaft von Jesus Christus auf dieser Welt begegnet, hier Menschen gelebt haben - und leben -, wie Jesus Christus es vorgelebt hat. Hier haben ganz normale Menschen ihr Christsein überzeugend gelebt - und das gibt mir die Hoffnung, dass wir es dann doch eigentlich auch schaffen müssten - wenn wir es nur wollen.

Deshalb sind die Heiligen Vorbilder für mich, ein Grund, es immer wieder mit meinem Christsein neu zu versuchen. Und wenn wir heute Allerheiligen feiern, an all die zahllosen und ungenannten Menschen denken, die so wie Jesus gelebt haben, dann will uns dieses Fest nicht zuletzt Mut machen, Sie und mich dazu ermutigen, mit unserem Christsein wieder ganz neu ernst zu machen, einfach wieder neu zu beginnen - heute und morgen.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 31.Oktober / 1. November 1997 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)