Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


15. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 13,1-9)

An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen. Er sagte: Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg, und die Vögel kamen und fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen, und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. Wer Ohren hat, der höre! (Mt 13,1-9)

Wie war das? Wer Ohren hat, der höre?

Liebe Schwestern und Brüder,

ja, so einfach ist das offenbar.

Und man kann es sicher genauso einfach ergänzen: Wer Augen hat, der mache sie auf und schaue genau hin! Und wer einen Verstand hat, der setze ihn ganz einfach ein.

Dazu muss ich nicht studiert haben, dazu brauche ich keine Ausbildung, dazu muss ich lediglich die fünf Sinne, die mir geschenkt wurden, benutzen.

Offenbar ist es wirklich so einfach. Denn nicht umsonst kann Jesus von Nazareth die kompliziertesten Zusammenhänge in ganz einfachen Gleichnissen erklären.

Die meisten Dinge sind nämlich gar nicht so kompliziert, wie man uns gemeinhin weismachen möchte. Ich brauche nicht Theologie studiert zu haben, um Gottes Liebe zu erfahren, ich brauche keine Pädagogikausbildung, um Kinder richtig zu erziehen, und ich muss auch keine Politik studieren oder Wirtschaftswissenschaftler sein, um zu wissen, ob die Dinge in unserer Gesellschaft stimmig sind oder nicht.

Nur ein paar Beispiele, die mich momentan umtreiben:

Eine Gruppe im Kindergarten etwa; 20 Kinder; und zwei reißen sich die Hälfte aller Spielsachen aus dem Gruppenzimmer unter den Nagel. Da muss ich kein Pädagoge sein, um zu wissen, dass so etwas nicht geht, dass man da einschreiten muss, weil es so eben nicht funktioniert! Es kann schließlich nicht angehen, dass zwei Kinder allein die Hälfte aller Spielsachen horten. Das versteht sich doch von selbst.

Versteht es sich dann eigentlich nicht minder von selbst, dass es unmöglich ist, wenn in Deutschland derzeit 10 Prozent der Bevölkerung - also gerade mal 2 von 20! - wenn 10 Prozent der Bevölkerung die Hälfte des ganzen Geldvermögens besitzen! Was sagt denn da der gesunde Menschenverstand?

Wer Augen hat zu sehen, der mache sie ganz einfach auf!

Oder ein anderes Beispiel:

Wenn Politiker uns etwa weismachen möchten, dass das schon Sparen bedeuten würde, dass man eben nicht mehr ganz so viele Schulden macht, dann brauche Ich nur in meinen eigenen Geldbeutel zu schauen, um festzustellen, dass Leben so nicht funktioniert.

Oder wenn ich mit Chemikalien etwa im Garten hantiere und nebendran spielen die Kinder, und ich bin mir dann nicht hundertprozentig, nein hundertfünfzigprozentig und absolut sicher, dass das, was ich tue, auch nicht im mindesten irgendwelche schädlichen Auswirkungen auf die Kinder haben kann, wenn ich dann trotzdem mit diesem Zeug hantiere, dann handle ich unverantwortlich, wie es unverantwortlicher nicht sein kann.

Aber auf Technologien sollen wir setzen, die so wenig beherrschbar sind, wie es die Kernenergie eben immer noch ist, und darauf, dass solche Kraftwerke eben keine gesundheitlichen Risiken bergen - das sollen wir tun, darauf sollen wir vertrauen und zukünftig sogar auch noch verstärkt darauf bauen?

Und wenn im Umfeld bereits in Betrieb befindlicher Anlagen dann tatsächlich mehr Menschen erkranken und mehr Kinder sterben, dann soll das erst dann etwas zu sagen haben, wenn auch wirklich der direkte Zusammenhang nachgewiesen ist?

Das wäre ja so, als würde ich der Mutter von nebenan sagen, solange nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass der Ausschlag ihrer Kinder von meinem Rosenspritzmittel stammt, kann ich das Gift ja unbedenklich weiterverwenden.

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Und wer schon ein einziges Mal erlebt hat, wie sein Computer plötzlich abgestürzt ist, und die Arbeit von Stunden in einem Bruchteil einer Sekunde plötzlich dahin war, der soll auf die absolute Zuverlässigkeit von elektronischen Sicherheitssystemen tatsächlich vertrauen?

Und wenn dann trotzdem, obwohl all diese Anlagen ja so sicher sind, sich immer wieder neue Störfälle ereignen, dann soll ich den ewigen Beschwichtigungen, dass zwar erneut irgendwelche Dinge in die Umwelt entwichen sind, aber zu keiner Zeit auch nur irgendeine Gefahr für die Menschen bestanden hätte, tatsächlich glauben?

Was alles soll ich denn glauben?

Dieser Tage musste ich wieder an einen baden-württembergischen Ministerpräsidenten denken, der in meiner Kindheit ganz groß angekündigt hat: Wenn das Kernkraftwerk in Wyhl nicht gebaut wird, gehen 1980 in Baden-Württemberg die Lichter aus.

Sollten die Argumente der falschen Propheten von damals jetzt tatsächlich stimmen?

Wer Ohren hat zu hören, der höre. Und er höre genau zu. Man muss nicht studiert haben, um die Dinge zu durchschauen, man muss nur eins und eins zusammenzählen können, dann wird man nicht ganz so oft hinters Licht geführt. Man muss nur die Ohren weit aufmachen, hören, genau hinschauen und manchmal auch auf seine Nase vertrauen. Denn manchmal riecht man die falschen Propheten. Manchmal riecht man sie sogar hundert Meter gegen den Wind.

Und wer riechen kann, der rieche.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 12./13. Juli 2008 in der und Paulus- und Peterskirche, Bruchsal)