Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (Apg 2,42-47)
Die Gläubigen hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten. Alle wurden von Furcht ergriffen; denn durch die Apostel geschahen viele Wunder und Zeichen. Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten. (Apg 2,42-47)
Ist es Ihnen aufgefallen? Ich bin da dieses Jahr zum ersten Mal darüber gestolpert - und das gleich ganz massiv.
Ist da etwa von Anfang an etwas so gewaltig schief gelaufen? Da steht ein Satz in der heutigen Lesung, der mich dieses Mal unwillkürlich hat stocken lassen. Und dicke Kommentare zur Apostelgeschichte haben mir nicht weitergeholfen. Hochrangige Exegeten gehen über diesen Satz hinweg, als sei da überhaupt nichts dabei.
Ich aber kann es immer noch nicht fassen: da heißt es heute - nicht etwa über Fremde, über die, die zum ersten Mal mit dem Glauben an diesen Jesus Christus in Berührung kamen, da heißt es heute von den Gläubigen, da wird berichtet von den Gläubigen, von denen, die bereits zur Gemeinde gehörten. Und über die heißt es hier tatsächlich: Alle wurden von Furcht ergriffen!
Die Apostel predigten und wirkten Zeichen und alle wurden von Furcht ergriffen - Und keiner hat widersprochen!
Liebe Schwestern und Brüder,
bei wie vielen Begegnungen mit seinen Jüngern hat Jesus doch ausdrücklich: "Fürchtet euch nicht!" gerufen. Immer wieder hat er deutlich gemacht, dass die Begegnung mit ihm Grund zur Freude ist, dass unser Herz ohne Angst sein soll, weil seine Botschaft keine Drohbotschaft ist. Seine Zeichen wirkt er, damit wir das Leben haben. Und er kündet von einem Gott des Lebens, der unser Leben möchte und nicht den Tod. Und dann waren sie beim Brechen des Brotes versammelt und alle wurden von Furcht ergriffen.
Das kennen wir. Wir kennen das aus so manchen Verirrungen der Kirchengeschichte, dass Menschen Angst gemacht wurde, dass sie von der Kanzel herab in Furcht und Schrecken versetzt wurden: vor der Hölle, dem Fegefeuer, vor Strafe und vor einem Gott, der alle Übertretungen - und seien sie noch so klein - ganz sicher ahnden werde, wenn man sie nicht von ganzem Herzen bereut. Immer wieder haben Menschen gemeint, sie müssten den Glauben der anderen gleichsam erzwingen, indem sie die Konsequenzen des Unglaubens und der Sünde in nur möglichst düsteren Farben schildern.
Aber dieser Gott will uns doch als Partner, als Menschen, die ihm auf Augenhöhe begegnen. Jesus kündet von einem Gott, der uns liebt und dem wir nur durch unsere eigene Liebe und unsere Dankbarkeit antworten können. Dieser Jesus will keine Menschen, die vor ihm im Staub kriechen, die sich vor Sündenstrafen fürchten und nur deshalb an ihn halten, weil sie ihn für einen Notnagel in Katastrophen und ausweglosen Situationen halten. Was will er mit Menschen, die nur aus Angst davor, dass sie der Blitz treffe und sie tot zu Boden fallen, ihr Vermögen der Gemeinschaft opfern, wo er die Liebe zum anderen Menschen gepredigt und uns darauf hingewiesen hat, dass wir einander anvertraut sind, ihm im anderen Menschen begegnen?
"Fürchtet Euch nicht!" hat er so oft den Menschen zugerufen. Und ich hoffe inständig, dass es die Apostel genauso getan haben. Dass sie all denen, die aufgrund ihrer Worte und ihrer Taten von Furcht ergriffen waren, "Fürchtet Euch nicht!" zugerufen haben.
Habt keine Furcht, denn es gibt nichts an diesem Gott, wovor ihr Angst haben müsstet. Habt keine Furcht, denn für euch ist das Leben bestimmt; euch ist das Leben, ein Leben in Fülle in Jesu Namen.
Amen.
(gehalten am 26./27. April 2014 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)