Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


29. Juni - Hochfest Peter und Paul

 

Wer ist denn jetzt eigentlich wichtiger, Petrus oder Paulus? Wer hat größere Bedeutung? Der, den Jesus Fels nannte, oder der, der das Evangelium bis an die Grenzen der Erde verbreitet hat?

Liebe Schwestern und Brüder,

wie würden Sie entscheiden?

Der eine wahrte die Tradition, fühlte sich dem, was gewachsen war, verpflichtet, der andere preschte nach vorne, warf über Bord, was hinderlich war, um neue Wege zu beschreiten, und er suchte neue Antworten auf alte Fragen, die nun aber in einer völlig veränderten Situation gestellt wurden.

Der eine fühlte sich aufgrund seiner Beauftragung und Sendung durch den Meister in seiner Autorität bestätigt, der andere durch seinen Verstand und das Studium der Schriften.

Beide sind so unterschiedlich, wie man unterschiedlicher wohl kaum sein kann. Und beide feiern wir heute in einem gemeinsamen Fest.

Die Frage, wer von beiden wohl der Wichtigere ist, hat Kirche selbst nie zu beantworten gewagt. Sie hat Petrus und Paulus immer gemeinsam und in einem Atemzug genannt. Und vermutlich hat sie ganz gut daran getan.

Man kann diese Frage nämlich auch nicht beantworten. Weder Paulus noch Petrus ist der Wichtigere. Denn beide sind nötig! Es braucht beide, den Paulus wie den Petrus. Es braucht den Blick auf den Reichtum des Erbes vergangener Jahrhunderte, den Schatz der Überlieferungen und die gewachsene Tradition und es braucht genauso den mutigen Blick in die Zukunft, die Erneuerung und Neuausrichtung, die Übersetzung der Botschaft in eine neue und veränderte Zeit hinein.

Und beides braucht es nebeneinander. Wenn ein Teil für sich beanspruchen würde, schon alles zu sein oder alleine recht zu haben, dann wäre diese Kirche nicht mehr die, die von Jesus Christus ihren Ausgang genommen hat.

Das muss ich manchmal bedenken, wenn mir die Neuorientierung viel zu langsam geht und Teile der Gemeinde immer noch im Alten verhaftet sind.

Das müssen die bedenken, die sich gleichsam in die konservative Schmollecke zurückgezogen haben und nur noch davon sprechen, dass die Reformgruppen die Kirche zugrunde richten würden. Das müssen die fortschrittlichen Geister bedenken, die manchmal schon drauf und dran sind, Strukturen und Amt ganz über Bord zu werfen, und das muss sich die Kirchenleitung in Rom vor Augen halten, die momentan wohl schon eher Gefahr läuft, nur in den eher reformfeindlich bis traditionalistischen Kreisen die letztlich wahren Stützen der Kirche zu sehen.

Kirche hat stets gut daran getan, Petrus und Paulus immer zusammen zu nennen. Denn es braucht beide Typen nebeneinander: den, der bewahrt, genauso wie den, der nach vorne prescht. Dass ein Teil für sich beansprucht, bereits alles zu sein, und alle anderen gleichsam als Irrlehrer betrachtet, das darf nicht passieren, denn Kirche Jesu Christi wäre das dann nicht.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 2./3 Juli 2011 in der Peters- und Pauluskirche Bruchsal)