Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Christkönigssonntag - Lesejahr A-C

 

Vor Jahren hat mir mal jemand gesagt, man könne die vier alten Bruchsaler Pfarreien folgendermaßen umschreiben: Die Hofpfarrei, das waren die Beamten, die Stadtpfarrei, das waren die Kaufleute, St. Peter waren die Bauern und St. Paul die Arbeiter.

Zugegeben, solche pauschalen Zuweisungen sind falsch, sie geben nie die Wirklichkeit wieder und weisen alle Schwächen auf, die pauschale Urteile immer an sich haben. Aber sie sind trotzdem unheimlich hilfreich. Und sie machen so manches deutlich. Wenn Sie sich die vier alten Pfarreien so vor Augen halten, dann ist da bis heute etwas dran und wird bis in die Gegenwart hinein so manches erklärbar.

Und weil das so ist, weil solche Vergleiche - trotz ihrer Engführung und aller Fehlerhaftigkeit - oftmals ganz hilfreich sind, weil sie Dinge eben verdeutlichen können, deshalb möchte ich heute noch so einen Vergleich dazulegen. Diesmal keinen, der von den Pfarreien handelt, sondern einen, der den Charakter der Religionen in den Blick nimmt. Denn auch Religionen kann man mit solchen Vergleichen charakterisieren. Und manche davon sind durchaus hilfreich.

So begegnete mir vor einiger Zeit im Blick auf die drei großen monotheistischen Religionen die Formulierung:

"Der Jude geht mit Gott, der Muslim fällt nieder vor Gott und der Christ..."

Liebe Schwestern und Brüder,

ich könnte Sie jetzt ja mal raten lassen, wie es wohl weiter geht. Was ist charakteristisch für das Verhältnis des Christen zu Gott?

Um Sie jetzt nicht unnötig auf die Folter zu spannen - der Satz geht weiter mit:

"Der Christ steht vor Gott!"

Damit ist ungeheuer viel gesagt. Damit wird auf den Punkt gebracht, was wir im zweiten Hochgebet der Messe immer wieder beten:

"Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen."

Damit ist die ungeheure Würde zum Ausdruck gebracht, die Gott uns Menschen verleiht. Gerade heute, am Christkönigstag, macht dieser Gott uns deutlich, dass er, der König der Welt, sich in Christus zu uns herabgelassen hat - und uns dadurch gleichsam emporgehoben hat, auf Augenhöhe.

"Steh auf!" sagt er zu uns.

Wir Menschen brauchen vor dem Herrn der Welt nicht im Staub zu liegen, denn Gott hat gezeigt, dass er unser Bruder sein will, dass er den Menschen als bundgerechten Partner möchte.

Ein Christ ist einer, der weiß, dass er vor Gott stehen darf.

Natürlich trifft auch das, was über die anderen Religionen gesagt wird, auf Christen zu. Und natürlich können wir von den Grundhaltungen anderen Religionen lernen.

Von den Juden beispielsweise können wir wiederentdecken, dass glauben einen Weg gehen bedeutet, einen Weg, auf dem man von Gott begleitet wird, wie Israel aus Ägypten hinein in das gelobte Land. Wege, die nicht immer einfach sind, aber durch Gottes Begleitung gangbar werden, egal durch welche Wüste sie auch führen.

Und von den Muslimen müssen wir uns manchmal wieder neu sagen lassen, dass es Gott die nötige Ehre zu erweisen gilt, dass er so hoch erhaben ist, dass wir daneben verschwindend klein erscheinen, und dass wir diese Relation nie aus dem Blick verlieren dürfen, um nicht überheblich und auch gottververgessen zu werden. Denn Gott ist der Schöpfer aller Dinge, er ist der Herr der Welt, der König aller Menschen.

Aber das macht ja nur umso großartiger, was dieser König aller Könige uns Menschen in Christus eröffnet: Der Herr der Welt lässt sich zu uns hernieder und sagt zu uns, zu jeder und jedem Einzelnen: Steh auf! Bleib nicht im Staube liegen. Erhebe dich, mein Kind!

Gerade im Dialog mit anderen Religionen ist mir wieder ganz neu bewusst geworden, was für eine ungeheure Botschaft in diesen Worten steckt.

So sprechen nur wir Christen und diese Botschaft ist so prägend für unseren Glauben geworden, dass sie ihn in allen Facetten durchdringt. Bis hinein in die Liturgie, unsere Feier der Gottesdienste. Denn auch dort ist die Grundhaltung des Christen nicht etwa das Knien - wie manche immer noch meinen - und auch nicht das Sitzen. Die Grundhaltung des Christen im Gottesdienst ist das Stehen. Wir sind dazu berufen, vor Gott zu stehen und ihm zu dienen.

Man sitzt selbstverständlich bei den Teilen der Messe, in denen es vorab um das Hören geht - das ist keine Frage. Und Knien sieht das Messbuch seit über vierzig Jahren eigentlich nur noch zu den Wandlungsworten vor. Ansonsten nämlich stehen wir vor Gott, wie die Engel an seinem Altar, von ihm dazu berufen, als seine Kinder, die er unendlich liebt.

Das ist wahrhaft frohe, einzigartige und überwältigende Botschaft. Aus dieser Botschaft heraus kann man leben, denn sie gibt Kraft zum Leben.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 20./21 November 2001 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)