Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Predigt an Fronleichnam - Lesejahr A-C
Kennen Sie das?
Es wird ein Lied angestimmt, das man in- und auswendig kennt. Und man stimmt selbstverständlich ganz kräftig mit ein. Und dann singen alle einen Schnörkel, den man noch nie gehört hat, singen in einer Zeile zwei Halbtöne, die man nur als Vierteltöne kennt, und plötzlich ist man völlig draus und alles klingt nur noch schräg und absolut nicht mehr harmonisch.
Liebe Schwestern und Brüder,
Pfingstmontag konnten Sie es wieder erleben. Als wir die Einladung der Paul-Gerhardt-Gemeinde zum evangelischen Gottesdienst wahrgenommen haben, da war es wieder einmal genau so.
Wir haben gemeinsam gesungen, Lieder, die sowohl wir als auch die evangelische Gemeinde ganz gut kannten, und es klang schräg und immer wieder kam man d'raus, weil da eben eine Note nur ein klein wenig anders war, und dort das Tempo eben nicht mit dem unseren übereinstimmte.
Vielleicht gibt es kein besseres Bild für den Zustand der Ökumene in unserer gegenwärtigen Situation. Denn so wie mit den Liedern, die im Grunde genommen ja genau dieselben sind, aber einfach noch nicht richtig funktionieren, wenn wir sie gemeinsam singen, so ist das ja mit vielem. Wir glauben im Grunde dasselbe, aber da und dort gibt es andere Betonungen, andere Akzente und die sorgen dafür, dass es nur schräg und komisch klingt, wenn man die Dinge einfach so zusammenwirft.
Das sage ich heute, ganz besonders am vielleicht katholischsten Feiertag, den es überhaupt gibt. Heute feiern wir die Eucharistie, Gottes Gegenwart unter den Menschen im Zeichen des Brotes.
Gerade die Eucharistie aber ist ja eines der besten Beispiele dafür, gerade sie ist ja immer wieder Ausgangspunkt für die größten Auseinandersetzungen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich unsere Formen, unser Sprechen, unsere theologischen Ausdrucksweisen ganz anders entwickelt. Und darüber hinaus gibt es immer wieder die Diskussion, was man darf und was nicht erlaubt ist.
Über all das vergessen wir ganz schnell, dass die Grundmelodie ja identisch ist. Ganz gleich, ob es sich um die Eucharistie, Fragen der Rechtfertigung oder der Auslegung der Bibel handelt - die Grundmelodie ist doch nicht nur ähnlich, sie ist wirklich identisch.
Wenn wir sie gemeinsam singen, dann aber hakt es noch, dann geht es uns wie bei den schönen Liedern am Pfingstmontag, dann stören unterschiedlich gesetzte Akzente, die die Melodie vielleicht anders strukturieren, aber doch nicht verändern. Um wirklich gemeinsam singen zu können, gilt es nun den einen oder anderen Schnörkel auszubessern, es gilt an den Tempi zu arbeiten.
Da wird es notwendig sein, dass der eine einen Schnörkel lässt und der andere sich bei der Geschwindigkeit einfach ein wenig drosselt. Dann aber geht das doch ganz gut zusammen - weit besser, als viele große und kleine Geister da und dort unken.
Eines aber ist jetzt schon wichtig. Eines ist jetzt schon unverzichtbar - so schräg es manchmal auch klingen mag: Solange wir nämlich jeder und jede für sich, ihre Lieder alleine singen, solange ist ja alles kein Problem, solange fallen die Stellen, an denen wir arbeiten müssen, ja gar nicht auf. Die falschen Schnörkel und die zu kurzen Noten fallen dann gar nicht auf.
Wenn man nicht miteinander feiert, nicht miteinander die Praxis teilt, dann merkt man auch nicht, wo man unterschiedliche Ausdrücke für ein und dieselbe Sache verwendet. Wo es wirklich klemmt und wo der eine ab- und die andere zugeben muss, das entdeckt man erst, wenn man das Wagnis unternimmt, wirklich ein Lied gemeinsam anzustimmen, und wirklich gemeinsam zu singen.
Deshalb, genau deshalb tun wir es immer wieder.
Amen.
(gehalten am 30. Mai 2013 in der Antoniuskirche, Bruchsal)