Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Dreifaltigkeitssonntag (Joh 16,12-15)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist und wird es euch verkünden. (Joh 16,12-15)

Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte Ihnen heute von einem kleinen Waldstück erzählen, oder genauer, von einer kleinen Lichtung, mitten in diesem Wald. Dort nämlich, schon beinahe am Rande dieser Lichtung, dort entspringt eine kleine Quelle. Munter sprudelt das Wasser aus der Erde hervor, sammelt sich zu Füßen eines großen Baumes und formiert sich dann zu einem kleinen Bach. Über unzählige Steine hinweg gräbt sich jener kleine Bach dann seinen Weg den Hang hinunter, bis weit hinein in das Tal. Und er wächst dabei, er wird größer und mächtiger, wird zu einem richtigen Gebirgsbach. Und unten im Tal, wo dieser Bach dann ankommt, dort ist er dann schon so groß geworden, dass die Menschen, die an seinem Ufer wohnen, bereits von einem Fluss sprechen.

Aus der kleinen Quelle, die mitten im Wald entspringt ist ein kleiner Fluss geworden, ein Fluss, der sich dann ganz am Ende, fernab von seinem Ursprung im Wald in ein großes Meer ergießen wird. Davon wollte ich Ihnen heute erzählen: von einer Quelle, von einem Bach und einem Fluss.

Und ich tue das ganz bewusst heute am Dreifaltigkeitssonntag; nicht weil diese Quelle etwa berühmt wäre oder etwas besonders darstellen würde, ich tue es deswegen, weil mir so eine Quelle geholfen hat. Sie hat mir geholfen, als ich mich schon fast verzweifelt gefragt habe, was die Theologie denn meint, wenn sie von der Dreifaltigkeit spricht.

Es gibt schließlich denke ich in unserem Glauben keinen schwierigeren Punkt als dieses Sprechen vom dreifaltigen Gott, von einem Gott, der ein einziger ist, aber dennoch in drei Personen existiert. Da haben sich zu allen Zeiten die klügsten Theologen die Köpfe d'rüber zerbrochen, ohne auch nur auf einen grünen Zweig zu kommen. Und vermutlich wird das auch so bleiben, denn verstehen wird man das was man mit Dreifaltigkeit meint mit Sicherheit nicht. Das hieße ja, dass wir mit unserem kleinen Kopf, Gott verstehen könnten. Gott aber wird für uns immer ein Geheimnis bleiben.

Wo aber all unser Denken versagt, da hat mir dann diese kleine Quelle geholfen. Ein Bild, ein wunderschönes Bild, das mir ein klein wenig hilft, mit diesem ach so schwer verständlichen Satz von der Dreifaltigkeit zumindest ein klein wenig umgehen zu können. Im 4. Jahrhundert hat der große Theologe Gregor von Nazianz diese Geschichte von der Quelle, dem Bach und dem Fluss zum ersten mal erzählt. Und er hat dies getan, um den Menschen seiner Zeit ein klein bisschen deutlich zu machen, wie man sich das mit der Dreifaltigkeit denn so ganz von ferne zumindest vorstellen könne.

Gregor sagt, das mit der Dreifaltigkeit, das ist vielleicht so wie mit dieser Geschichte. Wir haben eine Quelle, einen Bach und einen Fluss und wir meinen, diese drei ganz deutlich voneinander unterscheiden zu können: Da ist die Quelle, da ist der Bach und da ist der Fluss.

Und Gregor sagt, das ist vielleicht ganz ähnlich wie bei Gott. Wir sprechen schließlich von Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Geist. Wir sagen, das ist das Wirken des Geistes, oder hier ist der Vater am Werk. Aber wenn wir genau hinschauen, dann geht es uns oft wie bei diesen drei Gewässern. Wenn wir genau hinschauen, dann müssen wir feststellen, dass wir die drei so ganz sauber gar nicht auseinanderhalten können. Obwohl wir eine Quelle, einen Bach oder einen Fluss haben, so ist das Wasser, das aus der Quelle heraussprudelt, dann doch genau das gleiche, das den Bach durchläuft, genau das gleiche, das sich dann auch in den Fluss ergießt. Obwohl es drei verschiedene Gewässer sind, eine Quelle, ein Bach und ein Fluss, es ist trotzdem ein und dasselbe Wasser, das sie alle durchfließt.

Vielleicht ganz ähnlich wie bei unserem Gott. Wir glauben in ihm drei Personen unterscheiden zu können. Alle drei aber durchweht ein und dasselbe göttliche Wesen. Es ist ein Gott, in den drei Personen, vielleicht ganz ähnlich wie es nur ein Wasser in diesen drei Gewässern ist. Quelle, Bach und Fluss haben mir ein klein wenig geholfen - nicht Gott zu verstehen, das wird nie geschehen -, aber mir ein klein wenig vorzustellen, wie ich mich diesem göttlichen Geheimnis im Denken nähern kann. Sie haben mir das Geheimnis nicht entzaubert, aber sie haben mir die Begegnung mit diesem Gott ein wenig erleichtert.

Ich kann von daher ohne große Schwierigkeiten davon sprechen, dass dieser Gott ein Gott in drei Personen ist, denn ich denke dann insgeheim an diese Quelle, den Bach und den Fluss. Diese drei verschiedenen Gewässer aus ein und demselben Wasser. Sie sind für mich nämlich ein Bild geworden, ein Bild für das eine göttliche Wesen, das in drei Personen existiert.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 2. Juni 1996 in der Peters- und der Pauluskirche, Bruchsal)