Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Sonntag nach Weihnachten - Lesejahr A-C (Joh 1,1-5. 9-14)
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. (Joh 1,1-5. 9-14)
Im Anfang war das Wunder!
Liebe Schwestern und Brüder,
so hätte Gott es angehen müssen.
Von wegen, im Anfang war das Wort. Worte sind Schall und Rauch. Wunder müssten es sein, Wunder begeistern die Menschen.
Als Wunderrabbi haben sie Jesus verehrt, Herodes wollte den kennenlernen, der Kranke gesund gemacht hatte. Was Jesus gesagt hatte, seine Botschaft, das hat weit weniger interessiert.
Das ist bis heute so.
Erzähle etwas von einer wundertätigen Quelle und die Leute strömen dort zusammen. Berichte von irgendeiner mysteriösen Heilung und die Menschen geraten in Verzückung. Rede von Erscheinungen und die Massen pilgern dorthin.
Aber sprich über Gottes Wort, dann will das kaum jemand hören. Handle davon, was er uns gewiesen hat, und die Leute laufen davon. Berichte von der Botschaft seiner Propheten und sie sagen, lass uns in Ruhe mit den alten Kamellen.
Als ob man mit Worten jemanden hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Da müssen schon handfeste Wunder her, in einer wundersüchtigen Welt.
Und sie müssen auch immer spektakulärer sein. Wer gibt sich auch schon mit dem Wunder des Lebens zufrieden, wenn man im Fernsehen bereits über Autos springen muss, damit die Menschen die Sendung überhaupt noch einschalten. Auch für die Wunder, die man von Gott erwartet, gilt der Grundsatz schneller, höher, weiter, nach dem in unserer wachstumsorientierten Gesellschaft alles funktioniert.
Und da meint Gott mit einem einfachen Wort die Menschen erreichen zu wollen.
Nun, er meint es nicht nur, er tut es. Er offenbart sich in seinem Wort, dem Wort Gottes, das uns in der Schrift begegnet.
Und wer Gott - den Gott, den wir Christen ehren -, wer diesen Gott kennenlernen möchte, kommt um das Wort der Schrift nicht herum.
Brauchtum, Volksfrömmigkeit, Wallfahrten und noch so viele religiöse Praktiken mögen hilfreich sein. Wo sie aber nicht rückgebunden sind an eine vernünftige Auseinandersetzung mit dem Gotteswort, führen sie nur allzu schnell in Sackgassen, religiöse Verirrungen, Aberglauben und eine letztlich krankmachende Religiosität.
Wer dieser Gott wirklich für uns ist, was er wirklich von uns möchte, was er letztlich für uns möchte, erfährt man am ehesten, am unmittelbarsten und am getreuesten dort, wo er sich selbst offenbart hat: in seinem Wort, im Wort der Schrift. Und wer Gott sucht, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich mit seinem Wort, mit dem Wort der Bibel auseinanderzusetzen.
Dort nämlich wird man fündig werden, dort wo sich Gott von jeher hat finden lassen: in jenem Wort, das im Anfang bei Gott war und das von Gott ausgegangen ist, um uns Menschen zu ihm zu führen. Denn im Anfang war nicht das Wunder irgendwelcher Heiligen, im Anfang waren keine Marienerscheinungen und keine Wallfahrten, im Anfang waren kein Brauchtum, kein Ritus und kein Kult. Im Anfang war das Wort, schlicht und ergreifend Gottes Wort.
Amen.
(gehalten am 2. Januar 2011 in der Antoniuskirche, Bruchsal)