Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
24. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Ex 32,7-11. 13-14)
In jenen Tagen sprach der Herr zu Mose: Geh, steig hinunter, denn dein Volk, das du aus Ägypten heraufgeführt hast, läuft ins Verderben. Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen vorgeschrieben habe. Sie haben sich ein Kalb aus Metall gegossen und werfen sich vor ihm zu Boden. Sie bringen ihm Schlachtopfer dar und sagen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägypten heraufgeführt haben. Weiter sprach der Herr zu Mose: Ich habe dieses Volk durchschaut: Ein störrisches Volk ist es. Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt. Dich aber will ich zu einem großen Volk machen. Da versuchte Mose, den Herrn, seinen Gott, zu besänftigen, und sagte: Warum, Herr, ist dein Zorn gegen dein Volk entbrannt? Du hast es doch mit großer Macht und starker Hand aus Ägypten herausgeführt. Denk an deine Knechte, an Abraham, Isaak und Israel, denen du mit einem Eid bei deinem eigenen Namen zugesichert und gesagt hast: Ich will eure Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel, und: Dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es für immer besitzen. Da ließ sich der Herr das Böse reuen, das er seinem Volk angedroht hatte. (Ex 32,7-11. 13-14)
"S'hetts doch welle!"
Das war die übliche Antwort meiner Großmutter - und zwar immer dann, wenn eines von uns Kindern entweder schokoladeverschmiert, vollgestopft mit Süßigkeiten oder gar mit der spitzen Schere in der Hand dagestanden ist und unsere Mutter nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen konnte, ob des offensichtlich unverantwortlichen Handelns unserer Großmutter.
"S'hetts doch welle!" was - für alle die des Alemannischen nicht so kundig sind - nichts anderes bedeutete als: "Das Kind hat es doch gewollt."
Für unsere Großmutter war das Grund genug, es dann auch zuzulassen.
Liebe Schwestern und Brüder,
man muss keine pädagogische Ausbildung besitzen, um zu wissen, dass es so nun wirklich nicht geht.
Im Nachhinein verstehe ich mehr als nur gut, warum es zwischen meiner Großmutter und meiner Mutter in diesen Situationen immer einen Mords Krach gegeben hat. Wie kann man die Dinge auch einfach so laufen lassen, nur weil ein Kind es halt so möchte! Was da alles passieren kann!
Als Erwachsener sollte man das besser wissen.
Wenn man Dinge aber besser weiß, dann muss man auch "Nein" sagen können, wenn es notwendig ist. Manchmal muss man "Nein" sagen, um von anderen Schaden abzuwenden.
Und nicht nur bei der Kindererziehung. Eigentlich immer, wenn man mehr weiß als andere, tiefere Einsicht hat - und vor allem: wenn man Verantwortung trägt.
Aaron hatte diese Verantwortung. Er wusste darum, was richtig und was falsch war. Und das Volk war ihm anvertraut. Und er hätte "Nein" sagen müssen. Aber er sagte letztlich nichts anderes, als meine Großmutter: Das Volk wollte es halt so!
Es reichte nicht aus, darum zu wissen, dass Gott überall gegenwärtig war, dass er mitzog und sich überall um die Seinen kümmerte. Die Menschen wollten offenbar einen Ort, an dem man Gott anbeten konnte. Und einen Kult - etwas, was man tun konnte, damit man die Sicherheit hatte, dass die Gottheit nun auch wirklich antworten musste. Man wollte etwas, worauf man Gott festlegen konnte.
Theologisch konnte man Götterbilder vielleicht noch ganz gut rechtfertigen. Die Theologen wussten damals natürlich, dass das Bild nicht wirklich die Gottheit war. Solch ein Jungstier, wie ihn sich die Israeliten gegossen hatten, galt einfach als Thron der Gottheit. Auf ihm hatte sich Gott niedergelassen.
Dass die Menschen das Bildnis mit der Gottheit verwechselten, stand auf einem ganz anderen Blatt.
Eigentlich hätte man dem wehren müssen - aber Volk verlangte doch danach - sie wollten es doch so...
Die eigentliche Schuld an diesen Ereignissen, die das Buch Exodus heute schildert, hat deshalb der Priester Aaron. Er hätte es nämlich besser wissen müssen, er hätte einschreiten müssen, ganz zu schweigen davon, dass er die Sache sogar noch unterstützt, ja auch noch gefördert hat..
Verhindern hätte er es müssen! Er hatte schließlich die Einsicht, das Wissen und auch noch die Verantwortung. Und die gilt es wahrzunehmen, auch heute - überall, wo die Dinge ins Kraut schießen.
Nicht jede Religiosität, nicht jede Form von Frömmigkeit ist schließlich hilfreich, führt den Menschen zu Gott und zu einem geglückten Leben.
Auch wenn das meiste, was so landläufig als Volksfrömmigkeit gilt, bieder, gut und recht ist, manches überzogene Verlangen nach einfachen Antworten, billigen Rezepten, so manches Klammern an Dinge, Techniken und magische Praktiken hat den Boden des Glaubens schon lange verlassen, gehört schon mitten hinein in finsterste Magie und reinsten Aberglauben.
Der aber führt Menschen weg von Gott, und meist führt er gar in Enge und Zwänge hinein. Und da kann keiner, der Verantwortung trägt, einfach danebenstehen und sagen: Aber sie wollen es doch so.
Man möge mir verzeihen, dass mir solche Gedanken auch im Zusammenhang mit jener Formulierung durch den Kopf gegangen sind, die jüngst in dem Dokument auftauchte, das über die Zulassung der sogenannten "alten Messe" handelt. Da ist doch die Rede davon, dass man so feiern solle, Wenn eine feste Gruppe in der Gemeinde es wünscht...
Eigentlich gehe ich davon aus, dass in verantwortlicher Art und Weise vor etlichen Jahrzehnten kluge Theologen festgestellt hatten, dass die Art Messe zu feiern reformbedürftig war, dass einiges als halbschief erkannt wurde und man eine authentischere Form brauche, die die ursprüngliche Intention wieder deutlicher hervortreten lasse.
Und das, was bei diesem Überlegen und Ringen herausgekommen ist, war ja offenbar auch so gut, dass man es ganz an die Stelle des Althergebrachten gesetzt hat.
Und es soll ja auch auf Zukunft hin genau so bleiben. Unsere Art und Weise, die Messe zu feiern ist so richtig und so stimmig, dass sie auch weiterhin, die ordentliche, die normale und auch absolut selbstverständliche Form sein soll.
Man möge mir verzeihen, wenn ich nicht verstehe, dass man dann sagt, wenn einige es doch wollen, dann könne man es ja auch mal anders machen.
Wäre beides gleich richtig, hätte man damals nichts Neues gebraucht. Warum aber soll ich dann die eigentliche und verbindliche Form beiseite lassen, nur weil man es da und dort jetzt halt einmal so will?
Man möge mir verzeihen, dass mir dazu nichts anderes einfällt als jener Satz , den meine Großmutter in solchen Fällen gesagt hat: "Sie haben es halt doch so gewollt."
Aaron hat mit diesem Motto ganz gewaltig Schiffbruch erlitten.
Glücklicherweise ist bei meiner Großmutter damals, nie etwas ernsteres passiert...
(gehalten am 16. September 2007 in der Peterskirche, Bruchsal)