Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


1. Adventssonntag - Lesejahr C (Lk 21,25-28. 34-36)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen. Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe. Nehmt euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht, so, wie man in eine Falle gerät; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt. (Lk 21,25-28. 34-36)

Essen Sie eigentlich noch Rindfleisch?

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn ja, dann gehören Sie wohl - sofern man den Medien Glauben schenken darf - momentan zu einer der großen Minderheiten in Deutschland.

So sechs bis sieben Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen bekomme ich den Tag über mit und in der letzten Woche gab es keine einzige in der nicht irgendeine Meldung über Rinderwahn, BSE und damit zusammenhängende Gefahren über den Äther ging.

Es herrscht Katastrophenstimmung in Deutschland. Und so, wie da berichtet wird, ist man manchmal schon versucht zu glauben, dass eigentlich kaum noch etwas zu machen ist. Wer weiß, wie lange die Seuche schon unbemerkt grassiert, wie viel schon vergiftet und wer alles eigentlich schon betroffen ist!

Die Menschen haben Angst - und das bei jedem Teller, der auf den Tisch kommt. Es ist ja nicht nur das Fleisch. Wir purzeln schließlich von einer Katastrophenmeldung in die andere.

Wer erinnert sich eigentlich noch daran, was als letztes 'dran war?

War es die Tatsache, dass ein guter Teil der Lebensmittel schon gentechnisch verändert ist und keiner weiß, was das für Konsequenzen haben wird? Oder war es irgendein Flüssigei-Skandal? Und wenn es nicht das Essen ist, dann sind es Handys und Funkempfänger und der andauernde Elektrosmog, dem wir ausgesetzt sind, und die Castor-Transporte, von denen gesagt wird, dass die Behälter nicht hundertprozentig dicht seien, der Wald, der stirbt, und die Flüsse, die umkippen, und dann noch das Sonnenlicht, das Hautkrebs verursacht, des Ozonlochs wegen...

Die Menschen haben Angst. Und je mehr Angst unter den Leuten ist, desto aufgeregter reagiert man, bei jeder neuen Meldung, die uns erreicht.

Ich will das gar nicht abtun. Und ich will hier unter keinen Umständen verharmlosen. Die beinahe schon Weltuntergangsstimmung, die uns in den Nachrichtensendungen entgegenschlägt, hat durchaus einen ernsten und vor allem ernstzunehmenden Hintergrund. Da haben Verantwortliche geschlampt. Und da sind profitgierige Unternehmen wieder einmal - hoffentlich nicht schon - über Leichen gegangen. Das gilt es mehr als ernst zu nehmen. Und es gilt vor allem, die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Unser Leben und unsere Gesundheit ruhen auf einem Zusammenspiel von Kräften, die sich in einem sehr labilen Gleichgewicht befinden. Wer da allzu sorglos und vor allem leichtsinnig wird, setzt am Ende alles aufs Spiel - und nicht nur für sich selbst. Leben ist eben immer auch lebensgefährlich. Etwas anderes zu behaupten, wäre blauäugig und naiv.

Umso verständlicher, wenn Menschen angesichts solcher Zusammenhänge sich mit dem Gedanken schwer tun, dass die Geschicke dieser Welt in den Händen eines Gottes ruhen, der sie nach seinen Plänen lenkt. Von wegen Plan, von wegen göttliche Lenkung - So wie es aussieht hat es viel eher den Anschein, als wären wir den Launen irgendwelcher Kräfte ausgesetzt, die keiner von uns so richtig beeinflussen kann, und die uns zum Spielball eines undurchschaubaren und vor allem unbarmherzigen Schicksals machen, dem keiner von uns letztlich entflieht; einem Schicksal, vor dem Menschen einfach nur noch Angst haben.

Allen, denen es so ergeht, zu allen, die schon drauf und dran sind, an diesem Gott zu zweifeln und zu verzweifeln, zu all denen spricht das heutige Evangelium:

Auch wenn es oft so aussieht, auch wenn manchmal alles dafür spricht, selbst wenn alle Anzeichen darauf hindeuten würden - wir sind nicht der Spielball der Geschichte. Gott lässt nicht zu, dass irgendjemand anders als er selbst Macht über unser Geschick erhält.

Egal was geschieht, egal wie grausam und furchtbar es auch anmuten mag, egal, wie groß die Weltuntergangsstimmung auch wird: Richtet Euch auf und erhebt Euer Haupt, denn es naht Eure Erlösung.

Heute ruft Jesus Christus uns allen erneut zu, dass der Weg, den wir gehen, ein Weg ist, der zum Ziel führt. Auch wenn keiner von uns sagen kann, wie dieses Ziel beschaffen sein wird, auch wenn keiner von uns weiß, wohin uns der Weg genau führen wird, ja selbst wenn keiner sagen kann, wie viele Abgründe es auf diesem Weg noch zu überwinden gilt: es ist der Weg, von dem Jesus Christus sagt, dass er selbst ihn geht, dass er ihn mit uns geht und dass er uns, genau auf diesem Weg, zu seinem Ziel führt.

Deshalb alle Umsicht, die es braucht, alle Vorsicht und jede Maßnahme, die notwendig ist, aber keine Hysterie, keine übertriebene Aufgeregtheit und vor allem keine Angst, die uns letztlich nur den Verstand raubt - den klaren Verstand, den man gerade auf schwierigen Wegstrecken ganz besonders braucht.

Es gibt keinen Grund zur Verzweiflung. Weder Bedrängnis noch Not, weder Verfolgung, noch Hunger, keine Gefahr und kein Schwert, nichts kann uns Scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. Deshalb, egal was auch geschieht:

Richtet Euch auf und erhebt Euer Haupt, denn es naht Eure Erlösung.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 3. Dezember 2000 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)