Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


5. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr C (Apg 14,21b-27)

In jenen Tagen kehrten Paulus und Bárnabas nach Lystra, Ikónion und Antióchia zurück. Sie sprachen den Jüngern Mut zu und ermahnten sie, treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen. In jeder Gemeinde bestellten sie durch Handauflegung Älteste und empfahlen sie mit Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie nun glaubten. Nachdem sie durch Pisídien gezogen waren, kamen sie nach Pamphýlien, verkündeten in Perge das Wort und gingen dann nach Attália hinab. Von dort fuhren sie mit dem Schiff nach Antióchia, wo man sie für das Werk, das sie nun vollbracht hatten, der Gnade Gottes empfohlen hatte. Als sie dort angekommen waren, riefen sie die Gemeinde zusammen und berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte. (Apg 14,21b-27)

"Das ist ganz einfach," meinte der hilfsbereite Passant. "Sie fahren an der nächsten Ampel rechts, dann links, dann kommen drei Ampeln, und an der dritten ordnen Sie sich links ein, biegen halblinks ab, dann zweimal rechts und sie können es eigentlich gar nicht mehr verfehlen."

Alles verstanden?

Liebe Schwestern und Brüder,

für den, der den Weg schon hundertmal zurückgelegt hat, mag so eine Erklärung völlig einsichtig und ganz einfach sein. Für den vielleicht - aber auch nur für den! Der arme Kerl, der sich ortsunkundig mit solchen Angaben auf die Suche machen muss. Er wird unterwegs sicher noch mehrmals fragen müssen. Und er kann nur darauf hoffen, dass er auch Menschen begegnet, die ihm weiterhelfen können.

Glücklich der, der auf Menschen stößt, die wahrnehmen, dass da einer am Suchen ist. Glücklich der, der auf Menschen trifft, die ihm dann auch hilfreich zur Seite stehen. Das schönste Ziel nützt mir nämlich nichts, wenn man den Weg dorthin nicht findet.

Und das gilt unterschiedslos für alle Ziele - auch für das Ziel von dem die Lesung spricht, die wir eben gehört haben: von der Tür nämlich, die offen steht!

Sie erinnern sich? Es hieß: "Die Apostel berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte."

Gott hat eine Tür aufgemacht. Er hat ein neues Ziel geöffnet - ein Ziel, zu dem die Tür nun speerangelweit offen steht. Man kann ganz einfach hineingehen.

Und die Apostel berichten auch, dass die Menschen damals hineingegangen sind, ja, dass sie geströmt sind. In Scharen sind sie gekommen, zu Hunderten und zu Tausenden. Sie haben sich aufgemacht, um durch diese soeben geöffnete Tür hindurchzugehen.

Die Tür steht immer noch offen. Nur strömen tun die Menschen - bei uns zumindest - schon lange nicht mehr. Und viele fragen sich, warum das so ist. Vielleicht liegt es ja ganz einfach daran, dass sie den Weg nicht mehr finden. Das schönste Ziel nützt nämlich wenig, wenn man den Weg dorthin nicht kennt.

Dabei war es früher nicht einfacher, das Ziel zu erreichen. Der Weg zu Gott, ist zu jeder Zeit im Grunde gleich kompliziert und gleich einfach.

Vielleicht haben sich die Apostel bei der Wegbeschreibung damals, nur etwas geschickter angestellt! Wenn jemand nämlich in einer fremden Stadt nach dem Weg fragt, dann gilt es denselben mit einfachen Worten, klar und verständlich in einer Sprache zu beschreiben, die der andere auch versteht.

Mir kommt es heute oft vor, als würden wir all denen, die augenblicklich auf der Suche sind, nicht nur erklären, dass sie viermal abbiegen, sich dreimal einordnen und einmal die Spur wechseln müssen. Wir erzählen gleich noch mit, an welchen Gebäuden man vorbeikommt, wann dieselben gebaut wurden, welche berühmten Leute alle in ihnen gewohnt haben, und vor allem, wie die Architekten hießen, die die Vorgängerbauten errichtet haben. Das mag zwar alles interessant und für den Insider auch wichtig sein - Für den, der im Augenblick nur den Weg sucht, ist es alles andere als hilfreich.

Menschen suchen nach Gott und von ihm haben die Apostel berichtet, von dem, der uns das Leben schenkt, ein Leben über den Tod hinaus. Und wir erzählen von tausendjährigen Traditionen und von Ämtern, Bischöfen und Papst, von Kurie und Katechismen.

In Menschen erwacht eine Ahnung von Gott. Und der Erfolg des Paulus wurzelte darin, dass er diese Menschen ermutigt hat, solch ein religiöses Ergriffensein zu leben und zu feiern. Und wir betonen dabei gleich, dass es dazu aber ganz bestimmte religiöse Praktiken braucht, und klar geregelte Formen, bei denen jeder auch zu wissen habe, was ich auf welches Stichwort zu antworten und wann genau ich niederzuknien habe. Und wehe dem, der das erste Mal da ist und sich furchtbar blamiert, weil er um all dies nicht weiß.

Die Apostel sind zu den Menschen gegangen und zwar zu den Erwachsenen. Wir haben eigentlich, was die Weitergabe des Glaubens angeht, nur noch die Kinder im Blick. Und selbst da warten wir meist auch darauf, dass man sie zu uns bringt. Und dann fragen wir noch nach den entsprechenden Papieren, den Bescheinigungen, die notwendig sind, und vor allem, ob die entsprechenden Personen auch in unserem Einzugsbereich wohnhaft sind, so dass das Ganze überhaupt in unsere Zuständigkeit fällt.

Und das Endergebnis ist, dass dort, wo bei Menschen - zum Beispiel in unserem Neubaugebiet - plötzlich Fragen aufbrechen, auf die wir eigentlich eine Antwort wüssten, dass dann weit und breit niemand da ist, um solch eine Antwort geben zu können.

Das ist wie bei einem Fremden in einer fremden Stadt ohne einen Anhaltspunkt, wo er jetzt ist, und weit und breit kein Mensch zu sehen, den er jetzt fragen könnte...

Die Zahl der Menschen, die den Weg suchen, ist nicht kleiner geworden. Vielleicht haben wir nur verlernt, ihn zu weisen.

Gott hat alle Türen geöffnet. Jetzt müssen wir uns nur noch gegenseitig helfen, die unterschiedlichen Wege zu ihnen auch wirklich zu finden.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 12./13. Mai 2001 in der Pauluskirche, Bruchsal)