Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Die Feier der Osternacht
Am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling, da ist Ostern. Jetzt scheint er nämlich am hellsten, der Mond, in seiner ganzen Fülle.
Liebe Schwestern und Brüder,
dabei scheint er überhaupt nicht. Der Mond hat gar kein Licht - zumindest kein eigenes. Alles, was in einer klaren Mondnacht unsere Nacht erhellt, kommt von der Sonne. Es ist ihr Licht, das der Mond einfach nur wiederspiegelt. Denn ohne die Sonne ist der Mond nur ein toter Klumpen aus Stein.
Schon die Kirchenväter wussten das. Sie haben den Mond deshalb als Bild benutzt. Für diese frühen christlichen Gelehrten war der Mond ein Bild für die Kirche.
Die Kirche selbst hat nämlich kein auch Licht. Sie strahlt nicht wirklich. Wenn sie leuchtet, dann nur deshalb, weil das Licht, das sie von Gott empfängt durch sie umgelenkt wird. Das Licht stammt einzig und allein von Gott. Aber die Kirche lenkt es um, sie sorgt dafür, dass dieses Licht in der Welt leuchtet.
So zumindest die Kirchenväter. So zumindest die Theorie.
Aber manchmal gibt es halt auch den Neumond. Manchmal hat sich der Mond so von der Sonne abgewendet, ja manchmal steht er dem Sonnenlicht geradezu im Weg, so dass für die Menschen nur ein steiniger, finsterer von Kratern zerfurchter Anblick bleibt. Solche Phasen, regelrechte Mondphasen, kennt auch die Kirche.
Auch das wussten die Kirchenväter schon. Es gibt die Zeit, die dem zunehmenden, eine Zeit, die dem abnehmenden, und auch eine Zeit, die dem Neumond entspricht.
Eine solche Zeit ist jetzt. Da gibt es am Rand noch das ein oder andere zaghafte Leuchten, ansonsten aber überwiegt eine finstere Einöde, beinahe einer abstoßenden Fratze gleich.
Der katholische Theologe Gotthard Fuchs sprach schon vor einigen Jahren davon, dass wir am Karfreitag von Kirche stünden. Wir haben den Karsamstag beinahe erreicht.
Und auch wenn ein Mann wie Joseph Ratzinger die Kirche dabei gerne als Opfer darstellt, finstere Mächte und einen unseligen Zeitgeist vorschiebt, die der Kirche von außen zusetzen würden, sie hat ihren Karfreitag ganz alleine zu verantworten, ihre kleinen und großen Hirten haben ihr die Luft zum Atmen genommen. Und ihren Auftrag, das Sonnenlicht, Gottes Botschaft in die Welt hinein zu strahlen, den hat sie gleichsam verraten.
Am Karsamstag gibt es noch keinen Osterjubel, den Karsamstag gilt es auszuhalten. Der Trauer muss man ihren Raum geben.
Deshalb graust es mich schon beinahe, wenn jetzt schon wieder gesagt wird, man müsse doch auch das Gute sehen oder dass all das Wertvolle doch bei Weitem überwiegen würde.
Es gibt eine Zeit für Durchhalteparolen, es gibt aber auch eine Zeit für die Trauer. Und ihr will ich im Augenblick Raum geben.
Allein eine Hoffnung bleibt. Das ist die Verheißung, die uns schon der Mond mit auf den Weg gibt: Nach dem Neumond nimmt er nämlich wieder zu. Und genau das ist auch das entscheidende an der Botschaft Christi. Der Tod und das Sterben haben nie das letzte Wort. Der Ernstfall unseres Glaubens ist der Glaube an die Auferweckung.
Sie gilt es zu feiern, denn sie ist unsere Hoffnung. Es wird nämlich auch nach dem Karsamstag von Kirche eine neue Auferstehung geben. Diese Kirche wird vermutlich eine andere sein müssen. Das Licht aber, das sie in die Welt spiegeln wird, wird dasselbe sein.
Denn das ist die eigentlich gute Nachricht: Dieses Licht hat nie aufgehört zu scheinen. Gottes Liebe ist wie die Sonne. Sie ist immer und überall da - selbst in einer mondlosen Nacht.
Amen.
(gehalten am 16. April 2022 in der Kirche St. Bartholomäus, Ettenheim)