Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
18. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Koh 1,2; 2,21-23)
Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Denn es kommt vor, dass ein Mensch, dessen Besitz durch Wissen, Können und Erfolg erworben wurde, ihn einem andern, der sich nicht dafür angestrengt hat, als dessen Anteil überlassen muss. Auch das ist Windhauch und etwas Schlimmes, das häufig vorkommt. Was erhält der Mensch dann durch seinen ganzen Besitz und durch das Gespinst seines Geistes, für die er sich unter der Sonne anstrengt? Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger, und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe. Auch das ist Windhauch. (Koh 1,2; 2,21-23)
Können Sie auch nicht schlafen, wenn irgendein Problem noch nicht gelöst ist?
Wenn wieder einmal einer unserer PCs nicht so will, wie er soll, die Arbeit deswegen liegen bleibt, ich kann dann kaum abschalten. Da fällt mir dann sogar im Bett noch ein, was ich noch nicht versucht habe. Und meist lässt mir das dann keine Ruhe, meist probiere ich es dann noch in der Nacht aus - vorher finde ich ja sowieso keinen Schlaf.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke, Sie kennen das.
Wer kann denn auch zur Ruhe kommen, wenn die Gedanken noch am Arbeiten sind, wenn der Monatsabschluss noch nicht fertig ist und sich irgend ein Fehler im Rechnungsergebnis eingeschlichen hat - wieder einmal so einer, der sich einfach nicht finden lässt.
Wenn noch Arbeiten korrigiert werden müssen und die Notenkonferenz schon viel zu nahe ist, wer kann da an Ausspannen denken.
Wenn Prüfungen anstehen und mir nur noch durch den Kopf geht, welche Themen ich immer noch nicht angeschaut geschweige denn verstanden habe, wer wird da wirklich ruhig schlafen.
Das kennen Sie sicher, das ist nirgendwo anders, das ist überall das Gleiche und es ist auch absolut nicht neu. Es ist so alt, dass schon die Bibel davon zu berichten weiß:
Wie heißt es im Buch Kohelet? Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger, und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe.
Windhauch sei dies, sagt Kohelet - und er hat recht.
Bei aller Bedeutung, die unsere Arbeit hat, bei allem Verständnis dafür, dass uns die Sorgen des Alltags bis in die letzte Faser unseres Daseins in Beschlag nehmen, auf Dauer macht uns das kaputt - und was noch viel wichtiger ist, es verstellt uns den Blick für die Dinge, die wirkliche Bedeutung haben.
Wie klein werden die Sorgen um den Haushalt plötzlich, wenn jemand krank wird. Wie unbedeutend scheint der ach so unaufschiebbare Termin, wenn ich plötzlich mit wirklich existentiellen Problemen konfrontiert werde.
Ja, es gibt ein Leben nach den Zeugnissen, es gibt ein Leben nach den Prüfungen und es gibt ein Leben nach der Arbeit.
Sich dies bewusst zu machen ist eine Herausforderung für jeden neuen Tag.
Nicht immer gelingt uns das. Häufig ist es so: da besteht der Tag nur aus Sorge und Ärger und selbst in der Nacht kommt mein Geist nicht zur Ruhe. Aber es gibt Zeiten, in denen es anders sein kann. Und die sind deshalb auch so ungeheuer wichtig.
Deshalb müssen wir diese Zeiten auch nutzen, aufpassen, dass sie uns nicht durch die Finger rieseln, dass sie nicht zum Alltag werden und nicht von Alltäglichkeiten aufgefressen werden. Es gibt solche Zeiten jede Woche. Der Sonntag kann zu solch einem Geschenk werden und die Ferientage, die Ferienzeit, die jetzt vor uns liegt, ist es allemal.
Achten wir darauf, sie entsprechend zu nutzen, wirklich zur Ruhe zu kommen und auf das zu blicken, was kein Windhauch sondern wirklich wichtig ist.
Amen.
(gehalten am 31. Juli / 1. August 2010 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)