Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
11. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (2 Sam 12,7-10. 13)
In jenen Tagen sagte der Prophet Natan zu David: So spricht der Herr, der Gott Israels: Ich habe dich zum König von Israel gesalbt, und ich habe dich aus der Hand Sauls gerettet. Ich habe dir das Haus deines Herrn und die Frauen deines Herrn in den Schoß gegeben, und ich habe dir das Haus Israel und Juda gegeben, und wenn das zu wenig ist, gebe ich dir noch manches andere dazu. Aber warum hast du das Wort des Herrn verachtet und etwas getan, was ihm missfällt? Du hast den Hetiter Urija mit dem Schwert erschlagen und hast dir seine Frau zur Frau genommen; durch das Schwert der Ammoniter hast du ihn umgebracht. Darum soll jetzt das Schwert auf ewig nicht mehr von deinem Haus weichen; denn du hast mich verachtet und dir die Frau des Hetiters genommen, damit sie deine Frau werde. Darauf sagte David zu Natan: Ich habe gegen den Herrn gesündigt. Natan antwortete David: Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben. (2 Sam 12,7-10. 13)
Wie hat mir einmal jemand vorgehalten? Ihr Katholiken habts ja gut: Ihr könnt anstellen, was Ihr wollt - Ihr geht einfach zur Beichte und dann ist wieder alles, als wäre nichts geschehen.
Liebe Schwestern und Brüder,
ja so einfach ist das - meint man. Und es gibt sogar Katholiken, die sich einbilden, dass es so einfach sei. Und manches Mal wird dieses Bild ja auch noch genährt - manchmal sogar im Gottesdienst. Bei der heutigen Lesung etwa könnte man schon auf solch eine Idee kommen.
Da steht der König - nach abscheulichsten Verbrechen - und der Prophet Natan zählt ihm all seine Vergehen auf. Und dann kommt der lapidare Satz des Königs: Ich habe gegen den Herrn gesündigt. Und Natan antwortete David: Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben.
So einfach ist das - könnte man meinen.
Aber es scheint nur so einfach, weil da Theologen offenbar der Meinung waren, man könne den Menschen, das was wirklich in der Bibel steht, heute nicht mehr zumuten. Und deshalb hat man da etwas weg gelassen und dort ein wenig früher aufgehört, und dadurch einen Text kreiert, der sich jetzt zwar wunderschön vorlesen lässt, der die Sache letztlich aber in einem schiefen, wenn nicht gar völlig falschen Bild erscheinen lässt.
Es ist eben nicht so, dass da einer sagt, "Tut mir halt leid" und alles ist vergeben und vergessen. Dazu ist Gott viel zu zornig. Denn Gott wird zornig, wenn Menschen Leid angetan wird und Ungerechtigkeit die Oberhand zu gewinnen scheint. Und der Prophet schleudert dem König, der den Hethiter Urija um die Ecke bringen ließ, um sich mit seiner Frau davonzumachen, den ganzen Zorn Gottes entgegen: "Ich werde dafür sorgen, dass sich aus deinem eigenen Haus das Unheil gegen dich erhebt, und ich werde dir vor deinen Augen deine Frauen wegnehmen und sie einem andern geben; er wird am hellen Tag bei deinen Frauen liegen. Ja, du hast es heimlich getan, ich aber werde es vor ganz Israel und am hellen Tag tun."
So steht es da, auch wenn man diese Sätze in unserem Lektionar einfach weg gelassen hat. Aber das ist nicht gut, denn dieser Text macht sehr deutlich dass nichts Gott mehr auf die Palme bringt, als Unrecht, das Menschen an anderen verüben.
Und als David seine Schuld einsieht? Ja, der Prophet antwortet: "Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben,..." "aber" - und dieses "aber" hat man bei der heutigen Lesung auch wohlweislich unterschlagen: "Weil du aber die Feinde des Herrn durch diese Sache zum Lästern veranlasst hast, muss der Sohn, der dir geboren wird, sterben."
Ich weiß, das wird heute nicht mehr verstanden. Sofort fragen wir, was kann denn das arme Kind dafür. Und wie kann Gott so ungerecht sein, das Kind für den Vater zu strafen. Das aber ist modernes Denken. So zu denken, war den Hebräern, war dem Verfasser des Textes vor knapp 3000 Jahren noch völlig fremd. Wahrscheinlich sind Kinder damals so häufig gestorben, dass man darüber gar nicht in dem Maße reflektiert hat, wie wir das heute eben tun.
Für den Verfasser des Textes geht es erst einmal gar nicht um die Frage, nach dem Kind. Ihm ist etwas anderes weit wichtiger. Ihm geht es um die Frage: Soll denn der König jetzt den Urija einfach ermordet haben und mit seiner Frau glücklich werden, noch einen Erben bekommen und mit seinem perfiden Plan am Ende auch noch durchkommen? Soll Gott einfach zuschauen, wie die abscheuliche Rechnung dieses Königs am Ende auch noch aufgeht.
Das ist doch der eigentliche Punkt! Das wäre doch ungerecht. Es geht im Zusammenhang des Samuelbuches eigentlich nur um diese eine Frage: David baut seine Macht aus, und er legt den Grundstein zu einer großen Dynastie. Und viele Söhne zu haben, das unterstreicht seinen Anspruch auf Macht und Einfluss in der antiken Welt. Und auf dem Weg dazu geht er über Leichen, nimmt er sich einfach, was er will - und das auf Kosten anderer.
Er bereut, am Ende bittet er um Verzeihung. Und Gott lässt sich reuen und vergibt. Das heißt aber nicht, dass er "Ja" und "Amen" zu Davids perfidem Spiel sagt, dass David am Ende auch noch Profit aus diesem Unrecht zieht - dieser Plan kann nicht aufgehen.
Das wäre ja so, als würde sich jemand den Besitz eines anderen unter den Nagel reißen, Gott um Verzeihung bitten und dann mit dem erbeuteten Besitz glücklich leben bis ans Ende seiner Tage. Das geht doch nicht.
Auch wenn viele heute meinen, dass Vergebung eigentlich genau so zu laufen hätte. Man müsse den Tätern doch wieder ermöglichen, ganz normal zu leben, sagt man dann.
Ja, aber nicht ohne Wiedergutmachung, nicht ohne, dass alles dafür getan wurde, Dinge wieder in Ordnung zu bringen, nicht ohne, dass da jemand für die Folgen seiner Tat auch eingestanden ist.
Verzeihen heißt eben nicht: Vergeben und vergessen. Verzeihung hat mit vergessen nichts zu tun. Dass ein Täter die Konsequenzen seiner Tat zu tragen hat, dass er nicht auch noch Gewinn daraus ziehen darf und dass er soweit es nur irgend möglich ist, Wiedergutmachung zu leisten hat, das ist für die Bibel eine Selbstverständlichkeit. Die Vergebung, die David erlangt, bedeutet nicht, dass er sich auf den Früchten seines Vergehens ausruhen darf.
Warum ich ausgerechnet heute an diese Botschaft erinnere? Nun weil sie gerade heute so aktuell ist. Dass man für die eigenen Vergehen geradestehen muss, das scheint immer mehr in Vergessenheit zu geraten.
Da melden ganze Wirtschaftszweige, wie etwa die Banken, dass sie Fehler gemacht haben, sie bitten gleichsam um Vergebung und erwarten Hilfe, dass sie aber die Konsequenzen ihrer Taten auch zu tragen haben, dass sie aus den Verfehlungen nicht auch noch Profit schlagen können, das scheint niemanden mehr zu interessieren.
Da wird mittlerweile immer häufiger davon gesprochen, dass man jetzt lange genug über die Opfer von Missbrauchsfällen geredet habe und dass man als Christ den Tätern am Ende doch auch wieder vergeben müsse. Vergebung hat aber nichts mit 'Schwamm drüber' zu tun. Vergeben heißt nicht vergessen. Und es kann auch nicht bedeuten, dass ich die vollen Konsequenzen aus meiner Verfehlung nicht tragen müsste. Und da kann sich niemand mit Konstrukten wie Verjährung herausreden - vor Gott gibt es so etwas nämlich nicht.
David macht uns vor - so zumindest schildert es uns die Bibel - wie allein ein Täter seinen Frieden finden kann: Der König ändert sein Leben, er kehrt wirklich um. Er bereut nicht nur mit Lippen, sondern zieht die Konsequenzen und beginnt ein neues Leben, eines, das Gott wohlgefällig ist. Salomo - Schelomo - heißt der Sohn, der - in der biblischen Darstellung - am Ende dieses Umkehrweges steht. Und in diesem Namen steckt nicht umsonst das hebräische Wort für Frieden. Nur auf dem Weg der wirklichen inneren Umkehr, nur auf diesem Weg hat der König seinen Frieden gefunden.
Das will uns die Bibel am Ende sagen: Um wirklich seinen Frieden zu finden, um ein geglücktes Leben zu führen, dazu reichen Lippenbekenntnisse nicht aus, dazu muss ich Konsequenzen ziehen, umkehren, wirklich neu beginnen. Einen anderen Weg gibt es nicht - für keinen Menschen: nicht für den kleinen Sünder, nicht für den großen Gauner, nicht einmal für einen König.
Amen.
(gehalten am 12./13. Juni 2010 in der Peters- und Antoniuskirche Bruchsal)