Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
1. November - Hochfest Allerheiligen
"Ich trage einen großen Namen", so lautet der Titel einer Fernsehsendung - und vielleicht kennen Sie sie ja. Es geht da immer um einen Menschen, der Nachfahre irgendeiner berühmten Persönlichkeit ist. Und diese Persönlichkeit gilt es dann zu erraten.
Das ist meist alles andere als einfach, denn kaum einmal hat jener Nachfahre große Ähnlichkeit mit der zu erratenden Person. Meist ist er oder sie auf ganz anderen Gebieten tätig, hat der ausgeübte Beruf gar nichts mehr mit dem der historischen Persönlichkeit zu tun. Und aussehen tut er oder sie in aller Regel auch ganz anders.
Kaum etwas verbindet den im Studio sitzenden Menschen mit der zu erratenden Persönlichkeit - außer eben jener Name. Ein Name, den er oder sie seit ihrer Geburt trägt. Ein bekannter Name, für den sie aber nichts getan und den er sich nicht erworben hat, den dieser Mensch ganz einfach von Geburt an besitzt, weil er eben in diese Familie hineingeboren wurde.
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie ahnen, weshalb ich das heute, am Hochfest Allerheiligen erzähle: Auch heute feiern wir ja Menschen, die so etwas wie einen berühmten Namen tragen. Wir feiern Heilige - und ich verbinde diese Bezeichnung "Heilige" jetzt ganz bewusst mit der Aura eines Namens.
"Heilig", das ist ja kein Titel, nichts was man sich durch herausragende Leistungen erwerben könnte - auch wenn die Bezeichnung Heilige genau auf diese Art immer wieder missverstanden wird - selbst bis hinein in kirchliche Texte und auch bis hinein in unsere kirchliche Praxis.
Wenn man es aber wirklich genau nimmt, dann hat heilig zu sein absolut nichts mit Leistung zu tun. Die Bezeichnung "Heiliger" oder "Heilige" bekommt man nämlich wie einen Namen. Und für einen Namen kann ich nichts tun. Man trägt ihn schlicht und ergreifend als Angehöriger einer Familie.
Und wir alle gehören zu so einer Familie: zur Familie Gottes nämlich. Wir gehören zu diesem Gott, der allein der Heilige ist.
Und nur dadurch, dass Menschen zu ihm gehören, nur dadurch erhalten sie Anteil an Gottes Heiligkeit. Die gewinnen wir uns nicht, die wird nicht erworben und dafür braucht man nichts zu leisten, man kann nicht einmal etwas dafür leisten. Man wird zum Heiligen, ganz einfach indem man zum Heiligen, zu diesem Gott, indem man ganz einfach zu ihm gehört.
Und deshalb sind wir alle hier, nicht zuletzt durch Taufe und Firmung, Heilige: Wir alle sind seine Heiligen, gehören zu jener unermesslich großen Zahl der Lebenden und jetzt schon bei Gott lebenden Menschen, jener unüberschaubaren Zahl, die wir im Glaubenskenntnis als Gemeinschaft der Heiligen bekennen.
Genauso wenig, wie ich einen Namen erwerbe, genauso wenig kann ich Heiligkeit machen. Man kann sie nicht erzwingen, nicht einmal verdienen. Sie ist wie mein Name. Ich trage ihn ganz einfach von Anfang an - selbst wenn es ein ganz großer Name ist.
Und ich trage ihn auch dann, wenn ich aus der Art schlage, zum schwarzen Schaf der Familie werde. Das ändert nichts daran, dass ich weiter zu dieser Familie gehöre, selbst wenn ich diesen Namen beschmutze und sich die Familie meiner schämen müsste.
So ist es auch mit unserem Heilig-Sein. Ich gehöre zu dieser, die ganze Welt umspannende, nicht nur die Lebenden, sondern genauso die Verstorbenen umfassenden großen Familie Gottes. Die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft wird mir geschenkt.
Ich kann einzig und allein eines dafür tun: Ich kann mich jetzt, im Nachhinein, nachdem mir dieses große Geschenk bereits zuteil geworden ist, ich kann mich jetzt bestenfalls dieses Geschenkes als würdig erweisen.
Amen.
(gehalten am 1. November 2012 in der Antoniuskirche, Bruchsal)