Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
33. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Mal 3,19-20b)
Seht, der Tag kommt, er brennt wie ein Ofen: Da werden alle Überheblichen und Frevler zu Spreu, und der Tag, der kommt, wird sie verbrennen, spricht der Herr der Heere. Weder Wurzel noch Zweig wird ihnen bleiben. Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, und ihre Flügel bringen Heilung. (Mal 3,19-20b)
Können Sie sich noch an die Lesung eben erinnern?
Ich denke: die wenigsten von Ihnen werden es tun!
Ein kurzer, eigentlich nichtssagender Text - Altes Testament halt, wird der ein oder die andere sagen.
Das kommt dabei heraus, wenn man aus einem gewichtigen Wort, einer richtiggehenden prophetischen Rede, grad mal zwei Zeilen herausschneidet. Von der Gottesbotschaft des Propheten Maleachi sind in unserem Lektionar für den heutigen Sonntag ja lediglich zwei Verse übrig geblieben.
"Man könnte den Rest vielleicht falsch verstehen. Und dann ist es ja auch eine ganz schwierige Sprache, die der Prophet spricht. Und die Bilder brauchen schon einiges an Erklärung. Das kann man den Gemeinden doch eigentlich nicht mehr zumuten."
Und dann streicht man halt vorne und hinten so viel weg, bis dann nur noch zwei, drei Sätze gleichsam dahinplätschern und im Grunde nichts mehr sagen.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich möchte Ihnen den Text des Propheten schon zumuten. Und ich glaube auch, dass Sie ihn richtig verstehen werden. Es braucht nämlich gar nicht viel um ihm seine Botschaft zu entlocken.
Schauen wir nur ein weniger genauer hin:
Wir stehen in der Zeit, als Israel nach dem langen babylonischen Exil wieder ins Land zurückgekehrt war. Und die Anfangseuphorie nach der Exils- und der Kriegszeit war vorüber. Die Jahre des Wiederaufbaus, in denen man zusammenhalten musste, waren vorbei. Man lebte in einer Zeit in der die Schere schon wieder ganz gewaltig auseinanderzuklaffen drohte. Die, die hatten, wurden reicher und die, die nichts hatten, drohten immer mehr abzurutschen.
Und natürlich waren es - wie es immer zu sein scheint - genau diejenigen, die sich an Gott hielten, die sich ein Gewissen aus ihren Handlungen machten - natürlich waren es genau diejenigen die als erste auf der Strecke blieben. Die, die sich um Gott einen Dreck scherten, die nur auf ihren Profit aus waren, das waren die, die obenauf schwammen.
Wen wundert es da, dass sich die Menschen zu fragen begannen, warum man sich überhaupt noch an Gott halten soll, was es denn bringen würde, Gott die Treue zu halten.
In dieser Situation tritt der Prophet Maleachi auf. Und er spricht in Gottes Namen. Denn - so sagt der Prophet Maleachi - das sagt Gott:
"Was ihr über mich sagt, ist kühn, spricht der Herr.
Doch ihr fragt: Was sagen wir denn über dich?
Ihr sagt: Es hat keinen Sinn, Gott zu dienen. Was haben wir davon, wenn wir auf seine Anordnungen achten und vor dem Herrn der Heere in Trauergewändern umhergehen?
Darum preisen wir die Überheblichen glücklich, denn die Frevler haben Erfolg; sie stellen Gott auf die Probe und kommen doch straflos davon. -"
Das war die Erfahrung der Menschen, denen Gott etwas bedeutete, die das Leben in Verantwortung vor ihm angingen und nur erleben mussten, dass Gott die anderen scheinbar gewähren ließ.
Doch nur scheinbar. Maleachi fährt fort:
"Darüber redeten die miteinander, die den Herrn fürchten.
Der Herr horchte auf und hörte hin, und man schrieb vor ihm ein Buch, das alle in Erinnerung hält, die den Herrn fürchten und seinen Namen achten.
Sie werden an dem Tag, den ich herbeiführe - spricht der Herr der Heere -, mein besonderes Eigentum sein. Ich werde gut zu ihnen sein, wie ein Mann gut ist zu seinem Sohn, der ihm dient. Dann werdet ihr wieder den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem, der Unrecht tut, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.
Denn seht, der Tag kommt, er brennt wie ein Ofen: Da werden alle Überheblichen und Frevler zu Spreu, und der Tag, der kommt, wird sie verbrennen, spricht der Herr der Heere. Weder Wurzel noch Zweig wird ihnen bleiben.
Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, und ihre Flügel bringen Heilung.
Ihr werdet hinausgehen und Freudensprünge machen, wie Kälber, die aus dem Stall kommen.
An dem Tag, den ich herbeiführe, werdet ihr die Ruchlosen unter euren Fußsohlen zertreten, so dass sie zu Asche werden, spricht der Herr der Heere.
Denkt an das Gesetz meines Knechtes Mose; am Horeb habe ich ihm Satzung und Recht übergeben, die für ganz Israel gelten."
Wort des Propheten Maleachi.
Ein hartes Wort, eines, das man heute nur noch selten hört. Aber es ist und bleibt ein wichtiges Wort.
Man darf nicht an den Buchstaben kleben, man muss die Bilder als Bilder auflösen. Natürlich geht es nicht darum, dass Menschen unter den Fußsohlen zertreten oder zu Asche werden. Darum geht es genauso wenig, wie darum, dass wir wie die Kälber werden sollen, die durch die Gegend tollen, wenn sie aus dem Stall kommen. Das ist eine bildhafte Sprache, die das eigentliche Anliegen unterstreichen will.
Und sie unterstreicht es in aller Deutlichkeit: Die Botschaft nämlich, dass Gott auf das Geschrei der Entrechteten hört.
Kein Klagelaut wird überhört, kein Unrecht wird vergessen und keine gute Tat verpufft. Gott steht auf der Seite derer, die sich treu an ihn halten. Und er steht zu denen, die hier unter die Räder kommen.
Die, die Positionen und Macht und Einfluss auf Kosten ihrer Mitmenschen einfach an sich reißen mögen jetzt noch so glanzvoll dastehen wie sie möchten - Gott lässt nicht zu dass man Menschen auf Dauer ihrer Würde und ihrer Existenz beraubt.
Es ist eine wichtige Botschaft - gerade für eine Zeit wie in den Tagen eines Propheten Maleachi. Es ist eine wichtige Botschaft, gerade für unsere Zeit.
Wenn in den Medien und auch von Politikern in letzter Zeit immer häufiger zu hören ist, dass angesichts der auseinanderdriftenden Lebensverhältnisse, angesichts der Tatsache, dass einige offenbar alles an sich reißen und für andere kaum noch was übrig bleibt, wenn da immer häufiger davon die Rede ist, dass eine Neiddebatte in unserem Land geführt werde, dann rückt der Prophet Maleachi solch ein Denken zurecht.
Nicht um Neid geht es hier, es geht um Gerechtigkeit!
Und der Prophet Maleachi sagt noch mehr: Gott selbst wird dafür sorgen, dass diese Gerechtigkeit obsiegt.
Denn man wird den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem, der Unrecht tut, zwischen dem, der auf Gott und sein Wort pfeift, und dem der seinen Lebensweg in Verantwortung vor Gott und im Blick auf das Wohl aller Menschen geht.
Der Herr horcht auf und er hört hin und die Sonne der Gerechtigkeit geht auf.
Amen.
(gehalten am 13. November 2004 in der Pauluskirche, Bruchsal)