Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


2. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Joh 1,29-34)

In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekanntzumachen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes. (Joh 1,29-34)

Ein Computerspiel gab es auf Weihnachten, eines, bei dem es knifflige Aufgaben zu erledigen gab, unzählige Missionen. Und Stufe um Stufe konnte man erklimmen, bis man am Ende alle Feinde besiegt hatte und selbst zum gefeierten Helden aufgestiegen war.

Er hatte sie nach zwei Wochen Weihnachtsferien alle erklommen. Er hatte alle Level geknackt und den höchstmöglichen Punktestand erreicht. Stolz war er darauf das Spiel bis zum letzten Schwierigkeitsgrad gemeistert zu haben.

Nur die Mathearbeit, die unmittelbar nach den Ferien geschrieben wurde, die hatte er dann versiebt.

Die Anforderungen des Computerspiels, hatte er alle bewältigt. Für Mathe war dann allerdings keine Zeit mehr übrig geblieben.

Liebe Schwestern und Brüder,

faul war er beileibe nicht gewesen, dieser Junge. Er hatte vollen Einsatz gezeigt. Er hatte sich vierzehn Tage lang von morgens bis abends abgemüht, allerdings an einer Stelle, die sowohl Lehrer als auch Eltern - und möglicherweise auch seine Zukunft - wenig honorieren.

Es kommt nämlich nicht nur darauf an, dass man vollen Einsatz bringt - er muss auch an der richtigen Stelle erbracht werden.

Wenn Sie jetzt Schwierigkeiten haben, diese Überlegungen mit dem heutigen Evangelium in Verbindung zu bringen, dann kann ich das durchaus nachvollziehen.

Mir aber fiel dieser Junge mit seinem Computerspiel und - vor allem - mit der versiebten Klassenarbeit ein, als ich in diesem Evangelium über einen Satz Johannes des Täufers gestolpert bin.

Nicht wahr, wenn man an Johannes den Täufer denkt, dann denkt man an Umkehrpredigt, Bußtaufe, Vergebung der Sünden - an all das, was er doch so meisterhaft beherrschte. So eindrucksvoll der Kamelhaarmantel allerdings ist, so sehr sich die Heuschrecken und der wilde Honig schon in der Erinnerung der Kinder festsetzen, all das für sich genommen wäre nichts anderes als das Computerspiel jenes Jungen.

All die Leistungen, die Johannes auf dem Gebiet der Askese vollbracht hat, haben für sich allein noch kaum eine Bedeutung. Die Mission des Johannes hieß nämlich nicht Umkehrpredigt oder Askese. Sein Auftrag lautete: "Ich bin gekommen, um Israel mit ihm bekanntzumachen."

Das war seine Mission: ihn, Jesus Christus, Israel bekanntzumachen. Und allein daran musste Johannes auch messen, ob er seiner Aufgabe gerecht geworden ist oder nicht.

Er hätte der größte Asket aller Zeiten werden können, wenn er es nicht geworden wäre, um Christus den Menschen bekannt zu machen, wäre er in seiner Mission gescheitert. Die Umkehrpredigt gehört sicher dazu, die Taufe war nicht unwichtig und seine Askese war vielleicht hilfreich, wirklich bedeutend aber war einzig und allein dies: Ihn mit Israel bekannt zu machen. Denn das war seine Mission.

Es ist auch unsere Mission. Das ist Mission der Kirche, einer jeden Pfarrgemeinde und eines jeden einzelnen Christen. Unsere Aufgabe lautet: durchsichtig zu sein auf Jesus Christus hin, Menschen mit ihm bekanntzumachen, mit dem in Jesus Christus menschgewordenen Gott, mit dem menschenfreundlichen Gott der biblischen Botschaft. Ihn vor aller Welt zu bezeugen und sich daran zu freuen, wenn er wächst, wir aber geringer werden. Das ist unsere Mission.

Ob wir erfolgreich gewesen sind, ob wir unserem Auftrag gerecht geworden sind, uns seines Namens als würdig erwiesen haben, das wird einzig und allein daran gemessen werden, ob wir Menschen mit ihm in Verbindung bringen konnten.

Wir können Menschen für den ehrenamtlichen Einsatz in den Gemeinschaften gewinnen, wir können sinnvolle Freizeitgestaltung für Jugendliche bieten, Vorträge und Tagungen abhalten, wir können unseren Haushalt sanieren, Gebäude erhalten, kulturelle Einrichtungen pflegen und große Kirchenmusik darbieten und darum herum ein munteres Vereinsleben organisieren - und wir können, wenn uns all das gelungen ist, stolz darauf sein. Wenn wir aber dabei nicht Menschen mit Christus bekanntmachen, dann wären wir so stolz darauf, wie ein Junge, der alle Ebenen eines Computerspieles bis zum Ende gemeistert und die höchste nur erdenkbare Punktzahl eingefahren hat, die Mathearbeit aber in den Sand setzte.

Es geht nämlich um Christus, nicht um kirchliche Institutionen. Es geht um den Bezug zu Gott und nur mittelbar um das Engagement in pfarrlichen Gemeinschaften.

Wenn es zum Jahresbeginn jetzt wieder häufig um Planung und Vorsätze geht, dann schauen wir als Gemeinden ganz besonders auf unsere Mission. Schauen wir genau hin, ob in unseren Gemeinschaften, Gruppierungen und Verbänden Menschen mit Christus bekannt gemacht werden, ob das Leben unserer Gemeinden durchsichtig ist für den Bezug jedes Einzelnen zu diesem lebendigen Gott.

Und machen wir uns die Haltung Johannes des Täufers immer mehr zu eigen.

Er nämlich, Christus, muss wachsen. Und wenn das dann geschieht, dann ist das toll und großartig und Grund zu gewaltiger Freude - selbst wenn wir im gleichen Atemzug geringer werden.

Es geht nämlich um ihn. Die Kirche, ihre Gemeinden wir alle, so wie wir dasitzen, wir sind nur das Werkzeug.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 16. Januar 2005 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)