Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
4. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (Joh 10,1-10)
In jener Zeit sprach Jesus: Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen. Dieses Gleichnis erzählte Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein und aus gehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. (Joh 10,1-10)
Er hätte nur ein Thema, werfen Kritiker unserem Bundespräsidenten vor. Joachim Gauck würde eigentlich immer nur von der Freiheit handeln.
Unabhängig davon, dass das nicht stimmt, hätte er damit nicht recht? Ist Freiheit nicht das wichtigste Gut, das eine Gesellschaft braucht?
Liebe Schwestern und Brüder,
ich kann verstehen, dass viele diesen Satz nicht einfach so unterschreiben können. Natürlich, Freiheit ist nicht mit Gold aufzuwiegen. Und nur diejenigen können ihren Wert am Ende wirklich ermessen, die Unterdrückung in Unrechtsregimen am eigenen Leib erlebt haben. Aber was nützt einem die Freiheit ohne Frieden. So hoch das Gut der Freiheit auch ist, ohne Friede bleibt sie ein recht leeres Gut.
Aber was sind Freiheit und Friede am Ende ohne Gerechtigkeit? Wenn ich einen Job habe, von dem ich nicht leben kann, dann habe ich wenig davon, dass ich ihn in Freiheit und Frieden ausübe.
Und die schönste Gerechtigkeit nützt mir nichts, wenn ich dabei nicht gesund bin. Die Gesundheit ist zugegebenermaßen schon nicht alles, aber ohne sie ist alles andere eben halt nichts.
Aber wenn dann alles zusammen kommt, Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit mit Gesundheit, ich aber nicht zufrieden bin, was habe ich dann davon?
Die Menschen der Bibel haben offenbar von jeher gespürt, dass irgendwie alles zusammenhängt. Das Wort, mit dem sie all das, was sowohl für eine Gesellschaft als auch für mich persönlich erstrebenswert ist, bezeichnet haben, dieses Wort umfasste nie nur einen einzelnen Aspekt. Israel sprach dann immer von etwas, was alles umfasste, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit sowie Gesundheit und Zufriedenheit in gleichem Maße. Es verwendete das Wort "Shalom", das völlig falsch übersetzt ist, wenn wir es einfach mit Frieden übertragen. "Shalom" ist Fülle, Vollkommenheit, dann, wenn - wie man so schön sagt -, einfach alles stimmt.
Hat Jesus deshalb vom Leben in Fülle gesprochen? Er ist gekommen, damit wir das Leben und es in Fülle haben.
Von überfließen kommt das Wort, das da im Griechischen Verwendung findet. Das könnte man leicht mit Überfluss in Verbindung bringen. Aber das wäre mit Sicherheit falsch. Hier geht es nicht darum, dass Jesus uns Überfluss schenken möchte.
Er denkt hier sicher viel eher an ein Leben in "Shalom", an ein Leben, in dem all das, was wir zum erfüllten Leben brauchen, in vollem Maße vorhanden ist. Denn genau dafür ist er auch in seinem Leben eingetreten, für Frieden, für Gerechtigkeit und Freiheit, für Zufriedenheit und Leben in Würde.
Und genau dafür stehen Christen. Denn wir können für nichts anderes stehen als dafür, wofür Jesus sein Leben hingegeben hat. Er nämlich ist gekommen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Dafür haben wir jetzt hier auf Erden zu sorgen. Das ist unsere Aufgabe als Christen: anderen Menschen ein solches Leben zu ermöglichen, eines, in dem die Dinge stimmen, zumindest annähernd.
Und daran müssen wir Christen uns auch messen lassen. Denn hier ist das unsere Aufgabe.
Darüber hinaus, für ein Leben in Fülle über dieses irdische Leben hinaus, dafür wird Gott, so hat er es uns fest versprochen, für dieses über den Tod hinaus währende Leben in Fülle, dafür wird er dann selber sorgen.
Amen.
(gehalten am 10./11. Mai 2014 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)