Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


6. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (1 Petr 3,15-18)

Brüder! Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen. Dann werden die, die euch beschimpfen, weil ihr in der Gemeinschaft mit Christus ein rechtschaffenes Leben führt, sich wegen ihrer Verleumdungen schämen müssen. Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse. Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen; dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht. (1 Petr 3,15-18)

Liebe Schwestern und Brüder,

Kinder fragen, und manchmal fragen sie einem Löcher in den Bauch: "Warum ist Eis so kalt?" - "Warum ist das Wasser so nass?" - "Und warum muss ich aufräumen, obwohl ich es doch gar nicht will?"

Kinder fragen so viel, dass einem nicht selten die Antworten ausgehen. Und manchmal wünscht man sich dann gar, dass sie zwischendrin mal die Luft anhalten würden, mal aufhören würden zu fragen.

Das ist ein Wunsch, der hoffentlich nie in Erfüllung geht. Es gibt nämlich nichts Fataleres als mit Fragen aufzuhören. Nicht umsonst heißt's in dem bekannten Sesamstraßen-Song: "Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt bleibt dumm!"

Versuchen Sie schließlich mal jemandem, der keine Fragen hat, etwas zu erklären. Da kann jeder Lehrer und jede Lehrerin ein Lied davon singen! Fragen Sie, wie das ist, wenn man vor einer Klasse steht, die nur "Null Bock" hat, und den Haufen erst einmal motivieren soll, erst einmal Fragen wecken muss.

Wo jemand nämlich keine Fragen hat, da gehen alle Antworten ins Leere. Jemandem, der keine Fragen hat, kann ich keine Antworten geben. Ich kann ihm vielleicht etwas aufdrängen, geben kann ich ihm nichts.

Vielleicht wirken viele der Antworten, die wir in Glaubensdingen heute geben, genau deshalb oft so unpassend und geradezu aufgedrängt. Ob Menschen Fragen haben und welche Fragen sie haben, interessiert unsere Pastoral und Katechese eigentlich doch überhaupt nicht mehr. Wir gehen vielmehr davon aus, dass ein Mensch in einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Alter bestimmte Fragen einfach zu haben hat. Und deswegen präsentieren wir ihm auch all die Antworten, die unserer Meinung nach jetzt dran sein müssten.

Allen 14- und 15jährigen beispielsweise bringen wir jetzt den Geist näher und bereiten sie auf die Firmung vor, ganz egal, ob sie danach fragen oder nicht. Und wir wundern uns regelmäßig, warum all unsere Anstrengungen so wenig fruchten.

Und dabei ist das Desaster doch eigentlich schon vorprogrammiert: Jemandem, der keine Fragen hat, kann ich auch keine Antworten geben. Ich kann ihm vielleicht etwas aufdrängen, geben kann ich ihm nichts.

Es wird höchste Zeit, dass wir uns diese uralte Weisheit wieder neu bewusst machen. Nur dort können wir Glauben weitergeben, wo Menschen auch danach fragen.

Für die Fragen der Menschen aber müssen wir deshalb auch wieder ganz neu sensibel werden. Nicht dort, wo Menschen - unserer Meinung nach - bestimmte Fragen haben müssten, sondern dort, wo sie sie haben, da müssen wir Antworten geben - und Antworten auf ihre wirklichen Fragen natürlich. Nur allzu oft gibt Kirche nämlich hervorragende Antworten auf Fragen, die nur kein Mensch gestellt hat.

Neu sensibel werden für das, was den Menschen wirklich auf den Nägeln brennt, das tut unserer Verkündigung Not - so wie es der erste Petrusbrief, aus dem wir eben einen Abschnitt gehört haben, gleichsam als Richtschnur allen katechetischen Handelns unübertroffen formuliert:

"Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt."

In diesem einzigen Satz steckt bereits alles drin.

Voraussetzung ist, dass uns jemand fragt. Wo keine Fragen sind, kann ich auch keine Antworten geben. Aber wenn jemand fragt, dann habe ich ihm Rede und Antwort zu stehen.

Und bevor Sie sich jetzt zurücklehnen und sagen, "Dann sollen die Pfarrer und die Hauptamtlichen das halt so machen, wenn das so richtig sein soll", gleich der Hinweis: Der erste Petrusbrief spricht nicht von Menschen, die das von Berufs wegen tun; er meint alle, er meint jeden einzelnen Christen.

"Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt."

Jeder hat Rechenschaft zu geben. Die Bibel nimmt jeden Christen in die Pflicht. Wer sich Christ nennt, hat Rede und Antwort zu stehen, wenn er nach seinem Glauben, seiner Hoffnung gefragt wird.

Dazu ist es natürlich notwendig, dass ich das kann, dass ich von der Hoffnung, die mich erfüllt, auch Rechenschaft ablegen kann. Und Rechenschaft ablegen bedeutet weit mehr, als nur zu sagen: "So ist es halt!" Es bedeutet, sich mit seinem eigenen Glauben auseinanderzusetzen, selber Fragen zu haben und diese Fragen zuzulassen, und dann einen Stand im Glauben zu gewinnen, aus dem heraus ich anderen Antwort geben kann.

Das ist eine Herausforderung, vor der jeder steht, der sich Christ nennt. Die Verantwortung für die Weitergabe unseres Glaubens tragen wir alle.

Und vielleicht würden wir ja, wenn wir diese Verantwortung neu entdecken, unser Ringen mit dem Glauben und unseren Versuch, ihn in unser Leben zu übersetzen, wieder neu in den Mittelpunkt unserer Gemeinden stellen würden, vielleicht würden wir bei den Menschen, die uns begegnen, ganz gleich welchen Alters, vielleicht würden wir genau dann ja auch wieder ganz neue Fragen wecken.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 4./5. Mai 2002 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)