Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Röm 13,8-10)

Brüder! Bleibt niemand etwas schuldig; nur die Liebe schuldet ihr einander immer. Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren!, und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. (Röm 13,8-10)

Millionen werden ihn gesehen haben, den Zweiteiler, den der Privatsender Pro 7 Anfang vergangener Woche ausgestrahlt hat. Millionen werden gepackt worden sein, von der Story um den Bibelcode, einer Geschichte, die geprägt war von mitreißender Spannung, ganz guten Schauspielern, einer gehörigen Portion Action und abgrundtiefem Schwachsinn.

Liebe Schwestern und Brüder,

anders kann ich es leider nicht sagen. Die Geschichte mit diesem Bibelcode ist derart abwegig und hanebüchen, dass man da eigentlich kaum weitere Worte darüber zu verlieren braucht.

Schon bei der Vorstellung, dass es so etwas gegeben haben soll wie einen "Urtext", also eine Schriftrolle, auf die, vor über dreitausend Jahren, die ganzen fünf Bücher Mose von Anfang an vollständig und von einer Person geschrieben worden sein sollen, schon bei der alleinigen Vorstellung kringeln sich bei jedem, der sich jemals wissenschaftlich mit der Bibel beschäftigt hat, gleichsam die Zehennägel. Der biblische Text ist schließlich über Jahrhunderte hinweg gewachsen.

Und dabei gaukeln die Macher dieser Story den Leuten sogar noch Wissenschaftlichkeit vor.

Und über all den Esoterikquatsch, den es dann sonst noch zu sehen gab, die Verschwörungstheorien mit Geheimbünden und düsteren Organisationen, darüber kann man dann eigentlich nur noch den Kopf schütteln.

Eines aber war ausgesprochen bemerkenswert. Und schon deshalb habe ich die beiden Filme dann sogar gerne und auch mit einer gewissen Begeisterung angeschaut. Eines war bemerkenswert: die ausgesprochen liebenswerte und durchweg positiv gezeichnete Figur des Papstes nämlich. Joachim Fuchsberger spielte einen Papst, wie man ihn sich eigentlich nur wünschen kann.

Und was ihn so liebenswert machte, das brachte er zwischendurch selbst zum Ausdruck: Wie sagte er? Es ginge um den richtigen Weg zu Gott - oder vielmehr um den uralten Streit darüber, wie die Menschen am ehesten auf diesen Weg zu Gott geführt werden können: Durch Liebe und Vergebung oder Drohung und Furcht!

Und das brachte der Film wirklich gut rüber. Denn genau diese Auseinandersetzung prägt unsere Kirchengeschichte tatsächlich und ist für die Verantwortlichen auf allen Ebenen eine der großen Versuchungen und Gefahren schlechthin.

Immer wieder hört man schließlich, dass die Zügel wieder angezogen werden müssten, weil doch Synkretismus, Gleichgültigkeit und Verfall von Sitte und Moral immer mehr um sich greifen würden. Die Menschen ordneten sich der kirchlichen Autorität nicht mehr unter, holen sich ihre Informationen weiß Gott woher und erstarren auch nicht mehr in Ehrfurcht, wenn kirchliche Amtsträger etwas verlauten lassen. Und das sei gleichsam der Anfang vom Ende! Da müsse man dringend gegensteuern und da helfe eigentlich nur noch eine starke Hand.

Da träumt so mancher dann schon weniger von mündigen Christen, die selbständig die Dinge in die Hand nehmen und in ihrem Glauben ihren Mann und ihre Frau stehen, als von einer demütigen Christenheit, die schüchtern das Haupt beugt und auf den Knien die Wohltaten aus der Hand der kirchlichen Obrigkeit empfängt.

Drohung und Furcht als rechter Weg zu Gott - für die Verantwortlichen ist diese Versuchung immer wieder riesengroß.

Dabei hat Jesus von Nazareth - bis zuletzt - auf das genaue Gegenteil gesetzt. Und eine Kirche, die sich auf ihn beruft, kann deshalb letztlich auch keinen anderen Weg beschreiten. Einzig und allein der Weg von Liebe und Vergebung ist diesem Christus nämlich angemessen.

So hat Jesus von Nazareth es selbst gelebt und so hat es Paulus uns im Römerbrief auch gleichsam ins Stammbuch geschrieben. Wie heißt es in der heutigen Lesung? Alle Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Die Liebe ist die Erfüllung des ganzen Gesetzes. Und sie allein kann deshalb auch nur Grundlage sein für die rechte Art und Weise, Menschen zu Gott zu führen.

Es muss darum gehen, von jener Menschenfreundlichkeit Gottes zu künden, die Jesus von Nazareth gepredigt hat, davon, dass dieser Gott uns Menschen eine einzigartige Würde geschenkt hat, dass er uns als Partner möchte, nicht als Untertanen, die vor ihm im Staub liegen. Er steigt zu uns herab und lässt uns vor ihm stehen, begegnet uns gleichsam auf Augenhöhe, wie es auf einzigartige Weise ja auch in unserer Liturgie zum Ausdruck kommt, in der es nicht nur ganz ausdrücklich heißt, sondern durch unsere ganze Haltung unterstrichen wird, dass uns Gott dazu berufen hat, vor ihm zu stehen und ihm in den Menschen zu dienen.

Ich kann nur hoffen, dass sich alle, die in der Kirche Verantwortung tragen, immer wieder genau von dieser begeisternden Botschaft anstecken lassen, genau das verkünden und die Menschen dazu anleiten, aus diesem Bewusstsein heraus als Christen zu handeln.

Und dann kann ich uns letztlich nichts anderes wünschen, als dass genau dieser Weg, genau der Weg von Liebe und Vergebung am Ende über alle Widrigkeiten und Verblendung, über alle Versuchungen von Macht über die Menschen obsiegen wird, und wir dann - auch in der Geschichte unserer Kirche - genau das Gleiche erleben dürfen, was da Anfang der Woche dann letztlich das Ende dieser beiden Filme geprägt hat: ein Happy End nämlich.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 6./7. September 2008 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)