Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


6. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (Joh 14,15-21)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet. An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch. Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren. (Joh 14,14-21)

Eigentlich müsste ich heute ja ganz still sein. Wenn ich jetzt was Falsches sage, dann würde ich mich ja möglicherweise outen: Outen als einer, bei dem er vielleicht nicht bleibt oder in dem er gar nicht erst ist.

Liebe Schwestern und Brüder,

es heißt schließlich im heutigen Evangelium, dass ihn die nicht empfangen können, die ihn nicht sehen und nicht kennen. Wir aber würden ihn kennen, weil er bei uns ist und in uns sein wird.

Echt? Ist er das wirklich? Ist er bei mir und ich kenne ihn?

Eigentlich müsste ich jetzt ja ganz still sein. Ist ja irgendwie wie mit dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Da haben ja auch alle nichts gesehen. Aber vor lauter Angst, nicht würdig zu sein oder gar als dumm zu gelten, haben halt alle mal so getan, als würden sie die neuen Kleider des Kaisers ganz deutlich erkennen können.

Soll ich ganz ehrlich sein? Ich erkenne nicht viel. Über den Geist kann ich nicht wirklich viel sagen. Und wenn es im heutigen Evangelium heißt: "Ihr kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird", dann wird mir da schon ganz anders.

Heißt das, wenn ich diesen Geist nicht fassen kann, dann ist er auch nicht bei mir und noch viel weniger in mir? Ich hoffe nicht. Denn ich glaube manchmal, dass der eigentlich auch gar nicht zu fassen ist.

In unserem Apostolischen Glaubensbekenntnis reicht es - nach einer ganzen Reihe von Sätzen über den Vater, und dann einer vergleichsweise schon Unmenge von Formulierungen über den Sohn - über den Geist gerade mal zu einem Satz: "Ich glaube an den Heiligen Geist."

Und in einer Prüfung bin ich mal unangenehm aufgefallen, als ich nach der Lektüre eines gewichtigen Buches über den Heiligen Geist von einem noch gewichtigeren Dogmatiker und großen Theologen gewagt habe zu sagen, dass ich selten etwas Schwammigeres gelesen habe und dass da einer vom Heiligen Geist spricht als wäre er eine Sprudelflasche: Egal, was man für ein Etikett draufklebt, es stimmt immer…

Ich bin immer wieder bass erstaunt, wenn Menschen mit allerlei großartig auswendig gelernten Formulierungen vorgeben, wirklich in der Lage zu sein, alles ganz genau erklären zu können - und das dann auch - ohne rot zu werden - immer und überall tun. Ich kann das nicht.

Ich glaube, Gott in all dem, was um mich herum an Wunderbarem und Großartigem jeden Tag aufs Neue geschieht, annähernd erahnen zu können. Ich höre von Jesus von Nazareth und bin fasziniert von der Verheißung, dass dieser Gott in diesem Menschen uns auf unüberbietbare Weise nahegekommen ist. Ich lass mich packen von seiner Botschaft und hoffe, mich anstecken zu lassen von seiner Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Ich vertraue darauf, dass mich dieser Gott nicht im Stich lässt und so - wie er seit alters her verheißen hat - immer bei mir ist, wann, wo und wie es auch sei.

Ist dieses "bei mir sein" aber dann schon jener Beistand, von dem dieser Jesus Christus gesprochen hat? Ist das dann schon der Heilige Geist? Ich weiß es nicht.

Ich spüre nur - und je älter ich werde, desto mehr - dass ich fern davon bin, diesen Geist, ja diesen Gott auch nur im Entferntesten fassen zu können; davon, ihn erfassen zu können, ganz zu schweigen. Und ich werde immer vorsichtiger denen gegenüber, die vorgeben, diesen Gott wirklich erklären zu können. Mir sind die immer hilfreicher gewesen, die ihn ehrlichen Herzens gesucht haben.

Ich misstraue den Fachleuten in Sachen Gott immer häufiger, und ich glaube auch immer mehr, dass es solche Fachleute in Sachen Gott gar nicht gibt. Da gibt es keine Spezialisten und keine Laien. Letztlich gibt es nur wirklich Suchende. Und ich kann mich mit all den anderen suchenden Menschen zusammen daher auch nur immer wieder neu auf die Suche machen. Diesen Gott hat man nämlich nie, man kann ihn immer nur neu suchen.

Aber das lohnt sich. Es ist schließlich nicht wie bei den neuen Kleidern des Kaisers, die man gar nicht entdecken konnte, weil sie gar nicht existierten. Es ist schließlich nicht so, dass da nichts wäre. Ganz im Gegenteil! Dazu hat dieser Gott viel zu viele Spuren in dieser Welt hinterlassen.

Und wenn man sich erst einmal eingestanden hat, eigentlich kaum etwas über ihn zu wissen, wenn man sich dann wirklich darauf eingelassen hat, ihn immer wieder aufs Neue zu suchen, dann kann ich bei diesem Gott - daran glaube ich ganz fest -, dann kann ich da am Ende unendlich viel und immer wieder Neues entdecken; und das tagtäglich.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 24./25. Mai 2014 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)