Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
7. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr A (Apg 1,12-14)
Als Jesus in den Himmel aufgenommen war, kehrten die Apostel vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern. (Apg 1,12-14)
"Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben", hat es eben in der Lesung geheißen. Und dort verharrten sie einmütig im Gebet.
So kann man es auch nennen.
Liebe Schwestern und Brüder,
die Apostelgeschichte hat schon einen Hang zum Beschönigen. Anders als "Schönreden" kann man das, was wir da eben gehört haben, nämlich wirklich nicht nennen. Letztlich handelt es sich hier nämlich um nichts anderes als eine wunderschöne Umschreibung dafür, dass die alle die Hosen gestrichen voll hatten. Die hatten solch eine Angst davor, jetzt selbst verhaftet zu werden, dass sie sich nicht mehr aus dem Haus trauten. Und keiner von ihnen hatte wohl auch nur die geringste Ahnung, was man denn jetzt wirklich tun solle.
Kann man es ihnen verdenken?
Manchmal ist das eben so. Da weiß man nicht mehr aus noch ein und es gibt auch keine Lösung. Da ist es ganz einfach angezeigt, sich erst einmal aus der Schusslinie zu bringen, innezuhalten und einfach mal abzutauchen.
Das kann heilsam sein. Wer immer gleich aktiv wird, immer gleich in die Vollen geht, verliert manches Mal den Überblick und manchmal sogar den Kopf. Es ist durchaus ab und an angezeigt, eine Auszeit zu nehmen, erst einmal nichts zu tun, einen kühlen Kopf zu bewahren und Abstand zu gewinnen.
Das ist nicht ungefährlich. Manche neigen dann nämlich dazu, sich auf Dauer in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen, vor lauter Angst davor, wie das jetzt weitergehen mag, keine Lösung zu finden und keinen Weg mehr zu sehen. Sie neigen dazu, in ein tiefes Loch zu fallen, sich abzukapseln, in der Isolation und Depression zu versinken.
Aber das muss nicht sein. Dafür geben die Jünger, die Frauen und die Geschwister Jesu, dafür gibt die Apostelgeschichte ein gutes Beispiel ab. Sie zogen sich zurück, aber sie hielten die Fühler nach einem Ausweg ausgestreckt. "Sie verharrten im Gebet", heißt es. Sie gaben die Hoffnung auf eine Lösung nicht auf, auch wenn sie sich absolut keine Vorstellung davon machen konnten, wie die denn tatsächlich aussehen könnte. Sie verloren dennoch die Hoffnung nicht!
Solch eine Zeit kann dauern. Dieses Verstecken, aus lauter Angst nicht mehr zu wagen, aus dem Fenster zu schauen, geschweige denn unter die Leute zu gehen, das kann dauern. In Wirklichkeit dauerte es bei den Jüngern ganz sicher auch mehr als diese zehn Tage, die wir in der Tradition zwischen Himmelfahrt und Pfingsten heute ansetzen.
Aber diese Zeit darf nicht ewig währen. Sie muss ein Ende haben, damit es einen neuen Anfang gibt.
Dazu muss ich alle Antennen nach einem Ausweg ausgestreckt halten. Ich muss die Signale spüren, die mir von außen gesendet werden, ich muss die Hände greifen, die mir gereicht werden, um aus dem Loch herauszukommen, ich muss die Lösungen, die sich abzeichnen, zumindest wahrnehmen, durchdenken und manchmal auch durchrechnen, rechnen, um zu erkennen, dass sich da und dort das Wagnis sogar lohnt, dass es sich lohnt, das Obergemach wieder zu verlassen und erneut Tritt zu finden. Ich muss dem Geist Gottes auch wirklich den Angriffspunkt bieten, damit er mich durchschütteln, neu aufrütteln und mit neuer Kraft erfüllen kann.
Und getrieben von diesem Geist wird es dann auch einen neuen Anfang geben. Ich darf mich trauen, ich kann es wagen, denn ich werde ihn nicht alleine beginnen müssen. Ich werde beginnen dürfen, indem ich auf Menschen baue, die mir begegnen werden. Ich werde neu aufbauen können im Vertrauen darauf, dass keine Umstände so widrig sind, als dass es nicht etwas gäbe, das neu gepflanzt werden kann. Ich werde neue Wege beschreiten, selbst wenn ich es am Ende einzig und allein im Vertrauen darauf tue, dass der Geist mir schon eingeben wird, was ich an jenem Tag sagen werde.
Amen.
(gehalten am 5. Juni 2011 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)