Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fest der Taufe des Herrn - Lesejahr B (Mk 1,7-11)
In jener Zeit trat Johannes in der Wüste auf und verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. In jenen Tagen kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. (Mk 1,7-11)
Zwei Dinge sollten Sie heute nicht tun.
Zum einen sollten Sie sich das mit der Stimme aus dem Himmel nicht zu theatralisch vorstellen - und schon gar nicht so, wie man es heutzutage in irgendeinem monumentalen Kinoklassiker verfilmen würde. Da kam kein Donner vom Himmel, da erstarrten nicht alle, weil plötzlich vor aller Welt offenbar gemacht wurde, dass hier der Sohn Gottes steht. Stellen Sie es sich bitte nicht so vor.
Aber tun sie ein Zweites bitte auch nicht: Fragen Sie mich bitte nicht, was denn andererseits damals dann wohl genau passiert ist!
Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß es nämlich nicht. Ich weiß nur eines, und da bin ich mir sogar ziemlich sicher: Wären wir damals dabei gewesen, wir hätten wohl nichts, aber auch absolut nichts Außergewöhnliches bemerkt.
So einfach, dass da Stimmen vom Himmel kommen, dass da unwiderlegbare Beweise für das göttliche Eingreifen in diese Welt mit Macht präsentiert würden, so einfach macht es Gott uns Menschen nämlich nicht. So einfach hat er es den Menschen zu keiner Zeit gemacht. Da bin ich mir ganz sicher!
Weder ein Mose, schon gar nicht irgendeiner der Propheten, ich glaube, nicht einmal der Mensch Jesus von Nazareth selbst, wussten von Anfang an und unumstößlich sicher, wohin ihr Weg genau führen würde. Dass es wirklich Gott war, der in ihr Leben eingebrochen ist, das mussten alle Propheten ganz einfach glauben. Und da haben sie wohl - genauso wie wir - ein Leben lang mit ihren Fragen gerungen und auch mit ihren Zweifeln. Leicht macht es Gott den Menschen nämlich nicht.
Dabei wäre es für ihn ganz einfach, unübersehbare Fakten zu schaffen. Er könnte sich ja ohne weiteres, so wie er ist, einem jeden von uns immer wieder zeigen und deutlich vernehmbar genau sagen, was er mit uns vorhat, und er hätte - ratzfatz - die ganze Welt überzeugt. Die Mittel dazu hätte er sicher. Aber das will er offenbar gar nicht.
Er will uns offenbar nicht einfach überzeugen und schon gar nicht mit seiner Allmacht überrumpeln. Er will uns gewinnen! So wie ein Mensch die Liebe eines anderen gewinnen will.
Jemandem Achtung einzuflößen, jemanden mit unwiderlegbaren Argumenten geradezu an die Wand zu drücken, jemanden zu überwältigen, das ist leicht. Wenn es mir aber um Liebe geht, dann hilft mir all dies kaum weiter. Dann nämlich brauche ich Zeit. Da geht es nämlich um ein Gefühl. Und Gefühle haben ganz wenig mit Fakten und noch viel weniger mit Beweisen zu tun. Da kann man Hinweise geben, immer wieder aufs Neue dem anderen nachgehen. Argumente kann ich da vergessen und Versicherungen gibt es erst recht keine.
Wenn ich letztlich vor der Frage stehe, ob ich mich auf die Liebeswerbung eines anderen wirklich einlassen kann, dann ist das immer ein Wagnis. Dass die Liebe des anderen echt ist, dass es ihm wirklich um mich geht, dass er es ernst meint und mich nicht einfach - wie zuvor manch anderer vielleicht - noch einmal ganz tief verletzt und noch viel mehr enttäuscht, das kann ich nicht belegen und erst recht nicht argumentativ beweisen. Wenn es um Liebe geht, dann muss ich irgendwann einmal ganz einfach das Wagnis eingehen, dem anderen seine Liebe zu glauben, ihm zu glauben - denn beweisen kann er es mir nicht.
Könnte er es, würde er es, es wäre nicht mehr Liebe. Theatralische Auftritte, machtvolle Demonstrationen, die überwältigen, drücken gleichsam an die Wand, überzeugen sicher und flößen Ehrfurcht ein - und ganz schnell dann auch wirkliche Furcht. Liebe schaffen sie nicht.
Darum aber geht es Gott: Er will unsere Liebe gewinnen. Das ist ihm offenbar so wichtig, dass er sogar das Risiko eingeht, uns bis an unser Lebensende zweifeln zu sehen.
Deshalb: Stellen Sie sich das mit der Stimme vom Himmel nicht zu theatralisch vor. Vermutlich haben die Menschen damals - diejenigen die wirklich dabei gewesen sind -, vermutlich haben sie gar nichts gehört. Vielleicht war da mit unseren ganz normalen Ohren auch gar nichts zu vernehmen. Das was Gott von sich gibt, das vernimmt man nur bedingt mit Ohren, mit Augen oder mit dem Tasten unserer Hände.
Das Evangelium behauptet übrigens an keiner Stelle etwas anderes. Es gibt nirgendwo vor, Dinge wie in einem Zeitungsbericht darzustellen. Es ist an keiner Stelle eine Dokumentation, die von einem neutralen Beobachter gleichsam wie von außen festgehalten worden wäre.
Hier berichten Menschen, die das Wagnis eingegangen sind, diesem Gott zu glauben. Sie berichten davon, dass sie zur Überzeugung gelangt sind, dass Jesus der Messias ist, die Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung und dass er bereits vom Anfang seines Wirkens an konsequent den Weg gegangen ist, der am Ostermorgen seine Vollendung findet. Und sie sagen uns, dass auch wir dies glauben können!
Das - nicht mehr, aber auch kein bisschen weniger - das sagt uns das Evangelium. Dass wir es glauben, darum wirbt dieser Gott. Er wirbt um jeden einzelnen Menschen. Und er hört nicht auf damit.
Wer es heute noch nicht glauben kann, dem geht er weiter nach. Und notfalls sogar ein Leben lang.
Amen.
(gehalten am 7./8. Januar 2006 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)