Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Adventssonntag - Lesejahr B (2 Petr 3,8-14)
Das eine, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren. Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb. Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden nicht mehr gefunden. Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müsst ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen, und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt. Weil ihr das erwartet, liebe Brüder, bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler und in Frieden angetroffen zu werden. (2 Petr 3,8-14)
"Wir warten aufs Christkind!"
Nicht wahr, tun wir doch alle in diesen Tagen. Und allen voran natürlich die Kinder. Sie können den Weihnachtstag kaum noch erwarten.
Aber auch die allermeisten von uns Erwachsenen freuen sich auf diese Tage, genießen ihre Gerüche, die Klänge des Advents und warten aufs Christkind.
Und das Christkind kommt. Wir feiern es, stellen uns darauf ein und lassen uns von ihm zwei, ja sogar drei ganze Tage völlig in Beschlag nehmen - und sind dann Gott froh, dass es danach auch wieder geht.
Liebe Schwestern und Brüder,
ist doch so! Stellen Sie sich vor, am 25. Dezember wäre Weihnachten und würde nie mehr aufhören.
Mit dem Christkind ist es doch wie mit jedem Besuch: Es ist schön wenn er kommt, aber es ist gut, dass er auch wieder geht.
Das hört sich jetzt vielleicht sarkastisch an, aber Sie wissen wahrscheinlich alle ganz gut, wovon ich rede. Besuch bringt schließlich alles durcheinander und nach einer gewissen Zeit, da sehnen wir uns doch wieder nach unserem geregelten, ganz normalen Alltag zurück. Da ist es relativ gleich, ob es sich um Tante Astrid, die Großeltern oder eben das Christkind handelt.
Wenn Sie mir jetzt entgegenhalten, dass das Christkind doch kein Besuch sei, dass es sich um den Herrn, um Gott selbst handelt, und dass der nicht zu Besuch kommt, dass er vielmehr unser Leben verwandeln und prägen will, dann haben Sie im Prinzip ja völlig recht.
Aber stellen Sie sich vor, was das im Klartext heißen würde! Da würde jemand bei uns einziehen, da will sich jemand in unseren Herzen einnisten und das auf Dauer!
Und ab dann wäre jeden Tag Weihnachten: Wir würden uns bemühen, freundlich zu allen Menschen zu sein und uns im Schenken zu übertreffen. Wir würden uns darum mühen, mit der Familie zusammenzusitzen und hätten alle Zeit der Welt dafür. Wir hätten die Spendierhosen an und würden die Ärmsten der Armen nie mehr aus dem Blick verlieren. Und natürlich hätte der Gottesdienst einen ganz festen Platz in unserem Tagesablauf, weil ja Weihnachten ist und Gottesdienst da wie selbstverständlich dazugehört. Und das wäre dann für immer so - ein Gedanke, der die allermeisten völlig erschrecken würde.
Weihnachten in allen Ehren, für zwei, drei Tage im Jahr, aber dann ist es auch wieder gut! Religiöse Bräuche, Glaube und Religion sind ganz wichtig für unser Leben, aber bitte nur sehr dosiert und auch nicht für lange Zeit. Wir warten aufs Christkind - jedes Jahr gerne, aber nach ein paar Tagen ist es auch schon wieder gut.
Jesus von Nazareth hat sich da vermutlich etwas anderes vorgestellt. Er hatte die Vision von einer neuen Erde, von Menschen, die sich nach seiner Botschaft ausrichten und einem Reich, das mit ihm seinen Anfang nehme.
Und die ersten Christen haben darauf vertraut. Sie haben es sich genauso vorgestellt: Nur ganz kurze Zeit und der Herr kehrt zurück und richtet dieses Reich des Friedens und der Gerechtigkeit - das Reich Gottes - unter uns Menschen auf. Sie haben geglaubt, dass dies unmittelbar bevorsteht, vielleicht morgen schon so weit ist.
Der zweite Petrusbrief, aus dem wir heute die Lesung gehört haben, berichtet von dieser Hoffnung, oder mehr noch: davon, dass sie getrogen hat. Er kam nämlich nicht, jener Tag des Herrn, an dem dieses Reich der Herrlichkeit endlich richtig beginnen würde. Er ließ auf sich warten.
In dieser Situation versuchte der Verfasser des Briefes, die Menschen zu beruhigen. Gott würde eben in anderen Zeitdimensionen rechnen als wir, vor ihm sind tausend Jahre wie ein Tag. Deshalb kann es nach unseren Maßstäben schon noch ein Weilchen dauern, bis die Verheißung sich erfüllt - aber erfüllen wird sie sich, das sei sicher.
Die Menschen damals hat das offenbar beruhigt. Und die Christen haben weiter gewartet, und dann haben sie langsam weniger heftig gewartet, und am Ende war vom Warten kaum noch was zu spüren. Sie haben sich ganz gut in der Welt und in der Zeit eingerichtet. Und dass der Herr wiederkommen wird und sich dann alles verändert, diesen Gedanken haben sie immer weiter hintangestellt. Und aus der Erwartung der Wiederkunft Christi, daraus wurde unsere Adventszeit, in der wir aufs Christkind warten.
Aber bitte nicht so, dass es wirklich alles verändert, bitte nicht so, dass dann alles ganz anders würde. Nach zwei, drei Tagen möge dann alles doch wieder so werden, wie wir es gewohnt sind. Mehr ist nicht drin. Wir warten zwar aufs Christkind, nicht aber darauf, dass es wirklich bleibt, auf die endgültige Wiederkunft des Herrn, der sein Reich unter uns Menschen aufrichten und alles, aber auch wirklich alles verändern wird, dafür scheinen wir alle im Letzten noch nicht reif zu sein.
Aber wahrscheinlich ist genau das das eigentliche Problem. Vermutlich leben wir genau deshalb immer noch in einer solch unerlösten Welt. Vielleicht liegt es ganz einfach daran, dass wir für mehr letztlich noch gar nicht bereit sind. Und vielleicht lässt genau deshalb das Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, das Reich Gottes, vielleicht lässt es genau deshalb immer noch auf sich warten.
Amen.
(gehalten am 6./7. Dezember 2008 in der Antonius- und Pauluskirche, Bruchsal)