Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
10. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Gen 3,9-15)
Nachdem Adam von der Frucht des Baumes gegessen hatte, rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen. Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse. (Gen 3,9-15)
Was macht den Menschen eigentlich zum Menschen?
Liebe Schwestern und Brüder,
da gibt es viele Antworten, philosophische Erklärungen, Antworten aus der Psychologie; alle mehr oder weniger richtig und auch wichtig. Eine, die nicht minder richtig und auf ihre Art und Weise so ungeheuer einfach ist, das ist die Antwort der Bibel.
Was macht den Menschen zum Menschen? Nun, er kann antworten!
Für die Bibel ist das das eigentlich entscheidende. Da ist einer, der auf eine Frage eine Antwort geben kann. Biblisch betrachtet hebt das den Menschen aus allen anderen Geschöpfen heraus. Tiere heißen auf Hebräisch "behema", das Stumme. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Hebräer nicht gewusst hätte, dass auch Tiere Laute von sich geben, aber antworten, wirklich antworten auf eine Frage, das kann ein Tier nicht.
Deshalb kann ein Tier eines auch nicht: So unverantwortlich reagieren, wie der Mensch, wie der "Adam", in der heutigen Lesung.
"Was hast Du getan?" fragt Gott. Und er bekommt zur Antwort: "Die da, die da war es, nicht ich!"
Der Mensch kann antworten, er kann deshalb auch als einziger Verantwortung übernehmen, sich ver-antworten. Und er kann deshalb auch auf eine Art und Weise versagen, die ihn am Ende als armes, nacktes Würstchen dastehen lässt. Denn ein Mensch, der sich seiner Verantwortung nicht stellt, der - wie dieser Adam - sich immer hinter anderen zu verstecken versucht, der verliert dadurch nach biblischem Zeugnis am Ende genau das, was einen Menschen vom Tier unterscheidet: Er steht nicht mehr Rede und Antwort. Er verliert seine Menschlichkeit, kurz: seine Würde; da bleibt nur noch, das nackte, arme Würstchen.
Natürlich ist die Reaktion des Adam irgendwie verständlich. Wie sollte er auch anders reagieren. Ein Antworten und Verantworten, wie die Bibel sich das vom Menschen vorstellt, das muss man schließlich lernen, wie alles im menschlichen Leben. All diese Dinge fallen einem leider Gottes nicht in den Schoß. Zu sagen: "Der wars, die wars, ich hab' ja gar nichts gemacht!" das kann jeder, das kann schon ein Kind. Sein Leben verantwortungsbewusst in die Hand zu nehmen, dieses Leben zu gestalten und Verantwortung für sich und seine Um- und Mitwelt zu übernehmen, das muss man lernen.
Dazu braucht es Menschen, die einen begleiten, die Verantwortung vorleben und beispielhaft wirken. Glücklich der Mensch, dessen Eltern solche Vorbilder sind. Glücklich der Mensch, der Erzieherinnen, Lehrer und Lehrerinnen erlebt, die ihn Verantwortung zu übernehmen lehren. Glücklich der Mensch, der in seinem Freundeskreis Menschen weiß, die ihn genau darin stützen. Denn nur so wird man zu einem Menschen, der in dieser Gesellschaft seinen Mann steht, die im Wirtschaftsleben ihre Frau steht, im Beruf, im Privatleben und in Glaubensdingen. Denn auch in Sachen Religion gilt das. Auch verantwortet zu glauben, muss ich erst lernen.
Genau deshalb sind bei uns auch dieser Tage Menschen aufgerufen den nächsten Schritt zu gehen auf dem Weg, für den eigenen Glauben Verantwortung zu übernehmen. Wir beginnen die Firmvorbereitung, etwas, was ja vom Wort her, mit Stärkung und Festigung zu tun hat.
Viele - ja fast alle - werden bei uns ja noch als Kinder getauft, in einem Alter, in dem sie sich nicht einmal dagegen wehren könnten. Und Religion und Glaube erleben die meisten bei uns deshalb auch analog zu einem Fließband. Irgendwer hat dich einmal daraufgesetzt und dann läuft es ganz einfach so weiter, da kommt ungefragt der Religionsunterricht, die Erstkommunion und wie bei der überkommenen Röntgen-Reihen-Untersuchung dann auch einmal die Firmung.
Und wenn man Firmanden fragt, warum sie denn eigentlich da sind, hört man immer noch die Antwort: "Wieso, die andern kommen doch auch!"
Klingt irgendwie doch ziemlich nach "Die da, die da war es, ich nicht!" Eine Antwort ist das nicht. Das ist ein Verstecken hinter anderen, wie es uns Adam aus dem ersten Buch der Bibel schon unschön vor Augen führt. Verantwortung, verantwortlich zu glauben, das sieht anders aus.
Dazu gehört zuallererst ein Nachdenken über meinen eigenen Glauben. Nachdenken aber bedeutet nicht einfach das nachzudenken und nachzuplappern, was andere vorgedacht und vorgesagt haben. Es geht darum sich seine eigenen Gedanken zu machen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und dann auch die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Gott will nämlich nicht das Schoßhündchen, das ihm einfach hinterhertrottet. Gott will nicht das Schaf, das halt lammfromm und bequem in seiner Herde bleibt. Gott will den mündigen Menschen, den Partner und die Partnerin, die von ihm angesprochen klar Stellung beziehen und verantwortet Antwort geben, nicht zuletzt auf die Frage, die er einem jeden und einer jeden von uns tagtäglich neu offeriert. Die Frage nämlich: Ihr aber, für wen haltet Ihr mich.
Gott fordert uns heraus, er hat uns diese einzigartige Fähigkeit verliehen, wir können Antwort geben. Und deshalb sind wir diese Antwort auch schuldig, ihm und uns gegenseitig. Wir haben Verantwortung für uns und unsere Welt. Wir haben Verantwortung im Beruf und uns selbst gegenüber, auch unserem Glauben gegenüber. Übernehmen wir sie, damit wir auch hier nicht als armes Würstchen dastehen, sondern auch in Glaubensdingen - damit wir in allem -, den aufrechten Gang eines Mensch gehen und als aufrechte Menschen vor ihm stehen können.
Amen.
(gehalten am 10. Juni 2012 in der Peters- und Pauluskirche Bruchsal)