Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
30. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Mk 10,46-52)
In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jericho verließ, saß an der Straße ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazaret war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Viele wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was soll ich dir tun? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dir geholfen. Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg. (Mk 10,46-52)
Eine großangelegte Studie hat im Sommer ergeben, dass die Gewinnspanne der Ölkonzerne unverhältnismäßig angestiegen sei. Und das läge vor allem daran, dass der Benzinpreis zu hoch wäre.
Liebe Schwestern und Brüder,
das hat eine Studie ergeben. Die hat auch noch viel Geld gekostet. Da haben Sachverständige und Gelehrte nach Wochen und Monaten herausgefunden, dass die Benzinpreise zu hoch seien. Dafür hat man eine Studie gebraucht!
Das hätte man wirklich billiger haben können. Das hätte ich unseren Politikern genauso sagen können. Und jeder und jede von Ihnen wahrscheinlich auch.
Es gibt Dinge, da muss man sich wundern zu welchen Ergebnissen hochbezahlte Spezialisten nach ewig langer Zeit am Ende kommen. Die untersuchen und untersuchen um dann festzustellen, was man mit gesundem Menschenverstand - nicht ganz so elegant sicherlich aber vom Ergebnis her völlig identisch - von vorneherein auch schon hätte sagen können.
Experten kochen eben auch nur mit Wasser. Und manchmal offenbar mit schlechterem als die ganz normale Bevölkerung. Denn was da nach ewigen Untersuchungen am Ende oft auf dem Tisch liegt, hat gesundes Volksempfinden schon längst geahnt, wenn nicht gar gewusst.
Manchmal sieht der Blinde offensichtlich mehr als viele studierte Sehende zusammengenommen. Das heutige Evangelium ist auch so ein Beispiel dafür. Da stehen Dutzende in Jericho am Weg und wundern sich darüber wer dieser Jesus sei. Sie sehen was geschieht, und grübeln darüber nach.
Der, der nichts sieht, der hat es offenbar schon lange begriffen - und er spricht ihn einfach an. Der hat erkannt, dass man sich an diesen Jesus einfach wenden kann, vertrauensvoll, mit all dem, was einem auf dem Herzen liegt, dass man niemanden braucht, der einen Kontakt herstellt, der vermittelt oder eine Nachricht überbringt, dass man nicht besonders gebildet sein müsse, um sich an ihn zu wenden und auch keine anderen Voraussetzungen mitbringen muss, dass man einfach hinausrufen kann: Du, Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Hilf mir! Steh mir bei! Lass mich nicht im Stich.
Und während die, die vorgeben, sehen zu können, noch darüber diskutieren, ob das denn eigentlich erlaubt sei, während sie schon über Sanktionen gegen diesen Schreihals nachdenken, werden sie von diesem Jesus eines besseren belehrt. Genau so wie dieser Blinde, genau so darf man es, muss man es letztlich machen!
Da muss ein Blinder den Sehenden die Augen öffnen!
Manchmal haben die, die nicht sehen können, offenbar den meisten Durchblick. Manchmal haben, die gar nicht zuständig sind, die größte Kompetenz. Und manchmal haben die, die gar nicht Fachleute sind, die man als Laien abqualifiziert, eine Sache schon längst begriffen, während die Fachmänner noch mit Blindheit geschlagen sind.
Herr, öffne uns die Augen. Und öffne allen die Augen! Öffne sie denen, die zuständig sind. Öffne sie vor allem denen, die zuständig sind und die Verantwortung tragen.
Amen.
(gehalten am 27./28. Oktober 2012 in der Paulus- und Peterskirche, Bruchsal)