Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
29. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Hebr 4,14-16)
Brüder! Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten. Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat. Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit. (Hebr 4,14-16)
Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst!
Liebe Schwestern und Brüder,
oh, wie wahr! Daran hat sich durch all die Jahrhunderte kein bisschen was geändert - auch, wenn es mittlerweile keine Fürsten mehr sind, die man am besten meidet. Aber Dienstvorgesetzte, Chefs, Herren in bestimmten Dienstzimmern und gemeinhin auch Damen jedweder Art, denen begegnet man immer noch am Besten nur dann, wenn es unumgänglich und absolut notwendig ist.
Warum dies so ist, brauche ich wohl kaum lange zu erklären. Solche Begegnungen sind nämlich häufig alles andere als erfreulich - zumindest wenn es nach dem Empfinden der Betroffenen geht.
Nicht dass Sie jetzt meinen - ich möchte hier keinem Chef und keiner Chefin zu nahe treten. Keine Frage, dass sich jeder und jede auf ihre Art mühen und es recht zu machen versuchen. Aber das Gefühl - das Gefühl von seinem Chef wirklich verstanden zu werden - wer hat das denn schon?
Gut, der muss den größeren Zusammenhang im Blick haben, der mag danach bestrebt sein, alle gleich zu behandeln, vielleicht sogar gerecht zu sein. Die Anliegen der Firma muss er berücksichtigen...
All dies ändert aber nichts daran, wie man sich fühlt, wenn man ihm dann gegenübersitzt. Denn was ist mit meinen Anliegen? Wer wird mir gerecht? Und wer in all den Chefetagen versteht mich wirklich?
Wie viele empfinden letztlich genau so, wenn es darum geht, zu "seinem Fürsten" gerufen zu werden!
Und wenn man dann einmal verstanden wird, wenn es dann so ist, dass man vollstes Verständnis für meine Situation hat, dann heißt es meist ganz stereotyp: Aber leider sind mir da die Hände gebunden. Ich verstehe das sehr gut, und glauben Sie mir, ich sehe das ganz ähnlich, aber leider kann ich da gar nichts tun.
Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst...
Wie anders ist das, was wir heute als Lesung gehört haben.
Von dem, von dem dort die Rede ist, von dem wird gesagt, dass das keiner sei, der nicht mitfühlen könnte - mitfühlen mit unserer Schwäche. Es sei einer, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist.
Und zu ihm, obschon er weit mehr ist als jeder Fürst, zu ihm könne man voll Zuversicht gehen.
"Lasst uns also voll Zuversicht hingehen," hieß es ja eben, "zu ihm, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit."
Denn er versteht offenbar nicht nur, er hilft sogar.
Im Gegensatz zu vielen irdischen Instanzen wird dieser Jesus Christus als einer beschrieben, der nicht nur versteht, sondern auch etwas machen kann.
Er hilft!
Das ist Frohe Botschaft, das ist Gute Nachricht für alle, die langsam schon selbst daran glauben, dass sie eigentlich nirgendwo mehr richtig verstanden werden. Jesus versteht. Und er versteht nicht nur, er kann sogar etwas machen!
Einer der Texte, die mehr als nur Mut machen!
Lasst uns also voll Zuversicht ihm entgegengehen, damit wir wirklich Hilfe erlangen - und das auch noch zur rechten Zeit!
Amen.
(gehalten am 21. Oktober 2006 in der Peterskirche, Bruchsal)