Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Jak 2,1-5)

Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person. Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt, und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung, und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz dich hier auf den guten Platz!, und zu dem Armen sagt ihr: Du kannst dort stehen!, oder: Setz dich zu meinen Füßen! - macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und fällt Urteile aufgrund verwerflicher Überlegungen? Hört, meine geliebten Brüder: Hat Gott nicht die Armen in der Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? (Jak 2,1-5)

Das ist dann wie in einem Alptraum: Man ist eingeladen, zum Abendessen, springt wieder einmal recht knapp hin, in T-Shirt und Jeans - und plötzlich sitzt da alles in Anzug und Krawatte.

Oder man ist unterwegs zu einer hochkarätig besetzten, pik-feinen Veranstaltung und erst unter der Eingangstüre stellt man fest, dass auf der Hose - oder hinten am Kleid - ein riesiger und unübersehbar großer Fleck prangt.

Nicht wahr, da würde man dann am liebsten in irgendeinem Loch versinken. Jeden einzelnen Blick spürt man da auf sich.

Und wer von uns hätte es nicht auch schon einmal gedacht, dieses: Wie der oder wie die da jetzt auch wieder 'rum läuft.

Wie man kommt gegangen, so wird man auch empfangen! Das ist ein alter Grundsatz und der gilt nach wie vor fast überall - nur nicht bei Jesus.

Liebe Schwestern und Brüder,

die heutige Lesung ist da wieder einmal, wie ein Schlag ins Gesicht. Von wegen "Kleider machen Leute".

All die Unterschiede, die wir gemeinhin machen und die bei uns in aller Regel so wichtig sind, stellt der Jakobusbrief voll an den Pranger.

Gott kommt es nicht auf die Äußerlichkeiten an. Ganz im Gegenteil: man kann sich herausputzen, wie man will, wenn etwas außen hui und innen pfui ist, er durchschaut es sofort.

Von daher bleibt er nie bei Äußerlichkeiten stehen, weder bei den Kleidern, noch bei all dem anderen schönen Schein.

Von wegen Titel, von wegen hohe Stellung, von wegen Amt - was drinnen steckt, einzig und allein darauf kommt es ihm an.

Natürlich wissen wir das alle. Natürlich sind uns die Worte des Jakobusbriefes bekannt. Natürlich haben Sie das alles, schon so oft gehört - und dennoch verhallt es immer wieder wie im Nebel.

Von wegen ohne Ansehen der Person. Auch in unseren Gemeinden - gerade in unseren Ortsgemeinden - spielen Standesunterschiede ihre große Rolle. Welche Bücklinge, wenn die oder der sich blicken lässt, welcher Aufwand, wenn ein "hoher Herr" sich angesagt hat - und im gleichen Atemzug nicht nur abschätzige Blicke, wenn sich mal einer von denen, die ansonsten nur am Kübelmarkt zu finden sind, aus ehrlichem Bedürfnis auch nur unter die Orgelempore verirrt.

Doch Gott hat die Armen in der Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs zu machen - jenes Königreiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben.

Frohe Botschaft, Evangelium, für alle, vor denen sich normalerweise niemand verbeugt - für alle, die sich normalerweise nie dort hintrauen würden, wo sich die High Society trifft, wo all die roten Mäntel zu finden sind und man erst "jemand sein muss", um etwas zu gelten.

Evangelium für alle, die sich selbst für unwürdig halten. Denn die, die darum wissen, nicht würdig zu sein, dass er eingeht unter mein Dach, die sind es, bei denen er einkehren will.

Die sich selbst für unwürdig halten, die sind ihm g'rad recht.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 6./7. September 2003 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)