Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
3. Adventssonntag - Lesejahr B (1 Thess 5,16-24)
Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört. Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles, und behaltet das Gute! Meidet das Böse in jeder Gestalt! Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt. Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun. (1 Thess 5,16-24)
Für eine Kerze gibt es eigentlich nur zwei Gefahren. Es sind im Grunde zwei Dinge, die so eine kleine Kerzenflamme ganz stark bedrohen: Wasser und Wind nämlich. Wenn sie eine Kerze in einen starken Luftzug stellen, dann verlöscht sie ganz schnell. Und wenn Sie Kerzen nicht vor dem Regen schützen, wenn eine Kerze richtig nass geworden ist, dann geht sie nicht nur aus, dann ist sie darüber hinaus auch nur furchtbar schwer wieder anzuzünden.
Liebe Schwestern und Brüder,
daran musste ich, bei der Lesung, die wir eben gehört haben, denken. Wenn Paulus davon spricht, dass wir nicht auslöschen sollen, dann meint er damit zwar den Geist, aber vielleicht ist es mit dem Geist gar nicht viel anders als mit einer Kerzenflamme. Vielleicht müssen wir auch den Geist, wie so eine kleine Flamme, wenn er nicht ausgelöscht werden soll, vor allem vor zwei Dingen bewahren: Wir dürfen ihn keinem heftigen Zug aussetzen, und wir dürfen ihn nicht ertränken.
Der Geist nämlich kann ertränkt werden: in den Fluten des vorweihnachtlichen Trubels etwa oder in den Wogen des alltäglichen Umtriebs, in unserer Geschäftigkeit, unserem Aktivismus. In so manchem blinden Tun, da ist schon mancher Geist einfach ertrunken.
Und was hier für unseren Alltag gilt, das gilt nicht minder, wenn es um das Leben unserer Gemeinden geht. Wenn es geistvoll sein soll, wenn die Aktivitäten, die unsere Gemeinden kennzeichnen, von diesem Geist geprägt sein sollen, dann muss er durch sie hindurchscheinen können; und das geht nur, wenn wir selbst zuvor nach diesem Geist gesucht haben, wenn wir zu entdecken versuchen, wo er weht, was er uns sagen will; und vor allem, wenn wir von ihm her dann die entsprechenden Weichen zu stellen versuchen.
Wenn es uns um den Geist geht, dann dürfen wir alles tun, nur nicht vorschnell einfach tun. Blinder Aktivismus, einfaches Tun, nur um des Tuns willen, damit halt irgendetwas getan wird oder einzig, weil man es früher halt auch so getan hat, solcher blinder Aktivismus, der nicht mehr nach dem Geist fragt, der löscht den Geist aus, ertränkt ihn, in einer Flut von Geschäftigkeit, der keine noch so große Flamme am Ende standhalten kann.
Löscht den Geist nicht aus, ertränkt ihn nicht.
Und setzt ihn auch nicht dem Zug aus, denn das ist, neben dem blinden Aktivismus, die zweite große Gefahr für die Flamme des Geistes: jener eisige Wind nämlich, der jeden Geist zum Erlöschen bringt, der eiskalte Wind der seelenlosen Vorschriften nämlich, der Prinzipien oder der Ordnungen, die alles im Blick haben, nur nicht die Menschen, denen sie eigentlich dienen sollen.
Immer häufiger habe ich das Gefühl, dass der Geist, der unter uns wehen möchte, gegen solche eisigen Winde zu kämpfen hat,
Winde, die ganz kräftig aus den Amtsstuben unserer Behörden wehen, genauso wie aus den bischöflichen Ordinariaten,
und die immer häufiger auch ganz eisig über die Alpen hinwegblasen.
Solche Winde bringen mehr als häufig geistvolle Neuansätze von vorneherein zum Erlöschen. Sie löschen den Geist aus, weil sie unmöglich machen, dass Neues gedacht wird, ungewohnte Wege eingeschlagen werden oder Umdenken verlangt wird, wo unser Denken schon lange in Sackgassen hineinführt.
Löscht den Geist nicht aus, sagt Paulus, wehrt der Nässe und dem Wind. Und schaut genau hin, schaut, was dem Geist dient und was ihm wehrt. Prüft alles, und behaltet das Gute.
Diese Fähigkeit der Unterscheidung, die uns jenes Gute von den widrigen Winden und den eisigen Fluten unterscheiden lässt, die wünsche ich Ihnen und mir in diesen Tagen des Advents ganz besonders.
Amen.
(gehalten am 12. Dezember 1999 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)