Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
6. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr B (Apg 10,25-26. 34-35. 44-48)
Als Petrus in Cäsarea beim Hauptmann Kornelius ankam, ging ihm dieser entgegen und warf sich ehrfürchtig vor ihm nieder. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch. Dann begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. Noch während Petrus redete, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen. Petrus aber sagte: Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen. Danach baten sie ihn, einige Tage zu bleiben. (Apg 10,25-26. 34-35. 44-48)
Kennen Sie das auch?
Da sitzt man mit der Fernbedienung vor dem Fernsehgerät, springt von einem Sender in den anderen und landet plötzlich in einem Film, der ganz interessant anmutet, aber sicher schon seit knapp anderthalb Stunden läuft. Man sieht gerade noch den Schluss, bekommt mit, dass alles irgendwie gut ausgegangen ist, hat aber absolut nicht mehr verstanden worum es geht, von der Handlung überhaupt nichts mehr mitbekommen, ja nicht einmal mehr registriert, wer denn jetzt eigentlich die Guten und wer die Bösen gewesen sind.
Liebe Schwestern und Brüder,
genau solch einen Eindruck hatte ich bei der Lesung die wir eben aus der Apostelgeschichte gehört haben. Wer die Handlung nicht kennt, wer nicht weiß, was alles bereits vorausgegangen ist, der konnte - fürchte ich - mit diesem Lesungstext nicht sehr viel anfangen.
Das aber ist schade! Es handelt sich nämlich um eine der aussagestärksten Begebenheiten aus der Apostelgeschichte überhaupt. Und sie sagt uns so viel über das Wesen unseres Gottes und seine Art und Weise, auf die Dinge zuzugehen, dass man sie eigentlich kennen sollte.
Ich möchte deswegen jetzt wenigstens nachschieben, was man im Fernsehen häufig macht, wenn dort ein Handlungsstrang auseinandergerissen und auf viele kleine Portionen verteilt wird. Bevor dort eine neue Folge gesendet wird, gibt es häufig eine kurze Zusammenfassung unter dem Stichwort "Was bisher geschah!". Schauen wir uns also - ganz kurz wenigstens - an, was bei diesen Ereignissen um Petrus und das Haus des Kornelius zuvor geschah:
Kornelius war ein wohlhabender Mann, und er hatte von Jesus gehört und wollte Christ werden - Ging aber nicht! Kornelius hatte nämlich einen Fehler: Er war Heide! Christen konnten damals aber nur die Juden werden.
So zumindest glaubten es die Zwölf um Petrus. Sie waren davon überzeugt, dass Jesus nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israels gesandt war! Darum stritt man nun in der Urgemeinde ganz gewaltig.
Paulus war derjenige, der plötzlich behauptete, dass es so ja nicht sein könne! Man könne von den Menschen in Antiochien, in Ephesus und Korinth, man könne von ihnen ja nicht allen Ernstes verlangen, zuerst Juden zu werden, um als Christ getauft werden zu können. Paulus schreibt später ganz stolz, dass er über diese Frage dem Petrus ins Angesicht getrotzt habe!
Schon aus dieser harten Formulierung kann man entnehmen, dass die junge Christenheit an dieser Auseinandersetzung beinahe zerbrochen wäre. Kornelius nun, unser Heide, der eigentlich Christ werden wollte, der lädt dann eines Tages Petrus in sein Haus ein. Und Petrus folgt dieser Einladung, natürlich mit der gehörigen Portion Unbehagen im Bauch. Denn das steckt dem Petrus noch im Blut, das kann er nicht einfach so wegstecken: Der Umgang mit den Heiden macht doch unrein. Aber Petrus überwindet seinen inneren Schweinehund und nimmt die Einladung an.
Kaum aber, dass er bei Kornelius zu Gast ist, da passiert es: Die ganze Familie, die ganze versammelte Gesellschaft, diese Heiden, sie empfangen plötzlich den Heiligen Geist, und alle beginnen Gott zu loben und zu preisen.
Das ist verboten! Das kann Gott gar nicht tun! Die Zwölf in Jerusalem hatten es anders beschlossen! Heiden können erst Christen werden, wenn sie zuvor das jüdische Gesetz auf sich genommen hatten.
Ich kann mir die Situation sehr gut vorstellen: Petrus steht mit offenem Mund da, und kommt aus dem Staunen nicht mehr raus. Er muss erleben, dass sich Gott ganz einfach über ihren Beschluss hinwegsetzt. Das, was sie ausgeknobelt hatten, wo sie doch lange überlegt und nach bestem Wissen und Gewissen entschieden hatten - Gott scheint es nicht zu interessieren. Apostolischer Beschluss hin oder her, Gott entscheidet selbst, wer in die Gemeinschaft seiner Jünger gehört und wer nicht. Er schickt dem Kornelius und seinem ganzen Haus, obwohl keiner von denen bereits getauft war, ganz einfach ohne zu fragen, ohne sich an irgendwelche katechetischen Regeln zu halten, seinen Heiligen Geist.
Es hört sich nicht nur so an, es ist schon richtig kleinlaut, wie Petrus am Ende gar nicht mehr anders kann, als einzusehen: Wenn Gott diesem Kornelius und seiner Familie den Geist schon geschenkt hat, dann kann ich machen, was ich will, dann gehören sie eben einfach dazu. Und es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als das Zeichen der Taufe, das Übergießen mit Wasser, gerade noch schnell nachzuholen.
Auf sehr moderate, aber auf unmissverständliche Weise macht diese Begebenheit der Apostelgeschichte dem Leser klar, auf welcher Seite Gott in dieser ersten großen Auseinandersetzung der Christenheit gestanden hat: Sie zeigt, dass anscheinend nicht nur Paulus, dass Gott selbst dem Petrus ins Angesicht getrotzt hatte.
Das hatte sich also ereignet - und das muss man wissen, um das Happy End, von dem der heutige Abschnitt aus der Apostelgeschichte berichtet, auch wirklich als solches zu verstehen.
Es ist keine der großen, keine der berühmten Begebenheiten aus diesem Buch. Und vielleicht ist sie auch nicht besonders eingängig. Aber sie ist hochdramatisch, ungeheuer spannend und vor allem äußerst vielsagend; denn dieses Happy End lässt am Ende sehr tief blicken.
Amen.
(gehalten am 27./28. Mai 2000 in der Peterskirche, Bruchsal)