Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
33. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Mk 13,24-32)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit aus den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. (Mk 13,24-32)
Das mache ich fast immer so: Wenn ich irgendwo bin, dann schaue ich mir die Kirchen dort an. Nicht nur die großen und berühmten, auch die kleinen und unbeachteten.
Vor einigen Tagen war ich in Verona. Und ich entdeckte am Freitagabend - schon kurz vor acht Uhr Abends - eine kleine Kirche in einer Seitenstraße. Die Tür war noch auf, offenbar war die Kirche geöffnet. Es war deutlich zu erkennen, dass es sich um eine recht schmucke Barockkirche handeln musste; nicht so groß und nicht so prunkvoll wie unsere Peterskirche - aber immerhin. Und es strömten einige Leute dorthin, vor allem jüngere.
Natürlich wollte ich mir San Mateo - so heißt diese Kirche - auch anschauen. Und ich ging hinein. Kurze Zeit später war sie fast bis auf den letzten Platz gefüllt - und vor allem von jungen, fröhlichen Menschen. Eine Kirche voller junger, fröhlicher Menschen.
Ich habe dort hervorragend gegessen - in der "Pizzeria San Mateo" in Verona; denn San Mateo ist mittlerweile umgebaut. Die Kirche beherbergt nun ein Ristorante. Und selbst hinter der Kommunionbank, die noch im Raum verblieben ist, in ihrem kleinen Altarraum, stehen Tisch und Stühle - voll besetzt - wie schon gesagt - voll mit jungen, fröhlichen Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder,
habe ich an diesem Freitagabend unsere Zukunft gesehen?
Das Gespenst von Kirchen, die geschlossen werden, geistert ja auch bei uns schon seit Jahren durch die Medien. Wir alle haben schon davon gehört. So recht glauben will es bei uns aber keiner.
Ich habe es jetzt gesehen. Ich habe gesehen, dass aus einer Kirche ein Gasthaus wird und dass das geht, dass sich niemand darüber aufregt und die Welt nicht untergeht.
Das darf doch nicht sein, sagen viele hier bei uns. Wir brauchen doch unsere Kirchen, wir brauchen doch unsere Gemeinden und all die Einrichtungen, die unser Leben von Kind an geprägt haben. Das darf doch nicht sein, sagen viele.
Aber genau das ist das Problem. Sie sagen es. Aber was tun sie dagegen?
Offenbar haben die Menschen bei uns noch nicht wirklich begriffen, dass es jetzt auf sie ankommt, dass sie schon lange unter Beobachtung stehen, dass schon seit geraumer Zeit sehr genau hingeschaut wird, wo kaum noch jemand ist, wo die Gebäulichkeiten sind, deren Erhalt man aus betriebswirtschaftlichen Gründen doch schon längst nicht mehr vertreten kann. Offenbar gibt es immer noch zu viele, die meinen, dass reine Lippenbekenntnisse ausreichend seien, um die Zukunft zu sichern.
Dabei käme es jetzt auf jeden und jede an, dabei müssten jetzt alle ganz massiv aufstehen, dabei müssten so dringend, alle, denen an unseren Gemeinden und ihren Kirchen doch offenbar so viel liegt, anfangen, mit aller Kraft für sie zu kämpfen.
Nicht mit Unterschriftenlisten - als ich nach Bruchsal kam, hat man mir - ich glaube - 236 Unterschriften überreicht, dass St. Peter ganz dringend wieder einen 9 Uhr Gottesdienst bräuchte; ich habe noch nie 236 Menschen um 9 Uhr in St. Peter im Gottesdienst erlebt - Unterschriften helfen hier nichts. Und auch keine großen Aktionen, nicht einmal Geld.
Es gilt um die Kirchen zu kämpfen schlichtweg mit der ganz einfachen aber ganz massiven Anwesenheit. Woche für Woche müssten unsere Kirchen brechend voll sein, Woche für Woche müssten nicht nur die Messen, vor allem die Wort-Gottes-Feiern, so stark besucht werden, dass niemand auf die Idee kommen könnte, an diesen Kirchen auch nur im entferntesten rütteln zu wollen.
Ich erlebe es nicht. Vom Aufstand der Massen, vom Einsatz all derer, die doch immer wieder beteuern, wie wichtig ihnen ihre Kirche ist - ich sehe kaum etwas davon.
Offenbar ist es in den Köpfen der Menschen noch nicht angekommen. Offenbar begreifen es immer noch viel zu wenige, offenbar verstehen sie nicht, dass jeder und jede, die gesundheitlich auf der Höhe, aber überall anders, nur nicht hier sind, dass jeder und jede damit dokumentiert, dass ihnen eigentlich egal ist, was aus ihrer Kirche wird, dass sie mit Verantwortung tragen, wenn es auch hier demnächst nicht mehr heißt, "Der Herr sei mit euch", sondern womöglich "Guten Appetit!"
(gehalten am 14./15. November 2009 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)