Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Adventssonntag - Lesejahr B (Mk 1,1-8)
Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes: Es begann, wie es beim Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündete Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig. Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen. (Mk 1,1-8)
Erinnern Sie sich noch an das Sonntagsfahrverbot?
Gespenstisch sahen unsere Autobahnen aus: Bestens ausgebaute Pisten und kein Wagen weit und breit. So unwirklich war das, dass man die Bilder kaum vergessen kann.
Liebe Schwestern und Brüder,
das war das genaue Gegenteil von den Texten, die im Mittelpunkt des heutigen Sonntages stehen.
Bereitet dem Herrn den Weg, sagte der Prophet Jesaja und Johannes der Täufer greift dieses Wort auf. Um Wege, die geebnet, die erst noch hergerichtet werden müssen, geht es am zweiten Advent. Bereitet waren die Wege damals - damals an den Sonntagen mit dem Fahrverbot: dick ausgebaute Autobahnen, aber nirgendwo ein Wagen zu sehen.
Das hat schon fast etwas Symbolisches. Denn mit den Wegen, von denen Johannes oder auch Jesaja spricht, ist es ja nicht sehr viel anders. Die Zeit des Straßenbaues - auch im übertragenen Sinne - liegt ja schon weit hinter uns. Die Wege sind bereitet. Gott selbst hat sie planiert. Er selbst hat die Straßen ausgebaut, auf denen wir uns ihm nähern können. Er selbst ist sie so oft auf uns zugegangen, dass sie nicht nur ausgetretenen Pfaden sondern vielmehr vier- und sechsspurig ausgebauten Pisten ähneln. Er selbst hat die Orte gewählt, an denen wir ihm begegnen können. Wir brauchen sie nicht erst zu erkunden, geschweige denn zu suchen. Er ist Mensch geworden, damit wir darum wissen, dass wir ihm im Menschen begegnen. Und er hat dies ein-für-alle-Mal getan, damit uns klar wird, dass es keinerlei Beschränkungen gibt, dass wir nicht erst irgendwelche Zeiten abwarten müssen, sondern er immer und überall zu finden ist.
Die Wege sind bereitet, die Straßen sind da: vier- und sechsspurig ausgebaut. Manchmal muten sie an wie unsere Autobahnen, Autobahnen zur Zeit des Sonntagsfahrverbotes.
Auf den Weg machen...
Es schaut so aus, als verstünden manche darunter nur noch: sich an den Straßenrand setzen und seinen Haufen hinterlassen.
Auf den Weg machen...
Es heißt aber aufbrechen, sich auf den Weg machen, die Straßen zu nutzen, die Orte aufzusuchen und das Geschenk der Gottesgegenwart erspüren.
Wir brauchen sie nicht erst zu suchen. Wir brauchen die Orte nicht erst zu bauen, an denen er uns begegnet. Sie sind da, seit Jahren und Jahrhunderten: Wir brauchen sie nur aufzusuchen.
Tun sie es. Suchen Sie einfach die Orte, die Ihnen hilfreich sind, um Gott nahe zu sein. Ganz gleich, ob das eine Kirche ist, ganz gleich, welche Kirche das ist - ob eines unserer eher nüchternen Bauwerke oder unsere barocke Peterskirche etwa -, ganz gleich, ob das die freie Natur oder einfach Ihr Wohnzimmer sein mag. Suchen Sie diese Orte, suchen Sie sie auf. Sie sind nämlich da, Gott ist da.
Und wenn Sie gerade in diesen Tagen am Adventskranz in große Kinderaugen schauen, dann entdecken Sie auch dies als Ort der Gottesbegegnung wieder ganz neu.
Wir müssen keine neuen Möglichkeiten finden. Nutzen wir einfach die Formen, die schon längst vorhanden sind, ganz gleich, ob das jetzt die Messe ist, das Taizégebet, die Stille oder das Gespräch über den Glauben.
Wir brauchen nicht auf den rechten Zeitpunkt zu warten. Meist reicht es schon, den eigenen Tag zu entrümpeln, die Zeiten wiederzuentdecken, die mir gut tun und an denen ich ganz leicht spüren kann, dass der Herr in mein Leben einbrechen will.
Das hat sich seit den Tagen eines Jesaja und eines Johannes des Täufers geändert: Wir müssen die Wege nicht erst bereiten, wir müssen sie nur noch beschreiten. Wir müssen uns nicht erst nach Möglichkeiten umsehen, wir müssen die vor uns liegenden Wege nur gehen.
Die Straßen sind da. Sie zu nutzen ist alles andere als verboten. Und sie sind frei, sehr viel freier als die Autobahnen, die die meisten von uns heute fast tagtäglich nutzen.
Machen wir uns auf den Weg, nutzen wir den Weg, nutzen wir all die Möglichkeiten, die vor uns liegen und seit Menschengedenken bereitet sind - all die Möglichkeiten, die auf nichts anderes warten, als uns zu helfen: Uns hilfreich zu sein - hilfreich dabei, uns der Nähe Gottes aufs Neue zu versichern.
Amen.
(gehalten am 7./8. Dezember 2002 in der Peters-, Paulus- und Stadtkirche, Bruchsal)