Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
16. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Mk 6,30-34)
In jener Zeit versammelten sich die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren, und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an. Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange. (Mk 6,30-34)
Die Schulzeit sei die schönste Zeit - sagt man. Und im Nachhinein ist da vielleicht sogar etwas dran. Solange man aber die Schule besuchen muss, sieht das oft ganz anders aus. Da überwiegen meist ganz andere Eindrücke: Da gibt es schließlich Klassenarbeiten. Und vor allem: es gibt Hausaufgaben. Und an die denke ich wirklich nur ganz ungern zurück.
Aus der Schule zu kommen und dann noch Mittags hinsitzen zu müssen, um Hausaufgaben zu machen, das war für mich eine der unangenehmsten Begleiterscheinungen der Schulzeit. Wer macht denn auch schon gerne Hausaufgaben?
Liebe Schwestern und Brüder,
deshalb werden die meisten Menschen auch mit dem heutigen Evangelium so ihre Schwierigkeiten haben. Im Grunde genommen gibt uns Jesus hier nämlich eine Hausaufgabe. Man muss zwar schon zweimal hinschauen, um sie wirklich zu entdecken, aber es ist nichtsdestoweniger eine Aufgabe, die er uns mit auf den Weg gibt.
Jesus sagt schließlich ganz deutlich: "Kommt mit, an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und ruht ein wenig aus!" Und das meint nicht nur, dass die Jünger damals halt ausruhen sollten.
Es ist eine Aufgabe für uns: Ruht aus! Etwas mehr Ruhe, etwas mehr zur Ruhe und zur Besinnung zu kommen - und das nicht nur in den Ferien, auch im Alltag - das ist Jesu Hausaufgabe für jeden einzelnen von uns.
Eigentlich sollte man jetzt meinen, dass wir uns das nicht zweimal sagen lassen. Ruhiger zu machen, und einen Gang zurückzuschalten, danach sehnt sich ja schließlich jeder. Und das müsste dann eigentlich ja auch eine Anordnung sein, der man mit fliegenden Fahnen nachkommt.
Aber das ist halt so bei Hausaufgaben. Ich wusste auch, dass die Dinge, die ich aufbekommen hatte, irgendwo gut für mich waren, dass ich für das Leben lernen sollte und dass ich etwas davon haben würde, wenn ich mich in die Materie hineinknie. Aber diese Einsicht hätte sicher nicht so weit gereicht, dass ich meine Hausaufgaben freudig erledigt hätte. Ganz im Gegenteil, Hausaufgaben waren immer etwas lästiges, und wenn sie dann auch nicht kontrolliert wurden, dann hat man sie halt ganz einfach auch nicht gemacht.
Was den Lateinunterricht angeht, kann ich ein Lied davon singen. Wir hatten da zum Beispiel jede Woche Vokabeln auf, aber ich wusste nach einiger Zeit genau, dass unser Lehrer das sowieso nicht kontrollierte - abgehört hat er die Vokabeln nie. Und deshalb hab' ich am Ende auch keine mehr gelernt.
Jesus kontrolliert genauso wenig. Er prüft nicht wöchentlich ab, ob wir uns die nötige Ruhe auch wirklich genommen haben. Er gibt uns wohl die Aufgabe. Kontrollieren tut er nicht. Und deshalb geht's den meisten, mit dem zur Ruhe kommen und der Besinnung wahrscheinlich genauso wie mir mit meinen Lateinvokabeln - sie bleiben ganz einfach links liegen.
Wir wissen zwar alle, dass dies wichtig ist, dass unsere Gesundheit die Ruhe im letzten fordert und es sich bitter rächt, wenn man immer auf Hochtouren läuft.
Aber es kontrolliert halt keiner. Und was niemand kontrolliert, wird über kurz oder lang eben auch nicht mehr gemacht!
Was meine Lateinkenntnisse angeht, hab' ich dafür ganz schön Lehrgeld gezahlt. Und ich habe es mittlerweile schon manches Mal bereut. Aber alle Reue hilft nichts, wenn es zu spät ist, etwas zu ändern.
Da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir entwickeln tatsächlich so viel Selbstdisziplin, dass wir in der Zeit von alleine dran bleiben, oder man macht es so, wie wir es dann während des Studiums getan haben. Denn nach den Erfahrungen mit den Lateinvokabeln sind wir dort dann daran gegangen, uns gegenseitig abzuhören. Wir haben einfach vereinbart, uns wechselseitig zu kontrollieren gegenseitig darauf zu achten, dass wir unser Pensum auch wirklich erledigen. Und das scheint mir, zumindest für meine Person der einzige Weg zu sein, der wirklich funktioniert.
Ich denke wir Menschen brauchen das. Wir brauchen es, dass jemand auf uns achtet, uns im guten Sinne des Wortes kontrolliert, einfach darauf schaut, ob wir das notwendige auch getan haben.
Und Menschen, die das tun, die muss man sich halt suchen: Menschen, die einen Blick auf mich haben. die auf uns aufpassen, die darauf acht geben, dass wir auch wirklich das, was notwendig ist, tun: gute Freunde, den Ehepartner, Menschen aus unserer Umgebung, denen wir wirklich vertrauen.
Achten wir gegenseitig aufeinander. Und im Blick auf die Aufgabe, die Jesus uns gibt, heißt das: Achten wir gegenseitig darauf, dass wir nicht der Gefahr unterliegen, uns einfach kaputtzumachen, uns von dieser Leistungsgesellschaft so vereinnahmen zu lassen, dass nicht einmal mehr - wie es im Evangelium schon heißt - die Zeit bleibt, richtig zu essen, geschweige denn zur Ruhe zu kommen und auszuruhen.
"Kommt mit, an einen einsamen Ort", sagt Jesus, "und ruht ein wenig aus." Das ist unsere Hausaufgabe. Eine Aufgabe, die Gott selbst uns heute mit auf den Weg gibt.
Er gibt sie uns jede Woche aufs Neue. So wie ich auch jede Woche Vokabeln zu lernen hatte.
Damals habe ich es nicht getan. Ich hab' es später bereut. Bei den Aufgaben, die Jesus uns gibt, sollten wir klüger sein. Nicht um seinetwillen - er hat da am wenigsten davon -, letztlich allein um unsretwillen.
Amen.
(gehalten am 22./23. Juli 2000 in der Peterskirche - Bruchsal)