Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Die Feier der Osternacht (Mk 16,1-7)
Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat. (Mk 16,1-7)
Das ist der älteste Bericht über das Geschehen am Ostermorgen.
Das Markusevangelium ist noch recht nahe dran. Bald nach dem Jahre 70 dürfte man es zusammengeschrieben haben. Und die ihm zugrunde liegenden Texte rund um die Passion und die Auferstehung könnten sogar noch Ende der 30er Jahre niedergeschrieben worden sein.
Und heute haben wir den eigentlichen Schluss dieses alten Textes als Evangelium gehört. Aus den ältesten Handschriften kann man noch entnehmen, dass der Markustext ursprünglich einmal mit dem 8. Vers des 16. Kapitels zu Ende war. Diesen alten Schluss des Markusevangeliums haben wir als Evangelium der diesjährigen Osternacht gehört.
Es schließt mit der Botschaft des Engels, und dem Auftrag an die Frauen, den Jüngern zu berichten, dass der Auferstandene ihnen nach Galiläa vorausgehen wird.
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie kennen den Satz, den man an dieser Stelle immer wieder so gerne als Frage stellt, dieses 'was denn geschehen wäre, wenn die Frauen damals geschwiegen hätten?'.
Diese Frage kann man aber nur stellen, wenn man im Markusevangelium nicht weiterliest. Die Liturgen haben bei der Auswahl der Texte für die Osternacht einen Satz nämlich ganz einfach weggelassen. Sie haben den alten Schlusssatz des Markusevangeliums in diesem Abschnitt, den wir eben gehört haben, einfach gestrichen.
Wenn Sie aber in der Bibel weiterlesen, dann steht da, nachdem der Engel den Frauen gesagt hat, sie sollen zu den Jüngern gehen: "Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich."
Damit endet ursprünglich einmal das Evangelium nach Markus. Sie flohen und sie sagten niemand etwas davon, denn Furcht und Entsetzen hatte sie gepackt.
Das war - historisch betrachtet - die wirkliche Stimmung des Ostermorgens. Alles war aus. Die Jünger hatten sich verkrochen, oder hatten ihre Sachen gepackt und waren Hals über Kopf davongelaufen. Erst in Galiläa -, erst in Galiläa würden sie - Tage später - und auch erst ganz langsam verstehen lernen, begreifen lernen, glauben lernen, was schon lange geschehen war.
Den Tod hatten viele miterlebt, davon sprach die Welt - bei der Auferstehung aber war niemand dabei. In aller Stille, in der Nacht, hat Jesus den Tod überwunden.
Das ist häufig so. Das Fiasko steht uns deutlich vor Augen. Wenn sich das Leben aber neue Bahn bricht, dann geschieht das fast immer im Verborgenen. Erst viel später hat man erkannt, dass es schon am Ostermorgen, schon drei Tage nach dem Karfreitag, keinen Grund zur Trübsal mehr gab. Erst viel später hat man begriffen, dass die Erfüllung aller Hoffnung - weit größer als Menschen es sich jemals hätten ausmalen können -, schon lange geschenkt worden war.
Das hat Symbolcharakter. Vielleicht ist auch manches Leid, das uns zu Boden drückt, schon überwunden, während wir den Kopf noch hängen lassen. Vielleicht hat Gott insgeheim, ohne dass es irgendjemand bemerkt hat, schon lange eingegriffen, während wir noch dasitzen und uns fragen, warum all unser Gebet nichts genutzt hat. Und vielleicht bin ich ganz einfach auch nur zu klein, um durchschauen zu können, welches Ziel Gott am Ende tatsächlich verfolgt.
War wirklich alles umsonst? Vielleicht bewahrheitet sich auch in unseren Tagen, dass Gott - wie bei Joseph in Ägypten - auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann. Vielleicht sagt er am Ende wieder einmal: "Menschen dachten es zum Bösen, ich aber dachte es zum Guten."
Das Fiasko steht uns deutlich vor Augen. Wenn sich das Leben aber neue Bahn bricht, dann geschieht das fast immer im Verborgenen.
Aber es geschieht! Das Leben findet einen Weg. Vertrauen wir ganz fest darauf. Kopf hoch - Jesus lebt!
Gott findet, nein, Gott kennt den Weg. Und auch wenn wir ihn wieder einmal nicht sehen - das heißt nicht, dass dieser Weg nicht da wäre. Gott führt ihn uns eben manches Mal auf eine Art und Weise, dass wir ihn erst bemerken, wenn das Ziel schon lange erreicht ist.
(gehalten am 3. April 2021 in der Kirche Heilig Kreuz, Ettenheim-Münchweier
Auszug und Aktualisierung einer Predigt vom 20. April 2003,
gehalten in der Antonius- und Peterskirche, Bruchsal)