Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
21. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Eph 5,21-32)
Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort! So will er die Kirche herrlich vor sich hinstellen, ohne Flecken oder Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos. Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Keiner hat je seinen eigenen Leib gehasst, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche. Denn wir sind Glieder seines Leibes. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche. (Eph 5,21-32)
Diese Lesung ist eine Zumutung. Und ich gebe zu, ich habe mich bisher erfolgreich darum gedrückt. Ich habe sie in der Vergangenheit immer einfach weggelassen. Aber heute mute ich sie Ihnen und ich mute sie mir zu. Denn es hilft ja nichts, wenn man um Zumutungen einfach einen großen Bogen macht.
Liebe Schwestern und Brüder,
was ist mit Stellen wie diesen in den vergangenen Jahrhunderten nicht alles an Schindluder getrieben worden. Generationen von Frauen mussten erleben, was "ihren Männern untertan" zu sein am Ende bedeutet.
Soll das Gottes Willen sein?
Nun ich denke, dass sich gerade an solchen Stellen zeigt, wie schnell man in die Irre geht, wenn man sie aus dem Zusammenhang herausreißt. Und Zusammenhang heißt hier nicht zuletzt: historischer Zusammenhang.
Sie müssen sich die ersten Christengemeinden einfach einmal bildlich vor Augen führen. Das waren ja keine Revolutionäre, das waren keine Aussteiger, das waren weithin Menschen wie Du und ich.
Und sie waren eigentlich relativ hilflos. Jesus von Nazareth hat ja keine Kirche gegründet, sich hingesetzt und Verhaltensregeln für Christen, gleichsam ein erstes Kirchenrecht verfasst. Er hat das Reich Gottes verkündet und dass es kommt, bald, vielleicht schon Morgen.
Seine Apostel haben nichts anderes getan.
Aber dieses Reich Gottes ließ eben auf sich warten, nicht nur Wochen, sondern Jahre und Jahrzehnte. Und immer mehr stellte sich die Frage, wie man als Christ eigentlich lebt? Und wie soll man überhaupt seinen Alltag, das Miteinander am Arbeitsplatz und das Zusammenleben in der Familie gestalten? Dafür hat Jesus von Nazareth keine Richtlinien hinterlassen. Und auch von den Aposteln gibt es hierfür kaum etwas Brauchbares.
Bei Paulus fängt es langsam an. Er bekommt Anfragen für bestimmte Situationen und er beantwortet sie eben situationsgemäß.
Erst in späteren Schriften, lange nach der Zeit der Apostel, finden sich allgemeine Anweisungen für das Miteinander im Alltag. So etwa hier im Epheserbrief, der kaum vor 90 nach Christus geschrieben worden sein dürfte. Zumindest gehen nahezu alle ernstzunehmenden Theologen davon aus, dass er erst in den letzten anderthalb Jahrzehnten des ersten Jahrhunderts entstanden ist.
In diesen Spätschriften finden sich nun tatsächlich richtige Anweisungen für den Alltag.
Bei der Frage nach diesem Alltag waren Christen aber nicht besonders kreativ. Sie waren vor allem alles andere als revolutionär. Das, was Sie in den Spätschriften des Neuen Testamentes finden können, ist kaum etwas anderes, als das, was auch in der übrigen Literatur dieser Zeit zu lesen ist. Man übernahm einfach, was damals als anständig galt. Als Christ zu leben bedeutete nichts anderes als anständig zu leben, das zu leben, was der Anstand und die Sitte gebieten.
Der große Unterschied war: Christen versuchten einfach mehr Anstand zu zeigen, es im Idealfall noch ein wenig besser zu machen, als man das ringsum zu tun pflegte. Und das hat sich auch in den biblischen Texten niedergeschlagen.
Dass Frauen nicht viel zu melden hatten, das war damals gang und gäbe. Dass sie ihren Männern untergeordnet waren, war überall so. Aber auch wenn das so war, dann sollten die christlichen Männer es doch noch ein wenig besser machen. Liebevoll sollten sie ihre Frauen behandeln, nicht unterdrücken.
Für die damalige Zeit war das schon viel. Dass das in unseren Augen keine Glanzleistung war, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Aber durch solche Glanzleistungen taten sich die Christen zu keinen Zeiten wirklich hervor. Auch was Sklaven anging waren Christen nicht besser als andere in ihrer Gesellschaft. Auch christliche Familien hielten Sklaven durch all die Jahrhunderte hindurch. Einen Christen zeichnete allerhöchstens aus, dass er es etwas besser machte als andere, dass er seine Sklaven eben anständig behandelte.
Gesellschaften haben sich entwickelt. Gott sei Dank! Es gab in den vergangenen Jahrhunderten einen Fortschritt an Menschlichkeit. Sklaverei ist abgeschafft.
Und auch die Christen haben sich entwickelt. Ich wüsste von keiner moraltheologischen Schrift, die heute Sklaverei nicht rundweg verurteilen würde.
Aber es gibt auch christliche Kreise, die stehen geblieben sind. Wenn es heute in Amerika noch rein weiße Christengemeinden gibt, die auf Schwarze herabschauen, Rassismus leben, dann hat das mit dem, was uns dieser Jesus von Nazareth vorgelebt hat, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Da sind Menschen bei längst überwundenem Denken stehen geblieben.
In der Haltung gegenüber Frauen sind viele Menschen in unserer Kirche rückständig geblieben.
Während gerade unsere Gesellschaft Kirche schon längst links überholt hat, Frauen in vielen Fällen schon - keine Frage, noch lange nicht in allen - aber schon in vielen Fällen die gleichen Rechte wie Männer genießen und - zumindest vordergründig - was Ehe und Familie angeht niemand mehr von Unterordnung spricht, sondern von Partnerschaft, verharrt unsere Kirche weiterhin in gesellschaftlichen Zusammenhängen, die - zumindest bei uns - schon längst auf der Müllhalde der Geschichte entsorgt wurden. Und man versucht diese Haltungen auch noch verzweifelt theologisch zu begründen, mit Argumenten, die für mich so lachhaft klingen, wie der Versuch von Islamisten mit Gottes Willen zu begründen, dass Frauen keine Regierungsämter ausüben dürfen.
Was Christen früher ausgezeichnet hat, es eben noch ein bisschen besser zu machen, als es alle anderen um einen herum schon taten, das hat sich mittlerweile - gerade in der Frauenfrage - ins Gegenteil verkehrt. Anstelle, dass man sich an die Spitze der Bewegung stellt, steht man an der Seite der ewig Gestrigen und der Bremser.
Wo es seit über anderthalb Jahrzehnten keine Frage ist, dass das Land von einer Frau regiert wird, sind Priesterinnen doch schon lange überfällig geworden - und Bischöfinnen nicht minder. Und was wäre das für ein Zeichen an die restliche Welt, wenn es nicht nur im Roman eine Päpstin gäbe.
Es kann doch nicht angehen, dass in unserer Kirche nur Männer das Sagen haben. Und das allein aus dem Grund, weil sie eben Männer sind.
Es tut Not, dass vom Christentum wieder Impulse ausgehen, Impulse, die wirklich im Sinne Jesu sind.
Möge der Herr den Verantwortlichen die Augen öffnen, möge er die Bremser bekehren und die ewig gestrigen Betonköpfe in die Wüste schicken.
Wenn sich seine Kirche - wie ja auch in vergangenen Jahrhunderten - schon nicht an die Spitze der Bewegung stellt, dann soll sie dieselbe wenigstens nicht aufhalten. Sie sollte zumindest versuchen sich doch ein bisschen mehr einzusetzen als die meisten: für Gerechtigkeit gerade gegenüber den Frauen, deren Würde Jahrhunderte lang mit Füßen getreten wurde, für wirkliche Gleichberechtigung und Gleichbehandlung, für die Menschlichkeit und eine Haltung, die allein dem Evangelium entspricht.
Was dies angeht macht es unsere Kirche heute nämlich gerade nicht so, wie die ersten Christengenerationen: Wir machen es nicht wirklich besser, als die Menschen um uns herum. Im Augenblick machen wir es letztlich nicht nur ein bisschen, wir machen es momentan sogar sehr viel schlechter.
Amen.
(gehalten am 21./22. August 2021 in der Kirche St. Nikolaus, Ettenheim-Altdorf,
und St. Bartholomäus, Ettenheim)