Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Mk 7,31-37)
In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekápolis. Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr machten sie es bekannt. Außer sich vor Staunen sagten sie: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen. (Mk 7,31-37)
So etwas hört man mittlerweile immer häufiger: Jemand sei ein "Gesamtkunstwerk". Und dabei meint man dann kein Bild oder etwa eine Plastik, damit bezeichnet man einen Menschen, einen Sänger oder eine Sängerin - oder was man heute häufig dafür hält. Man spricht von einem Filmstar als Gesamtkunstwerk oder von einem Modeschöpfer. Und man bringt damit zum Ausdruck, dass sich ein Mensch so perfekt selbst inszeniert - sein Äußeres, seine Erscheinung, sein Auftreten und seine Medienpräsenz - dass nicht nur was er tut Kunst sei, sondern er selbst am Ende zu einem regelrechten Kunstwerk wird.
Er selbst wird Kunst - künstlich eben, zu einer Inszenierung, zu etwas, was mit dem eigentlichen Menschen, der da dahintersteckt, meist gar nichts mehr zu tun hat. Man bekommt präsentiert, was die Menschen sehen möchten, oder was die Macher glauben, dass es die Menschen doch sehen wollen. Und wichtig ist nur noch, dass die Medien entsprechend Notiz davon nehmen, dass alle Welt über einen redet, weil das den Marktwert steigert und den entsprechenden Profit bringt.
Liebe Schwestern und Brüder,
auf den Schein, nur auf den allein kommt es offenbar noch an, auf die Inszenierung, auf das Äußere. Darauf, dass man über jemanden spricht und er in den Medien präsent ist.
Solche Inszenierungen gibt es nicht nur im Showbiz. Auch Firmen machen sich das zu Nutze. Dort nennt man so etwas dann Image-Kampagne.
Wenn die Verkaufszahlen zurückgehen oder irgend ein Skandal die Firma erschüttert, dann müssen die Werbestrategen das Image wieder aufpolieren. Dann braucht es positive Presse, irgend etwas, was die Firma mit guten Nachrichten in Verbindung bringt.
Ob die dann mit dem Produkt zusammenhängen oder nicht, ob das so entstehende Image stimmig ist oder nicht, das ist meist nicht einmal wirklich wichtig. Hauptsache die Zahlen gehen wieder nach oben und die öffentliche Meinung nimmt positiv Notiz.
Ich habe kein gutes Gefühl bei solchen Kampagnen, vor allem wenn sie im Raum von Kirche um sich greifen.
Was will man durch Hochglanzbroschüren für eine Botschaft transportieren? Was sollen Anzeigen in Tageszeitungen und Illustrierten denn wirklichen bewirken? Was sollen Fernsehspots mit jungen, dynamischen Menschen, die für ein Engagement in kirchlichen Einrichtungen werben?
Entweder unsere Gemeinden sind jung und dynamisch, dann kann man es vor Ort erleben; oder das Image bleibt ein schöner, aber am Ende doch recht bitterer Schein. Wem ist mit einem Image gedient, das doch der einfachsten Überprüfung nicht standhält.
Und selbst dort, wo die transportierte Nachricht der Wirklichkeit entspricht, sind für mich Fragezeichen angebracht.
Ich weiß, es heißt: Tue Gutes und rede darüber. Aber gerade das heutige Evangelium beißt sich mit dieser Einstellung. Jesus selbst hat es offenbar anders gehalten.
Er tat nichts, damit es gesehen werde. Er heilte nicht, damit das Spendenaufkommen stieg. Und er suchte auch nicht die Öffentlichkeit, um das Image seiner Bewegung aufzupolieren.
Er tat um der Menschen willen, die ihm begegneten. Er war keine Inszenierung, kein Kunstwerk, er war echt, authentisch, einfach menschlich. Und weil er das war, deshalb redete man über ihn, deshalb konnte sich seine Botschaft nicht unter den Teppich kehren lassen, deshalb kamen die Menschen zu ihm.
Das werden die Strategen des kirchlichen Fundraisings nicht gerade gerne hören, aber diese Haltung Jesu kann doch allein unser Vorbild sein. Christen haben nichts zu inszenieren, Christen brauchen keine Werbekampagne und keine Imagepflege. Wir müssen ganz einfach echt sein, ehrlich und ohne Falsch.
Genau dann nämlich und vermutlich nur dann, werden andere voller Staunen über uns sagen: Sie haben alles richtig gemacht. Sie haben weder von etwas geredet, noch haben sie etwas versprochen, was sie am Ende nicht gehalten hätten.
Amen.
(gehalten am 8./9. September 2012 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)