Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
4. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr B (Joh 10,11-18)
In jener Zeit sprach Jesus: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht; und der Wolf reißt sie und jagt sie auseinander. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muss ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten. Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin. Ich habe Macht, es hinzugeben, und ich habe Macht, es wieder zu nehmen. Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen. (Joh 10,11-18)
Jetzt wollen wir 'mal nicht ungerecht sein: Nicht alle bezahlten Knechte sind schlecht! Es gibt ganz tolle Hirten, die für Geld die Hirten-Aufgabe übernehmen, obwohl ihnen die Schafe nicht gehören und die dabei Großartiges leisten.
Denn nicht immer kann der Herr einer Herde ja selbst auf der Weide stehen. Manchmal ist er einfach auf den Knecht angewiesen, dem an seiner statt dann die Tiere anvertraut sind.
Liebe Schwestern und Brüder,
so hat Jesus das sicher auch nicht gemeint, als er den bezahlten Knecht als schlechten Hirten anprangerte. Er hatte sicher nicht die Absicht alle bezahlten Hirten schlecht zu machen. Aber offenbar gibt es Verhaltensweisen von Hirten, die nicht in seinem Sinne sind, die er hier ganz offen kritisiert:
Diese nämlich, wenn ein solcher Hirt die Herde einfach im Stich lässt, sobald er den Wolf nahen sieht.
Und er verurteilt ganz sicher auch den, der Teile der Herde veruntreut, der Tiere schlachtet oder verkauft und den Erlös in die eigene Tasche steckt, jenen Hirten eben, der zwar vorgibt, für die Sache des Herrn einzutreten, aber doch nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist.
Und mit dem Hirten kann der Herr ganz sicher auch nicht: mit dem, der aus lauter Angst vor dem Herren, aus Furcht davor, dass er eines der Tiere verlieren könnte, die Herde am Auslauf hindert, der die Tiere einpfercht, so dass sie sich kaum bewegen können, der sie dem Herrn der Herde zwar vollzählig - ohne Zweifel - aber verkümmert und völlig eingeschüchtert am Ende wieder übergibt.
Und noch weniger wird der Herr mit jenem Hirten anfangen können, der sich sagt, dass es ja doch nur auf die Tiere ankäme, die seinem Ideal entsprechen, die nicht starrsinnig, lammfromm sind und deren Bewegungsdrang nicht besonders ausgeprägt ist; die, die sich gut halten lassen eben. Und der die anderen, die sich auch mal weiter von der Herde entfernen, deren Neugier auf die ganze Weide eben größer ist und die auch mal bockig daherkommen, der sie einfach ziehen lässt, um dem Herrn am Ende eine zwar kleinere, aber dafür handzahme Herde übergeben zu können.
Mit all diesen Knechten kann der eigentliche Herr der Herde im letzten nicht. Mit Schimpf und Schande wird er sie davonjagen.
Und die Herde darf darauf vertrauen, dass ihr Herr, der wirkliche, der gute Hirte, dann, wenn die bezahlten Knechte sich als untauglich erweisen, dass er dann ganz sicher einschreiten wird, dass er sich dann ganz sicher selbst um seine Herde kümmern wird.
Amen.
(gehalten am 28. April 2012 in der Pauluskirche, Bruchsal)