Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Predigt an Fronleichnam (Mk 14,12-14. 22-26)

Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote, an dem man das Paschalamm schlachtete, sagten die Jünger zu Jesus: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten? Da schickte er zwei seiner Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in die Stadt; dort wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm, bis er in ein Haus hineingeht; dann sagt zu dem Herrn des Hauses: Der Meister lässt dich fragen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann? Und der Hausherr wird euch einen großen Raum im Obergeschoss zeigen, der schon für das Festmahl hergerichtet und mit Polstern ausgestattet ist. Dort bereitet alles für uns vor! Die Jünger machten sich auf den Weg und kamen in die Stadt. Sie fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Paschamahl vor. Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes. Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus. (Mk 14,12-16. 22-26)

Der kalte Krieg ist vorbei - und nicht nur der zwischen dem Warschauer Pakt und der westlichen Welt. Auch ein anderer kalter Krieg ist in den letzten Jahrzehnten stillschweigend und fast unbemerkt zu Ende gegangen.

Ich meine jenen Krieg, der zwischen dem Karfreitag etwa und dem Fronleichnamstag ausgetragen wurde. Der Karfreitag, das war schließlich jener Tag, an dem die Katholiken bei uns zu Hause den Stall geweißelt haben. Noch meine Eltern können sich daran erinnern, dass es in ihrer Kindheit so gewesen ist.

Und am Fronleichnamstag, da haben sich die evangelischen Christen dann revanchiert, und am Rande der Prozession den Mist aufs Feld gefahren.

Liebe Schwestern und Brüder,

die Zeiten dieses interkonfessionellen kalten Krieges, die sind Gott sei Dank vorbei! Ganz langsam sind sie zu Ende gegangen. Evangelische Christen und Katholiken, begannen das Miteinander zu entdecken, spürten, dass es weit mehr Verbindendes als Trennendes gibt.

Plötzlich hörte es auf, das peinliche Versprechen-Müssen, dass die Kinder unter allen Umständen katholisch werden müssten, wenn eine sogenannte Mischehe eingegangen werden sollte. Man sprach auch immer seltener despektierlich von Mischehe, man sprach von konfessionsverschiedener Ehe. Und mittlerweile höre ich immer häufiger das schöne Wort von der konfessionsverbindenden Ehe.

Und wie viel sich in der Selbstverständlichkeit des Miteinanders getan hat, das drückt für mich die Tatsache aus, dass immer mehr dieser konfessionsverschiedenen Paare nicht jeder für sich am Sonntag in seine Kirche gehen, sondern den Gottesdienst miteinander, als Familie gemeinsam besuchen und feiern.

Wen wundert es, dass gerade hier, in diesen Familien, die immer noch bestehende Trennung zwischen den Konfessionen am schmerzlichsten wahrgenommen und empfunden wird - und das gerade dann, wenn sie miteinander ihren Glauben feiern wollen, im Gottesdienst, am Sonntag in der Eucharistie, wo wir nach den offiziellen Richtlinien und Ordnungen unserer Kirche immer noch eine der letzten trennenden Bastionen zwischen den Konfessionen finden.

Wirklich gemeinsam am Sonntag den Gottesdienst zu feiern, auch wirklich miteinander zu kommunizieren, ist schließlich streng genommen immer noch nicht möglich. Einen Christen muss dies schmerzen!

Natürlich dürfen wir in Glaubensdingen nicht der Beliebigkeit Tür und Tor öffnen. Natürlich kann man solche Dinge nicht einfach übers Knie brechen, sondern muss abwägen, sorgfältig prüfen, und sauber einen Schritt nach dem andern tun. Aber manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, als dass die Hindernisse und Schwierigkeiten die in den großen Kommissionen und mit hochkarätigen Theologen besetzten Foren immer noch gefunden und diskutiert werden, am Ende doch sehr theoretisch bleiben und mit der Wirklichkeit unseres Glaubens und unserem Glaubenleben vor Ort oft herzlich wenig zu tun haben.

Man sagt, dass die Mahlgemeinschaft erst dann gehalten werden könne, wenn wir im Glauben auch wirklich eins geworden sind, wenn wir in all den Fragen auch wirklich übereinstimmen. Aber glauben wir denn wirklich, dass dies irgendwann einmal der Fall sein wird?

Als ob die Katholiken untereinander im Glauben an die Eucharistie wirklich übereinstimmen würden! Sie müssen da nur so manche Brautmesse anschauen, und Sie werden sich von alleine fragen, was da so manche von den Mitfeiernden denn wirklich glauben. Nur weil "man" getauft ist und die übliche katholische Laufbahn mit dem Erstkommunion- und Firmunterricht durchlaufen hat, heißt das ja noch lange nicht, dass alle Katholiken auch so glauben, wie katholische Theologie das vorsieht!

Wenn's aber wirklich darum gehen würde, wenn's darum gehen würde, dass alle Mitfeiernden im Glauben auch tatsächlich übereinstimmen - ich fürchte, dass wir am Ende dann gar keine Eucharistie mehr feiern könnten. Auf diesen Tag nämlich, auf den könnten wir lange warten.

Jesus aber hat doch nicht gewartet. Er hat doch nicht darauf gewartet, bis seine Jünger alle zum Glauben gekommen waren. Er hat das Brot gebrochen und an sie ausgeteilt. Und er hat sie nicht einmal gefragt, ob sie an ihn glauben. Selbst mit dem, der kurz darauf aufbrach, um ihn zu verraten, hat er das Abendmahl gefeiert, selbst den, hat er in seine Mahlgemeinschaft eingeladen.

Jesus lädt auch heute ein. Er lädt ein, zu seinem Mahl, und ich glaube nicht, ich - ganz persönlich - glaube nicht, dass er irgendjemanden, der ihm wirklich folgen möchte, von dieser Einladung ausschließt.

Ich glaube, dass die Zeit reif ist. Und ich wünsche mir, dass unsere Kirchenleitungen hüben wir drüben, mutig aufeinander zugehen und Brücken bauen, Brücken, die tragfähig sind, auch für diejenigen, die sich mit dem Gedanken immer noch schwer tun.

Ich wünsche mir, dass in unseren Gemeinden eine Atmosphäre entsteht, die das Miteinander fördert und in der vor Ort wachsen kann, was Kirche letztlich weiterbringt.

Neues entstand nämlich immer nur vor Ort. Keine unserer Kirchenleitungen hätte sich hingesetzt und überlegt, ob wir vielleicht Ministrantinnen haben sollten. Ministrantinnen haben wir deshalb, weil in den Gemeinden vor Ort mutig neue Wege beschritten wurden. Und ich möchte mir nicht ausmalen, wie es in unseren Gottesdiensten manchmal aussehen würde, wenn es keine Mädchen am Altar gäbe.

Deshalb brauchen wir auch in diesem Fall immer wieder Gemeinden, die Wege in die Zukunft ebnen. Und wir brauchen Menschen, die diese Wege dann auch gehen. Selbst dann, wenn einem solche Wege mancherlei Blessuren einbringen können.

Jener Kollege, der beim gerade zu Ende gegangenen Hamburger Katholikentag am Rande der offiziellen Veranstaltungen das gemeinsame Abendmahl mitgefeiert hat, kann da sicher ein Lied von singen.

Er hat für einigen Wirbel gesorgt. Manche sagen, dass dieser Schritt übereilt gewesen sei, manche sagen, dass solche Alleingänge wenig hilfreich sind. - Mag sein. Vielleicht braucht es noch ein wenig Zeit, vielleicht ist die Zeit für die ganz großen Zeichen noch nicht da.

Eines wünsche ich mir allerdings auch hier, und das gerade angesichts der Tatsache, dass jener Kollege, nun vom Amt suspendiert worden ist. Ich wünsche mir ganz fest, dass unsere Kirche dort wo manches vielleicht auch übereilt geschieht, nicht mit Kanonen auf Spatzen schießt, nicht so überreagiert, dass wir dann, wenn plötzlich selbstverständlich geworden ist, was heute für manche noch undenkbar scheint, dass wir uns dann nicht wieder vor aller Öffentlichkeit für übertriebene Maßnahmen entschuldigen müssen - geschweige denn uns am Ende auch noch für solche Maßnahmen schämen müssten.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 21./22. Juni 2000 in der Peterskirche und im Ehrenhof des Schlosses, Bruchsal)