Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
5. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Ijob 7,1-4. 6-7 mit Mk 1,29-39)
Ijob ergriff das Wort und sprach: Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners? Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf den Lohn wartet. So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe, und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu. Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert. Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, der Faden geht aus, sie schwinden dahin. Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist. Nie mehr schaut mein Auge Glück. (Ijob 7,1-4. 6-7)
In jener Zeit ging Jesus zusammen mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett, Sie sprachen mit Jesus über sie, und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr, und sie sorgte für sie. Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu reden; denn sie wussten, wer er war. In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete: Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen und er zog durch ganz Galiläa, predigte in den Synagogen und trieb die Dämonen aus. (Mk 1,29-39)
Ein Weberschiffchen!
Liebe Schwestern und Brüder,
geht es ihnen etwa anders, anders, als es Ijob in diesem kleinen Text, den wir eben gehört haben, beschreibt?
Wie ein Knecht, der nach Schatten lechzt? Wie ein Taglöhner, der auf seinen Lohn wartet! Oder - allem voran - wie ein Weberschiffchen, wie so ein Schiffchen, das durch die Kettfäden des Webstuhles geschossen wird - hin und her, rasend schnell - bis der Faden dann zu Ende ist, abgeschnitten wird, und das Schiffchen in den Kasten wandert...
Ich habe noch kein besseres Bild für unser Leben gefunden wie dieses, das Ijob hier mit dem Weberschiffchen geprägt hat.
Geht es Ihnen denn anders? Es rinnt einem doch geradezu durch die Finger, das Leben. Man hetzt von einem Termin zum anderen und kaum hat ein Monat begonnen ist er auch schon wieder zu Ende - und nichts lässt sich daran ändern.
Nichts? Wirklich nichts? Warum denn eigentlich nicht? Müssen wir denn wirklich jeden Termin wahrnehmen? Liegt es nicht an uns, auch einfach einmal "Nein" zu sagen, den Gang rauszunehmen und eine Spur langsamer zu machen?
Wir haben es doch eigentlich in der Hand. Es liegt doch auch an uns, wie voll wir unseren Kalender packen und ob uns die Zeit zum Durchschnaufen noch bleibt.
Und schieben wir nicht alles auf die anderen, die Arbeitgeber, die sogenannten Verpflichtungen. Schauen Sie ehrlich auf Ihren Tagesablauf. Ein gutes Stück weit liegt es doch auch an uns!
Also, dann entschleunigen wir doch! Machen wir einfach nicht alles mit! Sorgen wir für die Ruhe, die jeder und jede von uns doch ach so dringend braucht!
Jo, der hat gut reden, werden Sie jetzt denken! Schöne Reden halten kann jeder. Erstens schafft er es selbst nicht, er redet ja ständig davon, dass sein Kalender voll ist, und zweitens sollte er sich den Alltag einer Mutter etwa, mit Beruf und Familie, nur ein einziges Mal richtig anschauen, dann würde er keine solch großen Töne spucken.
So manchem von Ihnen sieht man diese Gedanken jetzt regelrecht an.
Aber keine Angst, ich rede ja nicht davon, dass wir einen geruhsamen Alltag auf die Beine stellen könnten. Blauäugig bin ich ja auch nicht.
Ich rede von heute (von morgen), von ein paar Stunden, jetzt am Sonntag. Oder mal an einen Abend - den bewusst freihalten. Eintragen in den Kalender, wie einen Termin; mal Zeit zum Durchschnaufen wirklich einplanen, und dann auch so einhalten, wie jeden anderen Termin auch.
Ich muss ja nicht gleich mein Leben umkrempeln, aber Oasen schaffen, an denen ich wieder richtig auftanken kann, das ist nicht unmöglich. Ich muss es nur in Angriff nehmen, rechtzeitig mit einplanen - und zwar immer wieder, damit mir das Leben nicht durch die Finger gleitet, damit ich zwischendurch wieder runterkomme, damit ich mich neu orientieren kann und vor allem, damit der Faden nicht vorzeitig reißt, damit er nicht einfach mittendrin ganz einfach reißt...
Das geht schon. Mit etwas umsichtiger Planung geht das schon.
Tun Sie es für sich. Sie haben es im Evangelium ja gehört: Jesus tat es auch!
Amen.
(gehalten am 4./5. Februar 2012 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)