Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
32. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (1 Kön 17,10-16)
In jenen Tagen machte sich der Prophet Elija auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken! Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bissen Brot mit! Doch sie sagte: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Hand voll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben. Elija entgegnete ihr: Fürchte dich nicht! Geh heim, und tu, was du gesagt hast. Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck, und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; denn so spricht der Herr, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet. Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Sohn viele Tage zu essen. Der Mehltopf wurde nicht leer, und der Ölkrug versiegte nicht, wie der Herr durch Elija versprochen hatte. (1 Kön 17,10-16)
Wer langsam macht, kommt schneller ans Ziel.
Liebe Schwestern und Brüder,
das mag paradox klingen, aber es stimmt. Nicht umsonst heißt es: Eile mit Weile!
Und Sie wissen vermutlich aus eigener Erfahrung, dass man manches Mal, wenn es ausgesprochen schnell gehen soll, ganz besonders umsichtig, besonnen und langsam zu Werk gehen sollte, weil Hektik und falsche Hast die beste Methode sind, um eine diffizile Arbeit sicherlich zwei- oder dreimal von vorne beginnen zu müssen. Gerade wenn es um Geschwindigkeit geht, ist das genaue Gegenteil davon, manchmal der schnellste Weg zum Ziel.
So paradox dies klingt, so paradox ist vielleicht auch die Botschaft der heutigen Lesung. Und vielleicht muss man sie auch auf solch einem Hintergrund lesen, um sie nicht in den falschen Hals zu bekommen.
Denn vordergründig ist das ein ganz eigenartiger Text. Da kommt der Prophet Elija zu einer Frau, die nicht einmal mehr das Nötigste zum Überleben hat und verlangt von ihr auch noch ganz ungeniert, dass sie das wenige, was sie hat, ausgerechnet ihm geben soll. Ein Elija, der nicht nur äußerst unsympathisch, sondern auch sehr egoistisch und selbstsüchtig rüberkommt. Auch wenn es um ein Wunder geht, ich hätte da trotz allem, meine Schwierigkeiten damit gehabt, von der Frau ihren letzten Bissen für mich selbst haben zu wollen. Und ich habe deshalb auch meine Schwierigkeiten mit dieser Erzählung von Elija und der Witwe von Sarepta, wenn ich den Text einfach so lese, wie er sich heute darstellt.
Aber vielleicht sollte ich das ja auch gar nicht tun. Vielleicht geht es ja gar nicht so sehr um die Witwe oder um das Essen, das sie hat oder auch nicht hat. Vielleicht geht es gar nicht so sehr um diese Geschichte. All das mag möglicherweise ganz einfach dazu dienen um uns etwas von der biblischen Logik nahezubringen. Eine Logik, die so paradox klingt, wie, dass man schneller ans Ziel kommt, wenn man langsam macht. Und hier in dieser Geschichte der Witwe von Sarepta ist es die alte biblische Weisheit, dass man letztlich geben muss, um etwas selbst zu haben.
Gib und du wirst haben! Das ist biblische Logik! Eine Logik, die alles, was wir normalerweise Denken, immer wieder auf den Kopf stellt.
Die einzig logische Reaktion der Witwe wäre schleßlich gewesen, dem Elija zu sagen: Ich kann dir nichts geben, ich kann mich nicht um dich kümmern, ich habe ja selbst nichts mehr. Ich muss jetzt erst einmal an mich denken. Das wäre einzig logisch - zumindest nach unserem Verständnis.
Doch die Logik der Bibel ist eine ganz andere.
Bibel sagt: Denk an den anderen, dann denkst du am intensivsten an dich! Kümmere dich darum, dass es dem anderen gut geht, dann geht es dir am Besten. Versuche andere glücklich zu machen, dann wirst du selbst am ehesten glücklich. Finde zum anderen Menschen und du findest am Ende zu dir!
Immer wieder konfrontiert uns die Bibel mit solchen Einsichten. Und es sind immer wieder Einsichten, die eigentlich alles auf den Kopf stellen, was wir normalerweise so denken. Eine Fülle von Beispielen gibt es da:
Als Israel etwa aus dem Exil zurückgekehrt war und Jerusalem in altem Glanz wieder erstehen ließ, dachten die Menschen offenbar - nach unserer Logik eigentlich völlig verständlich - zuerst an sich selbst. Die Zeiten waren schlecht und da war das Geld knapp. Und für den Wiederaufbau des Tempels war es schon gar nicht da.
Der Prophet Haggai konfrontierte das Volk in dieser Situation mit einer Weisheit, die wiederum auf den ersten Blick einfach nur paradox klingen muss. Er sagt: Ihr meint, kein Geld für den Tempel übrig zu haben, weil es euch wirtschaftlich so schlecht geht? Nein, weil ihr kein Geld für den Tempel übrig habt, weil ihr nur noch an euch und nicht mehr an Gott denkt, deshalb geht es euch wirtschaftlich so schlecht.
So ist das nämlich nach der biblischen Logik. Die sagt nämlich, dass letztlich der erhält, der gibt. Gib und du wirst haben!
Diese Logik können Sie in alle Bereiche des Lebens übersetzen bis in die Gegenwart hinein. Und sie wird immer aufs Neue paradox klingen und unsere gewohnten Verhaltensmuster auf den Kopf stellen. Nur ein Beispiel dafür:
So wie die Menschen zur Zeit des Tempelbaus kein Geld und die Witwe zur Zeit des Propheten Elija kein Essen hatte, so haben die Menschen heute kaum noch Zeit. Und wo spart man dann die Zeit, die man nicht hat? An den Menschen und an Gott. Da ist dann alles wichtiger, als die Zeit für die Familie und die Zeit für das Gebet, die Besinnung und den Gottesdienst.
Und was würde die Bibel darauf antworten? Gib die Zeit dem anderen, plane als erstes die Zeit für die Ruhe ein, unternimm etwas mit den Kindern und streiche nicht am Gottesdienst. Mache genau das Gegenteil von dem, was dir logisch erscheint, und du wirst Zeit finden, wo du sie nie gesucht hättest und am Ende wird dir deine Gesundheit Jahre deines Lebens schenken.
Eine Logik, die in den seltensten Fällen die unsere ist. Aber es ist eine Weisheit, die etwas für sich hat.
Eile mit Weile. Wer langsam macht, kommt schneller ans Ziel. Wer Gastfreundschaft übt, wer dem anderen schenkt, wer in den Nächsten investiert, bekommt 'zig-fach zurück. Wer nicht zuerst an sich denkt, wer Gott die Ehre erweist, dem wird alles andere dazugegeben. Und wer die Zeit, die er nicht hat, dem anderen und seinem Gott widmet, der gewinnt sie am Ende im Überfluss.
Kaum zu glauben, aber in vielen Fällen bewährt. Und immer wieder aufs Neue nicht nur bedenkenswert.
Das ist für mich die eigentliche Botschaft der heutigen Lesung - es ist die Logik der Bibel. Wer langsam macht kommt schneller zum Ziel. Wer wegschenkt, der empfängt. Kaum zu glauben. Und dennoch ist es so.
Amen.
(gehalten am 11./12. November 2006 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)