Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr B (Mk 1,21-28)

In Kafarnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre, denn er lehrte sie wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen. um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei Da erschraken alle, und einer fragte den andern: Was hat das zu bedeuten? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet. Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa. (Mk 1,21-28)

Was ist eigentlich ein "unreiner Geist"? Immer wieder kommt so etwas im Evangelium ja vor. Auch in dem Text, den wir eben gehört haben, war die Rede von einem Mann, der von einem "unreinen Geist" besessen war. Was aber ist so ein "unreiner Geist"?

Liebe Schwestern und Brüder,

Ich weiß es nicht! Und die Exegeten tun sich auch unheimlich schwer, diese Geister und Dämonen, von denen das Evangelium immer wieder handelt, näher zu bestimmen. Nur eines scheint sicher zu sein: Sie machen krank!

Vielleicht hat man sich mit unreinen Geistern, mit Dämonen, mit dem Phänomen der Besessenheit, ganz einfach das Entstehen der verschiedensten Krankheiten erklärt - Krankheiten, die den Menschen ganz in Besitz nahmen, als wäre er von Geistern, von Dämonen besessen. Deshalb hören wir auch von so vielen Dämonenaustreibungen, denn bei bestimmten Krankheiten, konnte man dem Menschen - so zumindest stellte man es sich wohl vor -, nur helfen, indem man diesen Dämon, von dem er besessen war, wieder vertrieb.

Sie werden mir verzeihen, wenn mir, bei solchen Evangelienstellen - gerade in diesen Tagen - ganz eigene Assoziationen kommen. Von Dämonenaustreibung wird augenblicklich ja unter ganz eigenen Vorzeichen immer wieder gesprochen. Nicht nur in der Presse wird schließlich der irakische Staatspräsident und sein Regime mit solch einem Dämon verglichen. Und er hat ja auch etwas dämonisches, dieser Diktator, der keinerlei Scheu hat, über Leichen zu gehen.

Ich denke schon, dass es Not tut, solchen Menschen das Handwerk zu legen. Ich denke, dass es richtig ist, alles daran zu setzen, solch einen Dämon zu vertreiben, ihn gleichsam auszutreiben.

Wir haben in unseren eigenen Geschichte erlebt, auf eine Art, dass man es leidvoller kaum erfahren kann, wie solch ein Krebsgeschwür in einem Volk zu wuchern vermag und letztlich den ganzen Organismus befällt, so dass es nur Heilung geben kann, wenn solch ein Geschwür vollkommen und ohne dass etwas davon übrig bleibt, herausoperiert wird.

Bei all solchen Erkrankungen ist Früherkennung das Allerwichtigste. Im Frühstadium lassen sich solche Geschwüre am einfachsten entfernen. Da irritiert mich etwas an der gegenwärtigen politischen Situation, dass mir ausgerechnet diejenigen sagen, dass eine radikale Lösung die einzig möglich wäre - ausgerechnet diejenigen, die jahrelang nicht nur zugeschaut haben, sondern eigentlich auch dafür verantwortlich sind, dass sich dieses Geschwür einnisten und zu dieser Größe anwachsen konnte.

Und es irritiert mich noch viel mehr, dass im Blick auf eine Heilung der eigentliche Patient offenbar am allerwenigsten interessiert. Der Patient, den wir heute vor uns haben, die Menschen im Irak, die dieses Unrechtsregime schon seit langem ertragen müssen, denen es durch einen fremden Geheimdienst ja erst aufgezwungen wurde, diese Menschen scheinen überhaupt nicht im Blick zu sein. Geht es denn wirklich um den Irak, um Demokratie oder Menschlichkeit?

Ich sehe viele Interessen, auch viele berechtigte Interessen, aber es sind alles lediglich eigene Interessen. Und darf man die auf dem Rücken anderen Menschen austragen, auf dem Rücken Unschuldiger?

Wenn man mit Opfern unter der Zivilbevölkerung - und das in Millionenhöhe - rechnet, dann ist das kein chirurgischer Eingriff mehr, dann ist das eine Operation, die von vorneherein mit dem Tod des Patienten rechnet. Operationen aber, die mit einer Leiche enden, sind schlechte Operationen.

Am Ende eines Krieges im Irak, wird der Diktator vielleicht entmachtet sein, ob er dabei persönlichen Schaden nimmt, darf man erst einmal bezweifeln.

Tot werden andere sein.

Das kann nie und nimmer mit Religion gerechtfertigt werden, und mit der christlichen schon gar nicht. Krieg ist keine Möglichkeit. Er ist immer eine Unmöglichkeit, wenn von Möglichkeiten schon gar nicht mehr gesprochen werden kann.

Dämonen gilt es auszutreiben, das hat auch Jesus getan. Aber Jesus hatte immer den Menschen im Blick, den, der von dieser Krankheit besessen war, ihn wollte er heilen. Ja, auch Christus hat Dämonen ausgetrieben, aber er hat die Dämonen ausgetrieben und nicht die Patienten getötet.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 1./2. Februar 2003 in der Paulus- und Antoniuskirche, Bruchsal)