Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Hinführung
1. Warum Einleitung ins Neue Testament
Das Alte Testament erscheint vielen Christen als ein Buch mit sieben Siegeln. Die Berichte, Erzählungen und Geschichten scheinen verworren, die Ausdrucksweise und Sprache so fremd, dass man von vorneherein einsieht, dass dieses Buch so etwas wie eine Einführung, eine Erklärung, eine Verstehens-Hilfe braucht. Anders scheinen die vielen rätselhaften Schilderungen kaum verständlich zu sein.
Beim Neuen Testament sieht das anders aus. Da glaubt man schließlich zu wissen, um was es geht. Die Berichte der Evangelien sind immer noch allgemein bekannt und viele Gleichnisse gehören zur Allgemeinbildung. Und aus der Schule und - nicht zu vergessen - von den Festen des Jahreskreises her, glaubt man ganz gut über den zweiten Teil der Bibel informiert zu sein.
Ich wage zu behaupten, dass dem nicht so ist.
Wenn man ein klein wenig, die Diskussionen der Gegenwart verfolgt, dann wird sehr deutlich, dass allem Anschein nach auch das Neue Testament ein vielschichtiges Werk ist. Es bedarf auch zum Verständnis dieser Schriften einiger Vorkenntnisse und Informationen.
- So ist es etwa wichtig zu wissen, in welcher Situation jemand einen Brief geschrieben hat, um erfassen zu können, was der Inhalt dieses Briefes sagen will.
- Hinzu kommt, dass viele der neutestamentlichen Briefe ursprünglich kaum so ausgesehen haben können, wie sie uns heute vorliegen. Wie etwa soll man sich erklären, dass Paulus in einem seiner Briefe schreibt, dass es vollkommen egal sei, ob man jetzt Götzenopferfleisch isst oder nicht, obschon er nur wenige Zeilen zuvor in genau demselben Brief geschrieben hat, dass er in Ewigkeit kein Götzenopferfleich essen möchte, wenn jemand Anstoß daran nehmen sollte. Solche Unstimmigkeiten werfen zumindest die Frage auf, ob hier nicht vielleicht Spuren späterer Bearbeitungen der Briefe vorliegen.
Wadi al Hamam - Das sogenannte Taubental,
der kürzeste Weg von Nazareth zum See.
© Katholisches Bibelwerk Linz, Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz
Dies sind bereits Fragen, die darauf hinweisen, dass zumindest die Briefe des Neuen Testamentes keine glatten Dokumente sind. Um sie wirklich annähernd verstehen zu können, muss man sie eingehender betrachten.
Aber nicht nur die Briefliteratur im Neuen Testament wirft eine Fülle von Fragen auf. Auch die Evangelien, die für jedermann doch so klar zu sein scheinen, stellen uns vor eine große Zahl von Problemen. Probleme, die einer Klärung bedürfen, wenn man wirklich verstehen möchte, was diese Literaturgattung tatsächlich will.
Denn eines will sie mit Sicherheit nicht: Wir haben es bei den Texten des Neuen Testamentes nicht einfach mit Geschichtsschreibung zu tun. Die Deutung der Texte als Geschichtsbücher ist eine der Wurzeln vielfältiger Irrtümer der Vergangenheit.
Viel zu häufig wurden diese Schriften ja einfach als protokollarische Berichte über historische Ereignisse missverstanden. Was aber machen wir dann mit der Fülle von abweichenden Darstellungen, die uns zum Beispiel schon die einzelnen Evangelien bieten? Wollten diese Texte einfach - wie ein Zeitungsbericht - festhalten, was damals geschehen ist, dann würden sie sich selbst disqualifizieren.
Aber was wollen diese Schriften dann?
2. Was will diese Einführung?
Genau dieser Frage möchte ich in dieser Einführung nachgehen.
Dabei ist es verständlicherweise nicht möglich, alle Probleme und Fragestellungen des Neuen Testamentes im einzelnen zu erörtern. Ich möchte vielmehr in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit Hilfestellungen geben, selbständig mit den Texten des Neuen Testamentes umgehen zu können. Dazu erscheint es mir notwendig, einige Bereiche zumindest anzureißen.
- Zunächst einmal denke ich, dass es von Nöten sein wird zu fragen: "Was hat sich denn damals historisch ereignet?" Wir müssen uns die geschichtliche Situation, die Umwelt und die Zeit, in die der Stoff und die Abfassung des Neuen Testamentes hineingehören, vor Augen führen.
- Die nächste Fragestellung scheint mir zu sein, wie die Ereignisse von damals dann überliefert worden sind. Es geht um die Frage des Überlieferungsgutes. Was geschah mit den Berichten und Erzählungen über das, was damals geschehen ist, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man begonnen hat, etwas aufzuschreiben?
- Und dann kommt natürlich die Frage der Verschriftung selbst. Was hat man geschrieben und welche Absicht verfolgte man damit? Gerade diese Frage scheint mir für das Verständnis der Texte äußerst wichtig zu sein.
Abschließend wird dann zu fragen sein, weshalb und auf welche Weise einzelne Schriften dann zum uns bekannten Kanon des Neuen Testamentes zusammengefügt wurden. Warum waren es ausgerechnet diese Bücher und was unterscheidet sie nun von anderen Schriften der damaligen Zeit.