Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Bemerkungen zur Inspirationslehre ⋅1⋅

Bevor ich abschließend noch einen kurzen Blick auf die biblische Hermeneutik werfen, seien hier noch einige Bemerkungen zur sogenannten Inspirationslehre angefügt. Ich habe ja bereits verschiedentlich den Begriff der Inspiration genannt. Bei diesem Begriff ist es nun ganz wichtig, dass man ihn nicht zu eng fasst und dadurch in ein ganz falsches Fahrwasser gerät.

Ein ganz schlimmer Auswuchs der Lehre von der Inspiration, d. h. der Lehre von der Mitwirkung Gottes an der Abfassung der Heiligen Schriften, war nämlich die Vorstellung von der Verbalinspiration. Sie ging davon aus, dass jedes einzelne Wort der Schrift von Gott so und nicht anders diktiert worden war. Vor allem im protestantischen Bereich war die Lehre von der Verbalinspiration der Schrift verbreitet.

Aber bereits bei den Kirchenvätern fanden sich Ansätze zu einer solchen Interpretation des Inspirationsbegriffs. Athanagoras prägte etwa das Bild von der Flöte und dem Flötenspieler. Der kirchliche Schriftsteller war demnach lediglich die Flöte, das Instrument, auf dem Gott als Flötenspieler ganz nach Belieben spielen konnte.

Doch bereits bei Thomas von Aquin finden sich Ansätze, sich von einer solchen in die Enge führenden Interpretation abzulösen. Der Aquinate verwendete das Bild von der "causa prima" für Gott und der "causa secunda" für den Menschen. Die Entstehung der Schrift muss nach ihm demnach auf einen menschlichen und einen göttlichen Grund zurückgeführt werden.

Das erste vatikanische Konzil betonte seinerseits, dass Gott gemeinsam mit dem Schriftsteller "auctor", "Urheber", der Schriften seien. Beide seien gemeinsam an der Entstehung des Textes beteiligt gewesen.

Das zweite vatikanische Konzil formulierte dann in "Dei Verbum", III, 3, 11, dass die Schriften unter dem Anhauch des Heiligen Geistes geschrieben worden seien. Weiterhin sagt das Konzil, dass die Texte ohne Irrtum sind, was ihre Beziehung zum Heilswillen Gottes betrifft. Das heißt also, dass geschichtliche Dinge durchaus falsch sein können. Die Inspiration meint also eine ontologische Qualität der Schrift.

Das kirchliche Lehramt steht bei all dem nicht über, sondern vielmehr unter der Schrift und ihrer Qualität; die Schrift ist als inspirierte Schrift normativ für die Kirche. Sie trägt den Charakter der Normierung, weil sie ihre Autorität von Gott im Geist Jesu Christi hat. Dies ist letztlich die eigentliche Aussage der Lehre von der Inspiration.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Wo nicht anders vermerkt folge ich meinem Lehrer Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament II - nicht autorisierte Vorlesungsmitschrift des WS 1980/81 (Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br.). Zur Anmerkung Button