Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Verfasser, Abfassungzeit, Abfassungsort und Geschichtswert des Matthäus-Evangeliums ⋅1⋅

Fragen wir nach diesem Blick auf die Theologie des Matthäus-Evangeliums abschließend nach der Abfassungszeit, dem Entstehungsort und nicht zuletzt dem Verfasser des Evangeliums.

1. Der Ort und das Umfeld der Abfassung

Bei der Durchsicht des Textes fällt bereits auf, dass

  • jüdische Gebräuche im Matthäus-Evangelium nicht erläutert werden.
  • Hebräische Ausdrücke werden nicht ersetzt.
  • Die unbedingte Gültigkeit des Gesetzes wird immer wieder betont.
  • Auch die rabbinische kasuistische Diskussion wird dargestellt.
  • Und darüber hinaus wird die jüdische Formelsprache benutzt. Matthäus spricht von ἡ βασιλεία τῶν οὐρανῶν ["hæ basileía ton ouranon"], also von der Herrschaft der Himmel, nicht von ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ ["hæ basileía tou theou"], von der Herrschaft Gottes. Er verwendet also die Ausdrücke so, wie sie im jüdischen Umfeld üblich waren.
Die Chephren-Pyramide bei Gizeh.

Die Chephren-Pyramide bei Gizeh.

Foto-Button© Katholisches Bibelwerk Linz,
Kapuzinerstr. 84, A-4020 Linz

Daraus kann man folgern, dass der Verfasser mit großer Wahrscheinlichkeit ein Judenchrist war.

Er war darüber hinaus mit Sicherheit in griechisch sprechender Umgebung zu Hause und hat für griechisch sprechende Christen geschrieben. Christen aber, die wohl mehrheitlich jüdischer Herkunft waren.

Solch eine Situation ist aber in Palästina nur sehr schwer vorstellbar. Der Verfasser und seine Gemeinde dürften daher in der jüdischen Diaspora zu suchen sein.

Manche Exegeten wollten aus der Darstellung der Flucht nach Ägypten (Mt 2,13ff), die ja nur das Matthäus-Evangelium schildert, bereits auf eine Abfassung des Textes in Alexandrien schließen. Sie vermuteten, dass diese Begebenheit, die ja in Ägypten spielt, dort als Traditionsgut überliefert wurde und dem Matthäus bekannt geworden sei. Diese Theorie hat aber nicht viele Anhänger gefunden.

Die meisten Forscher vermuten heute, dass der Text in Antiochia oder allgemein in Syrien abgefasst worden sei. Eine wichtige Stütze dieser Theorie ist der Umstand, dass der erste Kirchenvater, der den Text des Matthäus-Evangeliums zitiert und damit deutlich macht, dass er ihn auch kennt, Ignatius von Antiochien ist. Die Existenz des Matthäus-Evangelium ist also erstmals im syrischen Raum belegt.

2. Die Zeit der Abfassung

Damit haben wir aber auch schon einen Zeitpunkt, vor dem das Evangelium sicher fertiggestellt gewesen sein muss. Da Ignatius von Antiochien das Evangelium bereits kannte und verwendete, kann eine Abfassung nach 100 n. Chr. nicht mehr in Frage kommen.

Im Gleichnis vom Hochzeitsmahl, in Mt 22,7, wird aber darauf angespielt, dass Jerusalem zerstört worden ist. Demnach kann das Evangelium vor 70 n. Chr. auch noch nicht geschrieben worden sein. Zumal es auf dem Markus-Text aufbaut, den wir ja in dieser Zeit angesetzt haben.

So scheint für die Abfassung der Zeitraum zwischen 80 und 100 n. Chr. am Wahrscheinlichsten zu sein.

3. Der Name des Matthäus

Papias nennt den Verfasser, wie Eusebius überliefert, nun "Matthaios". Und damit identifiziert er ihn als denjenigen, der bei den Zwölfen dabei war. Die Überlieferungen sind hier aber sehr widersprüchlich. Auch scheint eine Identifizierung des Verfassers mit einem aus dem Zwölferkreis angesichts der Entstehungszeit des Evangeliums kaum möglich zu sein.

Vielleicht wurde die Matthäus-Tradition durch den Umstand in Gang gebracht, dass der Zöllnername Levi aus dem Markus-Evangelium im Matthäus-Zusammenhang in Matthäus umgeändert worden ist.

Genaues lässt sich über diese Zusammenhänge heute aber nicht mehr ermitteln. Wir bleiben wohl am besten dabei und nennen den Verfasser ganz einfach Matthäus, wohl wissend, dass wir damit über die Person an sich kaum etwas aussagen können.

4. Der Geschichtswert des Matthäus-Evangeliums

Wenn wir in dieser Frage auch nicht weiterkommen, so darf der Geschichtswert des Buches gerade im Blick auf das Urchristentum nicht unterschätzt werden. Wir erhalten im Matthäus-Evangelium reichliche Informationen über die griechische Umgebung des Verfassers und die brennenden theologischen Fragestellungen seiner Zeit. So können wir wichtige Rückschlüsse auf die Christengeneration zwischen 80 und 100 n. Chr. ziehen.

Im Blick auf Jesus darf der Geschichtswert allerdings nicht überschätzt werden. Matthäus will keine historische Wahrheit darstellen. Er schreibt vielmehr ein Gemeindebuch aus heilsgeschichtlicher Perspektive.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Wo nicht anders angegeben folge ich meinem Lehrer Prof. Dr. Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament - I: "Von Jesus zu den Evangelien", Vorlesungsmitschrift Sommersemester 1980. Zur Anmerkung Button