Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Das Leben und die Mission der Urgemeinde ⋅1⋅
- 1. Der Initiationsritus
- 2. Ungeteilte Verfügbarkeit
- 3. Der Gottesdienst
- 4. Die Verbreitung des Christentums - Die Mission
- 5. Die Verfolgungen
- 6. Bewusste Ausbildung einer Jesusüberlieferung
Das erste, was uns beim Blick auf das Urchristentum auffallen muss, ist die beinahe unglaubliche Geschwindigkeit, mit der sich diese Bewegung ausbreitete. Die ersten Gemeinden hatten augenscheinlich einen ungeheuren Missionseifer entwickelt. Eine stetig wachsende Zahl von Menschen empfing die Taufe.
1. Der Initiationsritus
Diesen Initiationsritus der Taufe hat die frühe christliche Gemeinde offenbar schon recht bald geschaffen. Er war das erste Unterscheidungszeichen gegenüber dem Judentum (Apg 2,37-42). In der Taufe auf den Namen Jesu zur Vergebung der Sünden wurde man Christ.
Dies dürfte wohl auch die erste Taufformel gewesen sein. Man wurde getauft auf den Namen Jesu zur Vergebung der Sünden. Die trinitarische Taufformel, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, die uns in Mt 28 überliefert wird, ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die ursprüngliche.
Getauft wurde man sicher zunächst auf den Namen Jesu. Dies ist auch einleuchtend. In der Taufe ging es ja vor allem um die Anerkennung Jesu (Röm 10) und dessen Sühnetod, und mittelbar damit auch um das Bekenntnis zum Glauben an die Auferstehung.
Die Urgemeinde konnte dabei auf den Ritus Johannes des Täufers zurückgreifen. Ein Unterschied zu seinem Taufakt ist allerdings, dass die Vergebung von Schuld nun allein an den Sühnetod Jesu gebunden wurde.
Dieser die Schuld der Menschen sühnende Tod Jesu ist nun für die ersten Christen der einzige Mittler für die Vergebung der Sünden. Die klassischen Sühneopfer im Tempel können diese Vergebung nicht mehr erwirken. Daher ist Vergebung auch nur noch im Anschluss an die christliche Gemeinde zu erwirken, die ja allein den Sühnetod Jesu bekennt.
2. Ungeteilte Verfügbarkeit
Natürlich sind die Darstellungen über das Leben in der Urgemeinde, wie sie uns etwa Apg 2,43-47 darbietet, geschönt und idealisiert. Ein Herz und eine Seele waren die Christen zu keiner Zeit.
Man darf andererseits aber auch nicht vorschnell ins Gegenteil verfallen. Die Mitglieder der Urgemeinde sind zu einem guten Teil von Galiläa nach Jerusalem übergesiedelt. Dabei mussten sie dort ihr Hab und Gut aufgeben und konnten nur innerhalb der Gemeinde eine neue Existenzgrundlage finden.
Von daher muss man durchaus von einer Radikalität der Entscheidung sprechen und auch von einer ungeheuren Bindung aneinander. Es ist demnach ohne weiteres davon auszugehen, dass die Gemeindemitglieder in annähernd vorbehaltloser Gemeinschaft allen alles zur Verfügung gestellt haben. Sicher muss man hier auch einen theologischen Aspekt berücksichtigen. Auf dem Hintergrund der Naherwartung, der Vorstellung, dass die Herrschaft Gottes jederzeit hereinbrechen könnte, spielte die Losgelöstheit vom irdischen Besitz eine nicht zu unterschätzende Rolle.
3. Der Gottesdienst
Zum Beten ging man in der ersten Zeit auffallenderweise weiterhin zum Tempel. Auch Jesus hatte schließlich im Tempel gebet. Nur an den Sühneriten nahmen die Mitglieder der christlichen Gemeinde nicht mehr teil.
Daneben traf man sich von Anfang an zu den Abendmahlfeiern und zwar κατ' οἶκον ["kat' oikon"], von Haus zu Haus (Apg 2,46). Diese Feiern standen ganz im Zeichen der Naherwartung und eines gleichsam eschatologischen Jubels.
4. Die Verbreitung des Christentums - Die Mission
Letztlich ist genau diese Naherwartung auch die Triebfeder für die urchristliche Mission. Die Zeit drängt. Und vor dem Ende sollte Israel und dann darüber hinaus auch die Heiden noch einmal eindringlich zur Umkehr gerufen werden.
Öffentliche Predigten, vor allem an den großen Festen, waren das wichtigste Mittel der Mission. Hier taten sich Petrus und die übrigen Jünger, die Augenzeugen des Wirkens Jesu gewesen waren, sicher ganz besonders hervor.
Wichtig für die Ausbreitung des Christentums war, dass durch die Predigt in Jerusalem nicht nur die Einwohner der Stadt erreicht wurden. Vor allem bei den Wallfahrtsfesten wurde Jerusalem von Menschen aus aller Welt bevölkert. Auch sie wurden selbstverständlich Zeugen der Missionspredigten.
Heimkehrende Pilger brachten nun aber die Botschaft von Jesus Christus mit in ihre Heimat. Durch solch eine Spontanmission kam es bereits in frühester Zeit zu Gemeindebildungen bis hin nach Damaskus.
Diese Spontanmission dürfte insgesamt auch den größten Anteil an der urchristlichen Mission haben. Jerusalempilger, die dort zum Auferstehungsglauben bekehrt wurden, haben schließlich als "anonyme Missionare" den neuen Glauben im ganzen römischen Reich verbreitet.
Wir dürfen die Bedeutung dieser Art von Mission nicht unterschätzen. Wenn Sueton von Unruhen in Rom wegen eines Streites um einen Chrestos berichtet, dann sind hier die Auswirkungen solcher anonymer Missionare zu spüren. Jener Streit in Rom fand lange zuvor statt, bevor Petrus oder Paulus dort hinkamen.
Und wo auch immer Paulus später hinkam, fand er bereits etwas vor. Durch die starke Fluktuation im jüdischen Diasporagebiet war das Christentum in rudimentärer Form bereits da.
Diese spontane, ungelenkte Mission machte aber eine Vertiefung und an vielen Orten auch eine Korrektur der Christusbotschaft notwendig. So folgte auf die Spontanmission - gleichsam als zweiter Vorgang, der sammelte und ordnete, aber auch aussonderte -, die apostolische Mission. Sie ist gewissermaßen die Flurbereinigung der Apostel.
5. Die Verfolgungen
Sicher muss im Zusammenhang gerade mit der Predigttätigkeit der Apostel in Jerusalem auch mit Spannungen zwischen jüdischen Kreisen und den Anhängern des Gekreuzigten gerechnet werden. Solche Auseinandersetzungen gab es sicherlich von Anfang an.
Von daher ist das Zeugnis der Apostelgeschichte durchaus glaubwürdig, wenn sie davon spricht, dass die Apostel von Beginn an durch den Hohen Rat und insbesondere die Sadduzäer verfolgt worden seien (Apg 4 / 5). Es wirft im übrigen ein interessantes Licht auf den Erfolg dieser Tätigkeit der Apostel, wenn beschrieben wird, dass die Anhängerschaft der Christen damals bereits so groß gewesen sei, dass wirklich durchgreifende Maßnahmen der jüdischen Obrigkeit unmöglich waren.
6. Bewusste Ausbildung einer Jesusüberlieferung
Diese apostolische Missionspredigt wurde recht bald von einer literarischen Produktion unterstützt. Schon in den ersten Jahren kommt es zu einer bewussten Ausbildung einer schriftlich fixierten Jesusüberlieferung im Dienst der Katechese und der Verkündigung.
Wir haben ja bei der Behandlung der Quellen der kanonischen Evangelienschriften bereits gesehen, dass schon sehr früh an eine Abfassung des ersten Passionsberichtes zu denken ist. Rudolf Pesch rechnet damit ja schon in den ersten fünf Jahren nach Ostern.
Ebenfalls für die Mission wurden dann Herrenworte gesammelt und beispielsweise in der Logienquelle zusammengestellt.
Die damit einsetzende theologische Reflexion diente aber nicht nur der Gewinnung von neuen Gläubigen. Sie war auch eine Notwendigkeit ganz besonderer Art für die ersten Christen. Es galt schließlich den Glauben und die neuen Verhaltensweisen vor der Umwelt zu rechtfertigen.
In diesen ersten Jahren wurden dabei Maßstäbe des Glaubens erarbeitet, die letztlich auch für die Gemeinden außerhalb Jerusalems und deren weitere Geschichte grundlegend geworden sind.
Anmerkung