Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die Ausbreitung des Christentums im 1. Jahrhundert ⋅1⋅
- 1. Schriftliche Zeugnisse über das Vorhandensein christlicher Gemeinden
- 2. Wachsendes Interesse des römischen Staates
Damit sind wir aber bereits bei der Frage nach der weiteren Entwicklung des Christentums angelangt. Nehmen wir dazu die zeitgeschichtlichen Zeugnisse über die Ausbreitung des Christentums ein wenig unter die Lupe.
1. Schriftliche Zeugnisse über das Vorhandensein christlicher Gemeinden
Die Reisen des Paulus.
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Im Neuen Testament finden wir hauptsächlich Briefe, die Paulus und seinen Schülern zugeschrieben werden. Es könnte daher der Eindruck entstehen, als habe es fast nur paulinische Gemeinden gegeben.
Dieser Eindruck ist aber falsch, denn es sind nicht die Gemeinden des Paulus in Europa sondern die Gemeinden im Osten, die das Hauptkontingent bilden. Das Christentum ist in der Anfangszeit eine Erscheinung, die vor allem in Palästina, in Ägypten, Syrien und dann in Kleinasien anzutreffen ist.
Aus den Spätschriften des Neuen Testamentes, die gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfasst wurden, lässt sich dann entnehmen, wie stark das Christentum zur damaligen Zeit schon verbreitet war. Wir finden Gemeinden in
- Rom,
- in Kleinasien,
- Dalmatien
- und in Griechenland mit Kreta.
Genaue Informationen über Zahl und Größe dieser Gemeinschaften haben wir aber nicht. Die Zahl der Städte, die in den neutestamentlichen und nicht neutestamentlichen Schriften aus der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts und aus dem beginnenden 2. Jahrhundert genannt werden, ist aber allein schon beeindruckend. In folgenden Städten sind durch diese Schriften christliche Gemeinden belegt:
(in den 90er Jahren geschrieben)
2. Wachsendes Interesse des römischen Staates
Die Ausbreitung des Christentums spiegelt sich auch im wachsenden Interesse des römischen Staates an den Christen wider.
Nero lässt bereits Christen hinrichten, um den Verdacht, Rom angezündet zu haben, von sich abzuwälzen. Wenn so etwas möglich war, dann mussten die Christen zur damaligen Zeit schon eine bekannte und auch aufsehenerregende Gruppe gewesen sein.
Domitian verfolgt, wenn auch nicht systematisch, die Christen, weil sie seinen besonders in den letzten Regierungsjahren gesteigerten Anspruch auf göttliche Verehrung nicht ernst nahmen. Domitian wollte als "dominus noster et deus", "unser Herr und Gott", verehrt werden. So wurde in Kleinasien, in Ephesus, durch Ausgrabungen ein Domitian-Tempel und eine zerstörte Kolossalstatue zutage gefördert.
Dieser Anspruch des Kaisers war für Christen natürlich untragbar. Nicht zuletzt die neutestamentliche Apokalypse polemisiert gegen die Manifestation und Anmaßung der Göttlichkeit des römischen Kaisers in Kleinasien. Domitian lässt diejenigen, die ihm die Verehrung verweigern, daraufhin verfolgen. Eine Verfolgung von der wir etwa durch den 1. Clemensbrief unterrichtet sind.
Auch Plinius spricht in seinem Briefwechsel mit Kaiser Trajan (109 / 112 n. Chr.) von den Repressalien unter Domitian. In diesen Briefen erwähnt er nämlich Christen, die vor drei, vor mehreren und einige, die schon vor zwanzig Jahren auf staatlichen Druck hin ihr Bekenntnis aufgegeben hätten. Letztere wären also um 92 n. Chr. von ihrem Glauben abgefallen. Dies verweist uns in die Zeit des Kaiser Domitian und liefert den geschichtlichen Hintergrund für die Polemik der neutestamentlichen Apokalypse.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Dio Cassius, dass selbst vornehme Römer von Domitian hingerichtet oder verbannt wurden, weil sie sich zu jüdischen Bräuchen verirrt hätten. Also auch hier ein Beleg dafür, dass das Christentum auch unter der vornehmen Bevölkerung Anklang fand.
Zu diesen Christen gehörten selbst Domitians Vetter Flavius Clemens und seine Frau Domitilla. Nach ihr ist wohl eine der ältesten Katakomben, das "cemeterium domitillae" benannt.
Einer weiteren Verfolgungswelle fiel Ignatius von Antiochien um das Jahr 110 n. Chr. zum Opfer. Syrien wurde von diesen Ereignissen anscheinend voll erfasst. Bis Kleinasien scheint diese Welle der Verfolgung aber nicht gereicht zu haben.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir zu dieser Zeit nicht von ausgesprochenen Christenverfolgungen sprechen können. Es handelte sich hier viel eher um eine ständige Gefährdung der Christen. Dort, wo die göttliche Verehrung des Kaisers gesteigert wurde, wurde auch deren Verweigerung unter verschärfte Strafen gestellt. Dies wechselte nach Zeit und Ort.
Möglicherweise stellte da und dort auch Eifersucht einzelner jüdischer Kreise über Missionserfolge der Christen, besonders unter den Gottesfürchtigen, ein frühes Movens dar, um Christen zu denunzieren und bei den römischen Behörden anzuzeigen.
Plinius berichtet dann zu Beginn des 2. Jahrhunderts davon, dass sich die Christen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem - von jeher traditionelleren und konservativeren - flachen Land ausgebreitet hätten. Auch schreibt er, dass Angehörige jeglichen Alters und Standes unter ihnen zu finden seien.
Damit hat sich die Kirche zu dieser Zeit also schon weit über die von Paulus missionierten Städte hinaus ausgebreitet.
Anmerkung