Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Die drei Johannesbriefe ⋅1⋅
- 1. Allgemeines zu den drei Briefen
- 2. Der erste Johannesbrief
- 3. Der zweite und dritte Johannesbrief
- 4. Zur Theologie der Johannesbriefe
Damit kommen wir zu den letzten drei Schreiben der neutestamentlichen Briefliteratur, die wir hier zu betrachten haben. Wir blicken auf die drei johanneischen Briefe.
1. Allgemeines zu den drei Briefen
Man muss diese Dokumente zusammen betrachten. Ganz auffällig ist die starke Verwandtschaft der drei Schreiben untereinander und vor allem mit dem Johannes-Evangelium. Deshalb werden alle drei - ohne dass sie selbst einen Verfasser nennen - auch Johannesbriefe genannt. Sicher sind die Kreise um den Verfasser des Johannes-Evangeliums für die Redaktion und Abfassung der drei Briefe verantwortlich.
Auch mit ihrer Abfassung muss um die Jahrhundertwende vom 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. gerechnet werden.
Eigentliche Intention ist wieder die Warnung vor einer Irrlehre, vermutlich die Gnosis der Jahrhundertwende. Die bedeutende Autorität der Apostel wird gegen diese Irrlehre ins Feld geführt.
Schauen wir uns die drei Briefe daraufhin im einzelnen kurz an:
2. Der erste Johannesbrief
Der erste Brief ist eigentlich mehr ein Traktat als ein Brief (vgl. 1,1-4). Er gliedert sich folgendermaßen: ⋅2⋅
Die Einführung liefert gleich den Basissatz für die theologische Intention des Schreibens, dass nämlich die Gemeinschaft mit dem Vater und Jesus Christus zugleich die Gemeinschaft der Glaubenden in der Gemeinde beinhaltet. Damit ist das Thema des ersten Johannesbriefes schon umschrieben. Es geht um die Gemeinschaft der Glaubenden in der Liebe, der ἀγάπη ["agápæ"].
Die ständigen Ermahnungen, die der Brief beinhaltet, behandeln von daher auch das Problem des brüderlichen bzw. geschwisterlichen Miteinanders. Dabei kommt der Brief zu dem Schluss, dass niemand Gott, den er nicht sehen kann, liebt, wenn er den Bruder, den er sieht, nicht liebt. Dies ist letztlich die Kernaussage des ersten Johannesbriefes.
3. Der zweite und dritte Johannesbrief
Der 2. und der 3. Brief sind äußerst kurz gehalten. Sie umfassen lediglich 13 bzw. 15 Verse.
Beide Schreiben tragen wieder Briefcharakter. Als Absender wird der Presbyter, was soviel bedeutet wie "der Alte", genannt.
Adressat des 2. Briefes ist die auserwählte Herrin, und demnach also die Gesamtheit der Kirche oder auch eine mit dieser eigenartigen Bezeichnung umschriebene spezielle Gemeinde. Beim 3. Brief wird ein Unbekannter mit Namen Gaius als Adressat genannt.
Der zweite Johannesbrief lässt sich nun folgendermaßen gliedern: ⋅3⋅
Der dritte Johannesbrief gliedert sich so: ⋅4⋅
Beide Briefe sind wieder recht abstrakt gehalten. Sie sind auf keine bestimmte Gemeinde und keine bestimmte Situation zugeschnitten. Darin ähneln sie dem ersten Johannesbrief.
4. Zur theologischen Intention der Johannesbriefe
In der Forschung vermutet man, dass es sich bei den drei johanneischen Schreiben um Texte handelt, die Schüler des Evangelisten im gesamten Gemeindebereich der Johannesschule kursieren ließen, um die Kommunikation mit den dortigen Christen aufrechtzuerhalten.
a. Irrlehrer innerhalb der Gemeinde
Bestimmte Probleme, eine konkrete Irrlehre, die in den dortigen Gemeinden offensichtlich aufgetreten ist, sollte bekämpft werden. Interessant ist, dass das eigentliche Problem zu sein scheint, dass die Irrlehrer sich innerhalb der Gemeinde befinden. Aufs schärfste geht der Verfasser der Schreiben gegen sie vor. Sie werden als Antichristen bezeichnet. Hierbei wird die konkrete Erfahrung greifbar, dass die Kirche am stärksten von innen bedroht wird und nicht von außen.
Eindeutig Stellung wird in den Johannesbriefen gegen die gnostische Verflüchtigung des Glaubens genommen. Wer nicht glaubt, dass Christus Fleisch geworden ist, ist ein Irrlehrer.
b. Einheit von Glaube und Liebe
Der erste Brief, der zugleich der umfangreichste und bedeutsamste ist, zeigt in seinen Ausführungen über die Einheit von Glaube und Liebe eine am Johannes-Evangelium geschulte Reflexion. Auffallend ist die ungemeine Konzentration der Gedanken.
c. Präsentische Eschatologie
Die Nähe zum Johannes-Evangelium zeigt sich unter anderem in 1 Joh 3,14. Auch hier wird eine präsentische Eschatologie vertreten. Die Taufe ist bereits der Schritt vom Tod zum Leben. Durch die Taufe leben wir bereits in der neuen Wirklichkeit Gottes. Zeichen dafür ist die Bruderliebe, die in der christlichen Gemeinde erfahrbar ist.
Damit ist die normale Eschatologie eigentlich auf den Kopf gestellt. Es geht nicht mehr so sehr um die Erwartung einer Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten. Das Eigentliche hat sich nach Auskunft des ersten Johannesbriefes bereits vollzogen.
Dies richtet sich eindeutig gegen die Gnostiker, die ja darauf warteten, aus dem elenden leiblichen Leben erlöst zu werden. Der wahre Christ hat hingegen - nach Auskunft der johanneischen Theologie - dieses erlöste Leben bereits. Er braucht nicht darauf warten, aus dieser Welt auszuziehen. Er lebt bereits in der neuen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit gilt es nun aber in der Gemeinschaftlichkeit der Gemeinde zu realisieren.
d. Nur Bruderliebe?
In diesem Zusammenhang kam es in letzter Zeit immer wieder gleichsam zu einer Denunziation der johanneischen Schreiben. Man warf den Briefen vor, sie würden die christliche Nächstenliebe allein auf die Bruderliebe, also auf die gegenseitige Liebe innerhalb der christlichen Gemeinde beschränken.
Das ist ein ungerechter Vorwurf. Der Mensch hat nicht die Möglichkeit und auch nicht die Chance einer allumfassenden Philanthropie. Liebe konkretisiert sich in der konkreten Gemeinde. Der Christ hat lediglich die Chance einer Realisierung der Liebe dort, wo er tatsächlich lebt. Dementsprechend ist die Liebe zu den Brüdern und Schwestern innerhalb der konkreten Gemeinde auch der erste Ort der Realisierung der christlich geforderten Liebe zum Nächsten. Wenn wir Christen diese Liebe in den christlichen Gemeinden wirklich realisieren würden, dann würde dies im Letzten absolut keine Beschränkung der Liebe bedeuten. Über die christliche Kirche und über die Gemeinschaft der Christen kämen dann ohne Zweifel auch die übrigen Menschen ins Heil.
Anmerkungen