Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Die Zeit vor der Berufung des Paulus in den Quellen ⋅1⋅

1. Herkunft

Apg 21,39 und Apg 22,3 weisen darauf hin, dass Paulus aus einer jüdischen Familie der hellenistischen Diaspora, aus Tarsus in Kilikien, stammte.

Er selbst spricht in Röm 11,2; 2 Kor 11,22 und Phil 3,4ff von seiner jüdischen Abstammung aus dem Stamm Benjamin.

2. Die Ausbildung

Lukas behauptet nun, dass Paulus recht früh nach Jerusalem gekommen sei und dort aufgewachsen wäre (Apg 26,4-5). Er habe dabei eine Ausbildung bei Rabbi Gamaliel I. durchlaufen (vgl. auch Apg 5,34).

Wenn wir die Briefe des Paulus anschauen, dann können wir tatsächlich feststellen, dass Paulus sich der exegetischen Methoden der damaligen Schriftgelehrten bedient. Die Darstellung des Lukas hat demnach durchaus etwas für sich. Auch meinen einige Exegeten aus den Darlegungen des Paulus darauf schließen zu können, dass seine theologischen Ansichten von der Schule des Hillel geprägt seien. Zu dieser Schule wird auch Gamaliel gezählt. So ist eine Abhängigkeit des Paulus von Gamaliel, wie sie uns die Apostelgeschichte glaubhaft machen möchte, nicht auszuschließen.

Dass Paulus aus der Diaspora stammt, ist im übrigen wichtig für seine Ausbildung. Die Schulung in Gesetz und Schriftgelehrsamkeit, wie sie bei den Juden üblich war, wurde in der Diaspora wie selbstverständlich durch eine gediegene Kenntnis des Hellenismus und der griechischen Kultur ergänzt.

Deutlichster Hinweise dafür ist der Stil der diatri.gif" align="top" title="der griechische Ausdruck für "Zeitvertreib"" width="68" height="18"> ["diatribæ"] - wörtlich übersetzt: "Zeitvertreib" - der Stil der populärphilosophischen Unterhaltung, wie er beispielsweise im ersten Kapitel des Römerbriefes hervortritt.

3. Das römische Bürgerrecht

Apg 22 und Apg 25 sprechen nun davon, dass Paulus das römische Bürgerrecht besaß. Da nirgendwo davon gesprochen wird, dass ihm dieses Bürgerrecht verliehen wurde, müssen wir wohl davon ausgehen, dass schon sein Vater römischer Bürger gewesen ist. Dies ist nicht unwahrscheinlich. Das römische Bürgerrecht war damals bereits weit verbreitet.

4. Die Namen Pauli

Dadurch ließen sich auch die beiden Namen des Paulus erklären.

Bei den Römern besteht der Name ja bekanntermaßen aus

  • dem Praenomen, dem Vornamen,
  • aus dem Nomen Gentilicium, also dem Sippennamen,
  • dann dem Cognomen, dem Beinamen,
  • und einem Supernomen oder auch Signum

Allgemein wird angenommen, dass "Paulus" Cognomen und "Saulus" Supernomen war. Saul ist ein mehr als geläufiger Name im damaligen Judentum. Als Name des ersten Königs Israels hatte er großes Ansehen und war weit verbreitet.

Ob nun Lukas in seinen Quellen verschiedene Namen vorgefunden hat und deswegen einmal von Paulus und einmal von Saulus spricht, oder ob er den in seinen Quellen noch zusammengesetzten Namen auseinandergenommen hat, das lässt sich heute kaum noch klären.

5. Paulus und die Pharisäer

Auch ist nicht mehr zu erheben, ob schon die Familie des Paulus zu den Pharisäern gehörte.

Paulus auf jeden Fall schloss sich dem Pharisäismus an. Er bringt dies Phil 3,5ff und Gal 1,13-14 selbst zum Ausdruck. Apg 23,6 unterstreicht diesen Umstand ebenfalls.

Nach eigener Aussage tat sich Paulus unter seinen Altersgenossen im Eifer um das Gesetz ganz besonders hervor.

Aus einer Äußerung im Galaterbrief glauben einige nun schließen zu können, dass Paulus schon als Pharisäer die Mission gepredigt habe. Er wäre dann bereits als Jude für das Judentum missionarisch tätig gewesen. Paulus sagt Gal 5,11:

"Was jedoch mich betrifft, Brüder: Wenn ich angeblich noch die Beschneidung predige, warum werde ich da noch verfolgt?" (Gal 5,11.)

Viel diskutiert wird nun, von dieser Stelle ausgehend, ob Paulus eben in seiner Zeit als Pharisäer die Beschneidung, also die jüdische Mission gepredigt habe. Dies würde einsichtig machen, warum er sich dann nach seiner Bekehrung zum Christentum erst recht eifrig und unermüdlich der Mission gewidmet hat.

6. Die Verfolgertätigkeit

Wenn auch diese Fragen nicht mehr zu klären sind, so ist die Verfolgertätigkeit des Paulus jedoch unbestritten und gut bezeugt. Er selbst erwähnt sie unter anderem 1 Kor 15,9; Gal 1,13; Gal 1,22-23 und Phil 3,5ff. Die Apostelgeschichte bezeugt die Verfolgung der Christen durch Paulus in Apg 8,3ff und Apg 9.

Keine Frage, dass dem Paulus als Pharisäer der strengsten Observanz die Predigt vom gekreuzigten Messias ein Skandal war.

Unklar ist wieder, ob Paulus nicht auch die judenchristliche Urgemeinde verfolgt hat. Man meint dies aus Gal 1,22-23 schließen zu können. Dort heißt es:

"Den Gemeinden Christi in Judäa aber blieb ich persönlich unbekannt, sie hörten nur: Er, der uns einst verfolgte, verkündigt jetzt den Glauben, den er früher vernichten wollte." (Gal 1,22-23.)

Lukas zeichnet in der Apostelgeschichte ein Bild, das den Paulus lediglich als Verfolger des hellenistischen Teils der Urgemeinde zeigt (Apg 8,3). Hier ist fraglich inwieweit die lukanische Darstellung zutrifft, oder Lukas den Paulus gleichsam schonen wollte, indem er ihn nur bei der Hellenistenvertreibung in Szene setzte.

7. Sein Handwerk und seine finanzielle Situation

Sicher ist wieder, dass Paulus auch darin der pharisäischen Tradition folgte, dass er neben der Ausbildung in der Schriftgelehrsamkeit ein Handwerk erlernte (Apg 18,3). Paulus war "Zeltmacher", ein Beruf, der etwa vergleichbar mit unserem "Sattler" ist.

Auf diese Art und Weise war es ihm möglich, jederzeit seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen, egal ob er als Schriftgelehrter Schüler fand, die ihn dann ja für seine Lehrertätigkeit zu bezahlen hatten, oder nicht.

Paulus weist später darauf hin, dass er seinen Gemeinden finanziell nie zur Last gefallen sei. Dies betont er vor allem im 1. Thessalonicher- und 1. Korintherbrief.

Er hat sich also stets seine finanzielle Freiheit und damit auch seine Unabhängigkeit bewahrt.

Allein von Philippi scheint er jemals eine Geldspende angenommen zu haben.

8. Seine Ehelosigkeit

Von den Pharisäern unterscheidet sich Paulus allerdings in einem wichtigen Punkt. Er blieb ehelos. Das war für das Judentum der damaligen Zeit gleichsam etwas Ungehöriges. Die Ehelosigkeit unterscheidet den Paulus dadurch ähnlich wie Johannes den Täufer oder auch Jesus von Nazaret vom Bild des Normaljuden.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkung

1 Wo nicht anders vermerkt folge ich meinem Lehrer Rudolf Pesch, Einführung in das Neue Testament II - nicht autorisierte Vorlesungsmitschrift des WS 1980/81 (Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br.). Zur Anmerkung Button