Die Bibel

Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...


Weiter-ButtonZurück-Button Zur Theologie der Apokalypse ⋅1⋅

Damit kommen wir abschließend zur Frage nach der Theologie der Apokalypse. Ich möchte hier versuchen in aller gebotenen Kürze einige Linien aufzuzeigen, die die theologische Intention des Werkes etwas erhellen mögen.

1. Der konkrete zeitgeschichtliche Hintergrund der Apokalypse

Die Schrift geht an Gemeinden, die in eine schwere Verfolgung und in harte Auseinandersetzungen mit der Umwelt geraten waren. Die Verfolgung hatte bereits blutige Opfer gefordert. So ist die Offenbarung des Johannes wohl - wie wir bereits oben vermutet haben - in Verbindung mit dem im Osten des Römischen Reiches sich ausbreitenden Kaiserkult unter Domitian zu sehen.

Die Bedrängnisse, die für die Christen entstanden waren, werden in der Apokalypse denn auch immer wieder angesprochen, teilweise sogar auf recht konkrete Art. So musste den Kultbildern des Kaisers offenbar öffentliche Verehrung geleistet werden. Die Schikanen der Behörden griffen in das alltägliche Leben des Kaufens und Verkaufens ein und bereiteten den Verweigerern der Kaiser-Verehrung bittere Not (Offb 13,15-17).

In dieser zeitgeschichtlichen Situation erhielt der Seher Johannes - wie die Offenbarung schildert - in einer Vision die Seelen derer zu schauen, die um des Wortes Gottes und des Zeugnisses willen, an dem sie festhielten, hingeschlachtet wurden. Sie befinden sich jetzt in der Nähe Gottes und rufen um Vergeltung (Offb 6,9-10; vgl. Offb 16,6; Offb 17,6; Offb 18,24).

Und in gleicher Weise wird dem Verfasser deutlich gemacht, dass in dieser schweren Zeit Geduld und Treue erforderlich sind (Offb 13,10).

So schreibt er an sieben kleinasiatische Gemeinden (Offb 2-3) und will mit seiner Schrift trösten und aufrütteln. Und er tut dies, indem er die Gegenwart auf das bevorstehende Ende hin durchleuchtet und das Gericht ankündigt, mit dem Christus seine Weltherrschaft antritt.

Dabei will die Apokalypse - im Gegensatz zu vergleichbaren Dokumenten - keine Geheimschrift für esoterische Kreise sein. Sie will weithin gehört werden (Offb 22,10. 15). Von daher ist auch verständlich, dass der Verfasser seinen eigenen Namen nennt und nicht unter einem Pseudonym schreibt. Dies widerspricht der üblichen apokalyptischen Art. Auch verzichtet dieser Johannes auf Deutungen der Bilder und Visionen, wie es der Esoterik entspräche.

2. Zur Gotteslehre der Apokalypse

Alleiniges Zentrum aller Handlungsabläufe von denen die Apokalypse berichtet, ist Gott. Diese theozentrische Sicht wird bereits durch die eröffnende Thronvision markiert. Von Gott geht alles Geschehen aus, zu ihm kehrt es zurück. Er ist das Alpha und das Omega, der ist und der war und der kommen wird, der Allherrscher (Offb 1,8; vgl. Offb 21,6). So wird Gott in der Apokalypse ganz bewusst als Schöpfer der Welt, als Schöpfer von Himmel und Erde und Meer und den Wasserquellen gepriesen (Offb 4,11; Offb 10,6; Offb 14,7).

Solche Schöpfungsaussagen kommen im Neuen Testament nicht allzu häufig vor und verdienen von daher Beachtung. Dass Gott der Schöpfergott ist, wird in der Offenbarung wohl deshalb so betont, weil Gott als der Schöpfer der ersten Welt letztlich dann auch die Erschaffung des neuen Himmels und der neuen Erde garantiert (Offb 21,5. 1). Genau diese Neuschöpfung wird nun ja schließlich von den Christen so sehnsuchtsvoll erwartet. Auf sie läuft alles zu. Dann, wenn die Zeit aufhört, wird das Geheimnis Gottes vollendet sein (Offb 10,6-7).

Wenn aber Gott als Lenker der Geschichte und der Wege des Menschen, als Lenker der Wege der Völker und der Welt gesehen wird, wie es die Apokalypse tut, dann gebührt ihm schon jetzt das neue Lied des Mose, das in der Offenbarung von jenen angestimmt wird, die über das Böse gesiegt haben:

"Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott. Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker." (Offb 15,3; vgl. Offb 19,2.)

3. Zur Christologie der Apokalypse

Welche Rolle spielt nun aber Christus in diesem Geschehen? Dazu müssen wir von der Thronvision ausgehen. Sie ist nämlich gleichsam der ruhende Punkt in der Darstellung der Apokalypse. Von diesem Punkt geht alles aus. So folgt auf diese Vision - noch in sie hineingenommen - die Übergabe des siebenfach versiegelten Buches an das Lamm, das wie geschlachtet dasteht und als allein würdig befunden wird, die Siegel des Buches zu öffnen. Seine sieben Hörner und sieben Augen bezeichnen seine vollkommene Macht und Weisheit (Offb 5,1-7).

a. Christus, der Weltherrscher

Weil das siebenfach versiegelte Buch den noch ausstehenden Lauf der Geschichte beinhaltet, der mit der Öffnung der einzelnen Siegel in Gang kommt, ist Christus, das Lamm, als der endzeitliche Weltregent eingeführt, der durch seinen Tod und seine Auferweckung die Weltregentschaft errungen hat.

Die Übernahme dieser Regentschaft stellt sich dann als ein Prozess dar, der sich in der Niederwerfung der Mächte des Bösen vollzieht, so wie die verschiedenen Siebener-Reihen der Plagen einander ablösen, oder besser, wie jeweils die eine aus der anderen hervorgeht:

  • die Reihe der sieben Posaunen aus der Reihe der sieben Siegel
  • und die Reihe der sieben Schalen aus der Reihe der sieben Posaunen.

Am Ende dieses Prozesses steht Christus da als der Reiter auf weißem Pferd, angetan mit den Insignien des Weltherrschers, der auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte den Namen trägt: König der Könige und Herr der Herren. Dies sind letztlich genau die Namen, die sich die Großkönige einst zugelegt haben (Offb 19,11-16), die Könige also, die jetzt alle abgetan sind.

Es folgt nun ein beständiger Szenenwechsel von irdischem und himmlischem Geschehen, in dem die Engel gleichsam Regie führen. Die einzelnen Szenen sind genau aufeinander abgestimmt. Christus hat dabei seinen Platz im Himmel. Auf sein irdisches Leben wird nun lediglich im Zusammenhang mit seinem Kreuzestod zurückverwiesen.

b. Christus, das Lamm

Dabei wird Christus näher als Lamm bestimmt. Eine Titulierung, die in der Forschung große Diskussion ausgelöst hat. Sie ist sogar recht strittig.

Anders als im vierten Evangelium kann man nämlich im Zusammenhang mit der Offenbarung des Johannes kaum an die Symbolik vom Paschalammes denken. Das Wort, das hier verwendet wird, das griechische Wort ἀρνίον ["arníon"], ist nämlich nicht das Lamm schlechthin. Man kann den Begriff auch mit "Widder" übersetzen.

Diese Übersetzung wird von einigen Interpreten sogar bevorzugt. Sie weisen darauf hin, dass das Bild von den sieben Hörnern in Offb 5,6 und vom Zorn des Tieres in Offb 6,16 weit besser auf einen Widder als auf ein Lamm passen würde.

Die Anlehnung an Jes 53,7, jenen Ausdruck...

"... wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt..." (Jes 53,7.)

und das Vorbild des deuterojesajanischen Gottesknechtes sprechen aber eher für das Bild vom Lamm, das sich gemeinhin auch durchgesetzt hat.

c. Christus, das messianischen Kindes

Auch ein weiteres Bild ist in einem anderen Horizont zu sehen, als es in den vier kanonischen Evangelien der Fall ist.

Wenn in der Apokalypse von der Geburt des messianischen Kindes die Rede ist, die der Seher in der Vision von der himmlischen Frau schaut, dann ist dies gewiss auf Jesus zu beziehen. Diese Vision ist aber in einer Weise in den mythologischen Drachenkampf einbezogen, dass sie geschichtlichen Grenzen zu entschwinden droht.

So ist in Übereinstimmung mit dem Gesamtkonzept dem Knaben angesagt, dass er mit eisernem Szepter alle Völker weiden wird (Offb 12,5).

Auch das Motiv, dass das neugeborene Kind unmittelbar nach seiner Geburt zum Thron Gottes entrückt wird, während die Frau in die Wüste flieht, kann man nicht aus dem Leben Jesu ableiten. Es hat seinen Ursprung im Mythos vom Drachenkampf, der hier dazu benutzt wird, das endzeitliche Geschehen zu illustrieren (Offb 12,5-6).

d. Christus, der Spross aus dem Stamm Davids

Die Bilder der Apokalypse erinnern nun auch daran, dass Jesus als Messias aus dem Stamm Davids stammt. So wird Jesus

"Löwe aus dem Stamm Juda, die Wurzel Davids" (Offb 5,5.)

genannt. Auch lässt das Werk ihn von sich selbst sagen:

"Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids." (Offb 22,16.)

Nach Offb 3,7 sind diesem Messias die Schlüssel Davids übertragen. Dieses aus Jes 22,22 übernommene Bild, das dem Verwalter des königlichen Palastes in Jerusalem gilt, wird hier schon auf den himmlischen Palast gedeutet. Christus hat die Vollmacht erhalten, in diesen himmlischen Palast einzulassen und zu geleiten, wen er will.

e. Jesus, der Christus

Wenn von dieser Vollmacht Jesu (Offb 12,10), ja von seiner Weltherrschaft die Rede ist (Offb 11,15), dann kommt das Christus-Prädikat in der Apokalypse voll zum Zuge.

Diese Vollmacht des Christus ist für die Apokalypse bereits Wirklichkeit geworden. Auf verstärkte Weise hat dies eine eigentümliche Bedeutung für all die, die um des Zeugnisses Jesu und um seines Wortes willen "enthauptet" wurden. Sie befinden sich nämlich in einem tausendjährigen Reich und herrschen mit Christus. Von ihnen heißt es in der Offenbarung:

"Sie werden Priester Gottes und Christi sein und tausend Jahre mit ihm herrschen." (Offb 20,6; vgl.: Offb 20,4.)

f. Jesus, der Kyrios

In diesem Zusammenhang wird dem Christus auch das Kyrios-Prädikat übertragen. Eigentlich bleibt diese Titulatur, "der Herr", überwiegend auf Gott beschränkt. Wiederholt geschieht dies in den Formeln, Gott der Herr oder der Allherrscher (vgl.: Offb 4,8; Offb 11,17; Offb 15,3; Offb 21,22).

Aber im liturgischen Anruf wird auch Jesus mit "Herr" angesprochen (Offb 22,20-21). Dies geht bis zum Titel "Herr der Herren".

Auch bei den Toten, die im Herrn sterben (Offb 14,13), ist im Blick auf den Herrn an den Herrn Jesus zu denken. Die Verstorbenen wären dann diejenigen, die im christlichen Glauben entschlafen sind.

g. Christus und Gott

Im Blick auf das Kyrios-Prädikat ist damit schon deutlich geworden, dass Titel, die traditionell eigentlich auf Gott hin formuliert wurden, in der Apokalypse auch auf Jesus hin angewendet werden können. Die Christologie der Apokalypse ist gleichsam dadurch geprägt, dass sie über Christus die gleichen Aussagen machen kann wie über Gott.

  • Auch Christus ist Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende (Offb 22,13; vgl. Offb 1,17; Offb 2,8).
  • Er praeexistierte bei Gott vor der Schöpfung, denn er ist auch der Anfang der Schöpfung und das Amen (Offb 3,14).
  • Christus erhält wie Gott die Attribute "der Heilige" und "der Wahrhaftige" (Offb 3,7; vgl. Offb 6,10).
  • Nach seinem Sieg, den er in Kreuz und Auferweckung errang, hat er sich mit dem Vater auf den Thron gesetzt (Offb 3,21, vgl. Offb 22,1);
  • und der anbetende Preisgesang der himmlischen Wesen gebührt ihm genauso wie Gott (Offb 5,13).
  • Im himmlischen Jerusalem, das keinen Tempel mehr benötigt, werden dann Gott und das Lamm letztlich der Tempel sein (Offb 21,22).

Auffällig ist in diesem Zusammenhang dann aber die Zurückhaltung im Gebrauch des Gottessohn-Titels. Nur ein einziges Mal, nämlich in der Einführung des Sendschreibens an die Gemeinde von Thyatira (Offb 1,18), wird Jesus ausdrücklich als Sohn Gottes bezeichnet.

h. Jesus, der Menschensohn

Bevorzugt verwendet wird in der Apokalypse hingegen die Bezeichnung "Menschensohn". Dies ist nicht verwunderlich. Dieser Begriff wurzelt ja in der jüdischen Apokalyptik.

Dabei wird der Begriff gleichsam nur indirekt titular verwendet, insofern Jesus in der Vision sichtbar wird als einer, der aussieht wie ein Menschensohn (Offb 1,13; Offb 14,14). Das mag Anlehnung an Dan 7,13 sein.

Menschensohn ist Jesus dann vor allem in seiner Hinwendung zu den Gemeinden, zur Kirche. Ganz klar ist dies in der Vision, die den Sendschreiben vorgeordnet ist. In ihr erscheint Jesus zum erstenmal als Menschensohn. Dabei ist er umgeben von sieben goldenen Leuchtern. Er trägt in seiner Rechten sieben Sterne, die für die Engel der sieben Gemeinden und für die sieben Gemeinden selbst stehen (Offb 1,12-20).

Später erscheint Jesus noch einmal wie ein Menschensohn mit goldener Krone auf seinem Haupt und einer Sichel in der Rechten.

Der Bezug auf die Gemeinde ist an dieser späteren Stelle nicht mehr so deutlich. Die Ernte, die von diesem Menschensohn vollzogen wird, dürfte aber letztlich auf die Einbringung, sprich die Heimholung der Gemeinde zu beziehen sein. ⋅2⋅ Damit wäre auch hier die Bezeichnung Menschensohn wieder ganz stark mit der christlichen Gemeinde zusammengebracht (Offb 14,14-20).

Unabhängig vom Menschensohn-Begriff wird die Hinwendung Christi zur Kirche am Anfang und am Ende der Apokalypse nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. So heißt es ganz am Anfang, dass Christus die Offenbarung von Gott empfangen hat, damit er sie seinen Knechten weitergebe (Offb 1,1). Und am Ende ist von der Hochzeit des Lammes mit der Kirche und den zu ihr Gehörenden die Rede (Offb 19,1-10). Die Apokalypse schließt also mit der Schilderung der vollendeten Gemeinschaft der Menschen mit Christus.

4. Das Sprechen von Engeln und himmlischen Wesen

Charakteristisch für die Welt der Apokalyptik und darum auch der neutestamentlichen Apokalypse, ist nun die Vorstellung, dass es eine Fülle himmlischer Wesen gibt. Es sind dies die Engel, die nicht nur bei Gott stehen, sondern auch in seinem Auftrag in die Geschichte der Welt und der Menschen eingreifen.

a. Die verschiedenen Engel um Gottes Thron

Neben den Myriaden von Engeln um Gottes Thron (Offb 5,11) vollbringen dies in der Offenbarung des Johannes vor allem die vier lebenden Wesen, die die Apokalypse in Anlehnung an Ez 1,4ff phantasiereich schildert. Sie werden erstmals in Offb 4,6 erwähnt.

Weiter sind die vierundzwanzig thronenden Ältesten wichtig, die erstmals Offb 4,4 vorkommen und gleichsam eine Hierarchie der himmlischen Welt andeuten. Mit ihren Preisgesängen unterbrechen sie immer wieder den Lauf der Dinge.

In den Sendschreiben wird dann der jeweilige "Engel der Gemeinde" als Adressat angesprochen (Offb 2,1 u. ö.). Diese Engel könnten so etwas wie die himmlischen Repräsentanten der jeweiligen Gemeinde sein. ⋅3⋅ Die Deutung dieser rätselhaften Figuren wird allerdings in der Forschung sehr kontrovers diskutiert.

Auf weitere Funktionen dieser Engel sei hier nur kurz hingewiesen:

  • Ein Engel vermittelt die Offenbarung (Offb 1,1),
  • Engel verkündigen (Offb 5,2),
  • lenken die Winde (Offb 7,1)
  • und tragen die Gebete der Menschen vor Gott (Offb 8,3).

In ihren vielfältigen kosmologisch-eschatologischen Funktionen sind die Engel also gleichsam das unerlässliche apokalyptische Requisit, das die Welt in Gang hält.

Dabei stehen die Engel interessanterweise den Menschen sehr nahe. Dies nicht nur in ihrem Tun, sondern überraschenderweise auch in ihrem Rang. Auch rangmäßig stehen sie den Menschen, besonders den Glaubenden, sehr nahe. Der Engel nämlich, der sich wiederholt dem Seher nähert, gibt sich kund als ...

"... dein und deiner Brüder Mitknecht, die das Zeugnis Jesu haben." (Offb 19,10; vgl. Offb 22,9.)

b. Der Sturz des Drachen

Neben dieser Vielzahl der im Dienst Gottes stehenden Engel spricht die Apokalypse auch vom Sturz des Drachen, der Teufel und Satan heißt. Hier handelt es sich um ein Bild, das der Mythologie entnommen ist. Michael und seine Engel haben diesen Drachen besiegt (Offb 12,7-9). Letztlich hat dieses Bild die Front der gottfeindlichen Engel und Mächte im Visier. Es spricht vom eschatologischen Sieg Gottes über alle diese Feindmächte.

c. Das Tier, das aus der Erde aufsteigt, und das Tier, das aus dem Meer aufsteigt

Zum gottfeindlichen apokalyptischen Repertoire gehören auch das Tier, das aus dem Meer aufsteigt (Offb 13,1), und das Tier, das aus der Erde aufsteigt (Offb 13,11).

Hierbei mischen sich dann geschichtliche mit mythologischer Bildhaftigkeit. Das erste Tier ist nämlich mit dem römischen Weltreich zu identifizieren. Es erscheint in Offb 17,1 als die große Hure, die an vielen Wassern sitzt. In Offb 14,8 wird das römische Imperium dann zum erstenmal das große Babylon genannt.

Das zweite Tier hingegen ist der Lügenprophet (Offb 16,13; Offb 19,20; Offb 20,10). Hier geht es wahrscheinlich um die staatliche Priesterschaft, die den Kult des Kaisers propagiert. Letztlich ist die genaue Deutung all dieser Bilder aber umstritten.

5. Zur Soteriologie der Apokalypse

Auch die Soteriologie der Apokalypse, die Lehre vom Heil, von der Erlösung, wird in großen Bildern entfaltet. Sie konzentriert sich vor allem auf zwei Gedanken.

a. Die durch Jesu Tod gewirkte Erlösung

Der erste Gedanke bringt die durch den Tod Jesu gewirkte Erlösung in den Blick. Christus hat uns durch sein Blut von unseren Sünden befreit (Offb 1,5) - er hat mit seinem Blut Menschen aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen für Gott erkauft (Offb 5,9).

(1) Die 144000 Erlösten

Die Zahl dieser Erlösten wird mit 144000 angegeben (Offb 14,3; vgl. Offb 7,4-8). Doch darf man diese Zahl keinesfalls wörtlich nehmen. Es handelt sich hier um eine Symbolzahl (zwölf mal zwölf), die die Erlösten mit dem Zwölfstämmevolk Israel zusammenbringt. In einem geistigen Sinn ist dieses vollkommene Israel nach Auskunft der Apokalypse nämlich in der Völkerkirche neu entstanden. Deshalb bedeutet die Zahl 144000 im letzten nichts anderes als das ebenfalls in der Offenbarung verwendete Bild von der große Schar, die niemand zählen kann. Eine solch große Schar wird letztlich die Rettung erfahren (Offb 7,9-10).

Und in dieses Heil, das Gott den Menschen schenken will, ist am Ende die universale Völkerwelt miteinbezogen. Dies deutet nicht zuletzt Offb 21,24 an.

(2) Das Sprechen vom "Loskauf"

Genauso wie diese Symbolzahl darf auch die Vorstellung vom "Loskauf" der Menschen nicht gepresst werden. Es geht nicht darum, als sei dem Satan etwa durch das Blut Christi irgendein Kaufpreis bezahlt worden. Es geht bei diesem Bild einzig und allein um den positiven Gedanken, dass Christus die vielen Menschen durch seine Hingabe für sich erworben hat.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Apokalypse durchaus von einer Macht des Bösen ausgeht, die ihren Platz in der Welt hat und eine regelrechte Größe der Bedrohung darstellt. Sie ist so mächtig, dass sie die menschlichen Widerstandskräfte übersteigt. Die Menschen schaffen es demnach auch nicht alleine, sich diesen Mächten zu widersetzen.

So ist es letztlich auch dem Blut des Lammes zu verdanken, dass die Blutzeugen es geschafft haben, Satan, ihren Ankläger, zu überwinden (Offb 12,11).

(3) Das Buch des Lebens

Hier schwingt so etwas wie die paulinische Vorstellung vom Primat der Gnade mit. Dieser Gedanke von der gnadenhaften, geschenkten Erlösung und der zuvorkommenden Erwählung Gottes drückt sich auch in der Idee vom Buch des Lebens aus. In diesem Buch stehen die Namen der Erwählten geschrieben (Offb 13,8; Offb 17,8 u. ö.). Beim Endgericht wird es aufgeschlagen und verlesen (Offb 20,12).

Auffallend ist, dass im Zusammenhang mit diesem Lebensbuch meist von denen gesprochen wird, die nicht darin stehen. Dies bringt einen beinahen prädestinatianischen Gedanken in die Apokalypse hinein. Diejenigen, die Gott nicht erwählt hat, stehen eben nicht im Buch des Lebens. Letztlich wird dadurch aber nichts anderes als die absolute Freiheit Gottes betont.

Dieser Freiheit Gottes steht die Freiheit des Menschen gegenüber, die sich eben auch als Freiheit der Verweigerung äußern kann. Die sich verweigernden Menschen sollen durch die über sie kommenden Plagen zum Besseren gerufen werden. Aber dieser Ruf erreicht nicht alle. In diesem Sinn wird man die wiederholte Bemerkung zu deuten haben, dass es Menschen gibt, die nicht bereit waren, umzukehren und davon abzulassen, Gott zu verfluchen (Offb 9,20-21; Offb 16,9. 11).

b. Der Schutz Gottes

Damit kommen wir zum zweiten hervortretenden soteriologische Gedanken der Offenbarung des Johannes. Es handelt sich hier um den Gedanken vom Schutz Gottes.

(1) Gott versiegelt die Erlösten

Die 144000 Erlösten werden nämlich versiegelt. Sie erhalten das Siegel Gottes auf die Stirn (Offb 7,3-4) - ein Bild, das sich vermutlich auf die Taufe bezieht. ⋅4⋅ Dieses Siegel bedeutet einen besonderen Schutz, den Gott den Erlösten gewährt.

Demgegenüber steht das Malzeichen des Tieres. Dieses Zeichen machen sich jene Menschen, die das Tier und sein Standbild anbeten. Sie erhalten dadurch durchaus gewisse irdische Privilegien (Offb 13,16-17; Offb 14,9).

Wegen der Weigerung, dieses Malzeichen des Tieres anzunehmen, sind die Erlösten besonderen Repressalien ausgeliefert. Dies zeigt, dass der Schutz Gottes nicht bedeutet, dass die Menschen keine irdische Not leiden müssen. Er richtet sich ganz auf den Umstand, dass die Erlösten Gottes nicht verloren gehen werden. Dies ist im Blick auf die konkrete Situation der Gemeinden in der Zeit der Verfolgung hin formuliert.

(2) Die Vermessung des Tempels

Dass der Schutz Gottes vor allem auf die innere Stärke und Festigkeit der Erlösten abzielt, kommt auch in den Bildern von der Rettung des Heerlagers der Heiligen (Offb 20,9) und der Vermessung des Tempels zum Ausdruck (Offb 11,1-2).

Gerade mit dem Bild von der Vermessung des Tempels wird dabei eine alte Weissagung aufgegriffen. Sie greift in die Zeit des jüdischen Krieges zurück. Damals wurde denen, die sich in den Tempel retteten, angeblich Schutz verheißen. Obschon sich dies damals als leere Verheißung herausgestellt hatte, erweckt der Seher die alte Weissagung nun zu neuem Leben.

Gleichzeitig könnte es aber auch ein erneuter Hinweis sein. Die inzwischen gemachte Erfahrung des Krieges, könnte auch andeuten wollen, dass Gottes Schutz das äußere Scheitern nicht zu verhindern braucht. Trotzdem bleibt seine Verheißung der endgültigen Errettung bestehen.

(3) Die Berufung der Gläubigen zu Priestern

Dies unterstreicht auch die Rede von der Berufung der Gläubigen zu Königen und zu Priestern. In Anlehnung an Ex 19,6 wird dies formuliert. Dort wird von der Berufung Israels gesprochen und zwar von Israels Berufung zu einem Königtum von Priestern als ein heiliges Volk.

Diese Berufung der Christen meint natürlich nicht eine amtliche Beauftragung. Sie ist Verheißung, Verheißung, die voll erfüllt werden wird, wenn die Christen sich in der Anfechtung bewähren (vgl. Offb 1,6; Offb 5,10; Offb 20,6). Die Vollendung dieser Verheißung greift dementsprechend erst im Himmel.

Wozu aber braucht man im Himmel Priester? Dahinter steht der Gedanke, dass der vollendete lobpreisende Gottesdienst erst im Himmel möglich sein wird. Denn erst dort wird die Herrschaft und das Herrsein Gottes und Christi uneingeschränkt anerkannt sein. ⋅5⋅

(4) Der Glaube

Bleibt nur noch am Rande zu erwähnen, dass in all diesen soterischen Zusammenhängen der Glaube - im Gegensatz etwa zur Theologie des Apostels Paulus - kaum thematisiert wird. Glaube ist kein theologisches Thema der Apokalypse. So kommt das Verb "glauben" nicht einmal vor.

Natürlich heißt das nicht, dass das Phänomen Glaube keine Rolle spielen würde. Der Glaube ist schließlich die Tugend, die neben der Liebe steht, vor allem neben der Geduld. Und letztlich ist die Apokalypse ein einziger Aufruf, den Glauben festzuhalten und nicht zu verleugnen (vgl. Offb 2,13. 19; Offb 13,10; Offb 14,12).

Wenn die Offenbarung diejenigen rühmt, die treu sind (vgl. Offb 2,10. 13; Offb 17,14), dann rühmt sie letztlich diejenigen, die treu im Glauben geblieben sind.

6. Zur Ekklesiologie der Apokalypse

Damit kommen wir zu einem nächsten Aspekt der Theologie der Apokalypse, nämlich der Ekklesiologie.

a. Die sieben Gemeinden als Bild für die Gesamtheit der Kirche

Die Apokalypse selbst richtet sich zwar konkret an sieben kleinasiatische Gemeinden (Offb 2,1), doch ist damit zu rechnen, dass die Siebenzahl die Gesamtheit vertritt, das Schreiben also die ganze Kirche anreden möchte. Die Kirche ist demnach als erste einbezogen in die Geschehnisse der Endzeit.

Die Kirche steht synonym für das Volk Gottes. In ihr tritt die Christenheit als große Einheit des Gottesvolkes in den Blick. Dies wird ganz besonders deutlich in dem Ruf, der vom Himmel her ergeht und die Christen auffordert, die Stadt Rom zu verlassen:

"Geht hinaus, ihr, mein Volk, dass ihr nicht teilhabt an ihren Sünden." (Offb 18,4.)

b. Die Vorgeschichte der Kirche in Israel

Diese innere Einheit der Christenheit ist vor allem dadurch gewährleistet, dass die Kirche eine Vergangenheit und eine Zukunft hat. Im Blick auf ihre Vergangenheit und Zukunft soll sie Einheit und Festigkeit gewinnen.

An ihre Vergangenheit wird die Kirche erinnert durch ihre Vorgeschichte in Israel, das als das Volk der zwölf Stämme geistigerweise in der Kirche weiterlebt (Offb 7,5-8; Offb 21,12).

Die mit zwölf Sternen gezierte himmlische Frau, die den Messias zur Welt bringt, hat ebenfalls - bei allem Streit der Interpreten - ganz sicher mit Israel zu tun (Offb 12,1ff), ganz gleich wie man hier Kirche zu Israel in Beziehung setzen möchte.

c. Die zukünftige Kirche

Die Zukunft bringt das Bild von der Braut des Lammes in den Blick. Hier wird das Gottesvolk als die vollendete Kirche geschaut (Offb 19,7; Offb 21,9). Ein anderes Bild für diese Zukunft der Kirche ist das himmlische Jerusalem, dessen Grundsteine die Namen der zwölf Apostel tragen (Offb 21,14).

d. Irdische Verfasstheit

Wenn die Kirche schon jetzt in dieses Wechselspiel von irdischem und himmlischem Geschehen einbezogen ist, sie also bereits jetzt schon Anteil an ihrer zukünftigen Gestalt hat, so verliert sie dabei dennoch nicht ihre harten, irdischen Konturen. Dafür sorgen schon die ständigen Verweise auf die Verfolgungssituation. Und dafür sprechen letztlich auch die Sendschreiben eine zu deutliche Sprache. An der konkreten Verfasstheit der Gemeinden scheint einiges auszusetzen zu sein. Was genau die Kritikpunkte in den einzelnen Gemeinden sein mögen und wie ihre Verfassung exakt zu denken ist, lässt sich jedoch aus der Apokalypse kaum entnehmen.

7. Zur Eschatologie der Apokalypse

Bleibt uns nun noch ein Thema, auf das wir im Blick auf die theologischen Intentionen der Apokalypse schauen müssen. Und dies ist natürlich das eigentliche Thema der Apokalyptik schlechthin, nämlich die Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen. Die Eschatologie macht schließlich die durchgreifende Orientierung der Apokalypse aus.

a. Die Orientierung auf das Gericht und Herrschaft Gottes

Alles ist ausgerichtet auf das Ende. So heißt es in Offb 6,10:

"Wie lange noch, Herr, Heiliger, Wahrhaftiger?" (Offb 6,10.)

Die Darstellung blickt voraus auf das Gericht. Dieses wirft seine Schatten voraus. Die Siebener-Reihen der Siegel, Posaunen und Schalen machen dies deutlich. Ziel ist die endgültige Herrschaftsübernahme durch Gott und Christus. Wenn sie erfolgt ist, wird gesagt werden:

"Jetzt ist geworden die Rettung und die Kraft und das Reich unseres Gottes und die Macht seines Christus." (Offb 12,10; vgl. Offb 11,15.)

Zuvor aber ergeht das Gericht, der große Tag des Zornes (Offb 6,17), an dem die große Kelter des Zornes getreten wird (Offb 14,19-20). Dieses Gericht ergeht nach den Werken eines jeden (Offb 2,23; Offb 22,12). Dabei verbürgt sich Christus, der Erstgeborene der Toten (Offb 1,5), für die Auferstehung der verstorbenen Menschen.

b. Die Schrecknisse der vorausgehenden Zeit

Gemäß dem eschatologischen Repertoire der Apokalyptik geht diesem Gericht am Ende der Tage eine Periode ausgelassener Bosheit und schlimmer Schrecknisse voraus.

Eindrücklich schildert dies die Vision von den vier apokalyptischen Reitern auf weißem, feuerrotem, schwarzem und fahlgelbem Ross (Offb 6,1-8). Dabei ist die Bedeutung der letzten drei Reiter einigermaßen zu erschließen. Sie symbolisieren Krieg, Hunger und Tod. Umstritten ist jedoch die Deutung des ersten Reiters. Möglicherweise meint auch er den Krieg. Dann müsste man zwischen Völker- und Bürgerkrieg etwa differenzieren. Manche meinen hinter ihm aber, eher die Gestalt des Antichristen sehen zu müssen. Wir können diese Frage hier unbeantwortet lassen.

Die Siebener-Reihen-Visionen von den Siegeln, Posaunen und Schalen sind dann der ausführlichen Darstellung des Vergehens des Kosmos gewidmet. Insgesamt ergibt sich somit eine weitgehende Parallele zur eschatologischen Rede nach Mk 13,7-27. Die Auflösung des Weltgebäudes wird dabei in der Darstellung der Johannes-Apokalypse ungleich eingehender beschrieben als im Zusammenhang des Markus-Evangeliums.

c. Die Erwartung des großen Widersachers

Ganz typisch für die apokalyptische Eschatologie ist dann auch die Erwartung des großen Widersachers, der im Zusammenhang der neutestamentlichen Apokalypse "Antichrist" genannt wird. In Offb 13,3 erscheint er als eines der Häupter des Tieres aus dem Meer. Er ist demnach ein Teil des Römerreiches, der, wie verkleidet, zunächst kaum zu erkennen ist.

Interessanterweise trägt dieser Antichrist eine tödliche Wunde, von der er aber geheilt wird. Damit wird sein Schicksal entfernt dem Weg Christi über das Kreuz zur Auferstehung nachgebildet, ja gleichsam nachgeäfft. Vermutlich schließt diese Darstellung zusätzlich an eine damals weit verbreitete Sage von der Wiederkunft des Kaisers Nero an. Seine schlimme Regierungszeit war bei den Christen schließlich unvergessen geblieben. Und er, der durch Selbstmord aus dem Leben geschieden war - was sich in der tödlichen Wunde der Apokalypse wiederspiegeln könnte -, war für viele der Inbegriff des Antichristen schlechthin.

d. Das tausendjährige Reich

Ebenfalls im apokalyptischen Denken beheimatet ist ein weiteres Element, das im Enddrama der Apokalypse eine Rolle spielt, das tausendjährige Reich nämlich. Auf der Erde soll nämlich am Ende dieses besondere Reich errichtet werden, zu dem die Martyrer auferstehen werden. Diese tausendjährige Herrschaft des Christus mit den christlichen Martyrern ist der besondere Lohn, der nur ihnen zuteil wird (Offb 20,1-6).

Wie die konkrete Realisierung dieses phantastisch anmutenden Millenniums gedacht war, bleibt unklar. Wir brauchen diese Frage hier auch nicht weiter zu erörtern.

e. Berechnungsversuche des Endes

Schließen möchte ich hier lediglich mit dem Hinweis, dass die Offenbarung des Johannes noch in einem anderen Punkt ganz analog zu anderen apokalyptischen Werken vorgeht. Es fehlt nämlich nicht am Versuch, das Ende zu berechnen (Offb 17,7-18). Auch das ist der Apokalyptik gemäß wie die Naherwartung.

Die grundsätzliche Beurteilung dieser Berechnung ist allerdings umstritten. Als sicher können wir annehmen, dass sie kein zentrales Anliegen der Johannes-Apokalypse ist. Die Deutung und Bewältigung der Gegenwart steht im Vordergrund. Die kaum noch erträgliche Gegenwart wird als Vorauslauf der Herrschaft Christi und Gottes, des neuen Himmels und der neuen Erde gesehen.

Damit beenden wir diesen kurzen Durchblick durch die neutestamentliche Apokalypse.

Weiter-ButtonZurück-Button Anmerkungen

1 Vgl.: Joachim Gnilka, Neutestamentliche Theologie - Ein Überblick (Würzburg 1998) 149-156. Zur Anmerkung Button

2 Vgl.: Holtz, Christologie, 128-134. Zur Anmerkung Button

3 In den Engeln der Gemeinden irdische Amtsträger sehen zu wollen, ist, nach Joachim Gnilka, abwegig. Zur Anmerkung Button

4 Nicht dass das Siegel die Taufe abbildet. Es wurde vielmehr in Anlehnung an die Bezeichnung der Taufe als Siegel gebildet (2 Kor 1,22; Eph 1,13; Eph 4,30). Zur Anmerkung Button

5 Schüßler, Fiorenza, Priester, 420. Zur Anmerkung Button