Die Bibel
Entstehung, Gedankenwelt, Theologie ...
Der Jakobusbrief ⋅1⋅
- 1. Form und Aufbau
- 2. Die Auseinandersetzung um die Notwendigkeit von Glaube und Werken (Jak 2,14-26)
- 3. Die Verfasserfrage
- 4. Ein jüdisch-hellenistisches Lehrschreiben?
Damit kommen wir zum Jakobusbrief, jenem Schreiben, das durch Martin Luther eine ganz eigene Berühmtheit erlangte. Luther bezeichnete den Jakobusbrief schließlich als strohene Epistel.
1. Form und Aufbau
Der Jakobusbrief stellt genaugenommen eine Spruchsammlung dar. Insgesamt handelt es sich um eine lockere Abfolge von Spruchreihen und Spruchgruppen. Dabei ist es oft nicht möglich zwischen den einzelnen Sprüchen ein verbindendes Motiv festzustellen. So bildet Jak 5,17-20 etwa eine bloße Aneinanderreihung einzelner Sprüche.
Dass der Jakobusbrief ein Brief sein möchte, wird lediglich durch das Präskript angedeutet. Der weitere Verlauf des Schreibens hat nichts mehr mit einem Brief gemein. So fehlt auch das klassische Briefende, das Postscript.
Als Adressaten werden die zwölf Stämme in der Diaspora genannt, was wohl christlich gedeutet alle Christen als Erben Israels meint.
Der Brief gliedert sich nun folgendermaßen: ⋅2⋅
Inhaltlich kann man sagen, dass einzelne Erörterungen von Gegenständen, die für das sittliche Leben relevant sind, dargeboten werden. Von daher kann man den Jakobusbrief auch als Lehrschrift voller sittlicher Mahnungen bezeichnen. Dabei zieht ein Stichwort das andere nach sich. Die Sätze sind also wie in freier Assoziation aneinandergereiht.
Inwieweit die Themen Probleme der angesprochenen Gemeinden aufgreifen, bleibt unklar.
2. Die Auseinandersetzung um die Notwendigkeit von Glaube und Werken (Jak 2,14-26)
Theologiegeschichtlich bedeutsam wurde der Jakobusbrief auf alle Fälle durch seine Auskunft über das Verhältnis von Glaube und Werken.
Das Schreiben vertritt die Auffassung, dass der Glaube ohne Werke unnütz sei. Dafür führt der Jakobusbrief das Beispiel Abrahams an. Abrahams Glaube bewährte sich im Werk, nämlich in der Bereitschaft der Opferung Isaaks. Für den Jakobusbrief bedeutet dies, dass Abrahams Glaube mit seinen Taten zusammen am Werk war. Und die Werke brachten den Glauben des Abraham erst zur vollkommenen Wirklichkeit.
Diese Vorstellung steht nun aber im Widerstreit zur Auffassung des Paulus, der ja davon spricht, dass der Mensch allein durch den Glauben zur Rechtfertigung gelangt. Paulus und Jakobus stimmen noch darin überein, dass die Tatsache, dass Abraham Gott glaubt, ihm zur vollkommenen Gerechtigkeit angerechnet wurde. Aber für Jakobus heißt Glaube in diesem Zusammenhang ein durch die Werke zur vollkommenen Wirklichkeit gebrachter Glaube.
Daraus entwickelten sich dann in der Theologiegeschichte die unterschiedlichen Formen des Sprechens vom Glauben:
- Man spricht von der einfachen fides, vom einfachen Glauben also,
- und von der fides caritate formata, also vom Glauben, der durch die Liebe zur vollendeten Wirklichkeit gebracht wurde.
Mit Gen 12-22 lässt sich zeigen, dass dieser Glaubensbegriff eine vollkommen richtige Interpretation des Glaubens Abrahams ist, denn Gott fordert - was besonders Gen 22 zeigt, von Abraham letztlich blindes Vertrauen. Er will die vollkommene Wirklichkeit des Glaubens. Und das heißt alttestamentlich gewendet immer auch einen wirksamen Glauben.
Jakobus führt hierzu noch das Beispiel der Hure Rahab an, die die Kundschafter des Mose in Jericho beherbergt und am anderen Tag durch die Stadtmauer wieder fortlässt. Durch diese Tat wurde diese Frau gerecht, wie Jakobus schreibt. Und er folgert dann: Wie nämlich der Leib ohne Lebensgeist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot (Jak 2,26).
Hier ist zwar eine Spannung zu den Aussagen des Paulus, die sich im letzten nicht völlig lösen lässt. Aber es ist noch keine Konträrstellung zu Paulus. Ein pseudonymer Autor polemisiert vielmehr gegen eine falsche Paulusauslegung. Das "sola fides" des Paulus mündete nämlich anscheinend in eine libertinistische Ethik. Wenn die Werke keinen Verdienst beinhalten, dann braucht man ja auch nichts zu tun. Der Glaube allein reicht ja aus.
Dies aber entspricht nicht dem, was Paulus meint. Er betont gerade im Galaterbrief äußerst scharf, dass die Liebe auch konkret in den Früchten des Geistes wirksam werden will. Und was ist das anderes als das konkrete Tun? Paulus setzt seine Akzente in der Auseinandersetzung mit der jüdischen Vorstellung vom Gesetz. Es kann für ihn natürlich nicht darum gehen, sich die Gerechtigkeit durch das Tun des Gesetzes zu verdienen. Aber auch Paulus ging mit Sicherheit davon aus, dass der Glaube in Taten wirksam werden müsse. Wenn er es nicht tut, dann ist er für sich allein fruchtlos.
Daran knüpft das Konzil von Trient an. Es hat einen bloßen Glauben - natürlich auf dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um die Reformation - für tot erklärt. Luther hingegen bezeichnet den Jakobusbrief - wie eingangs bereits erwähnt - als die strohene Epistel, da er den Abschnitt Jak 2,14-26 direkt in der Konfrontation mit Paulus sah.
Diese Einschätzung des Briefes wurde durch die Auffassung verstärkt, dass der Brief vom Herrenbruder Jakobus verfasst worden sei. Dieser erschien in der Darstellung der Apostelgeschichte ja als Gegenspieler des Paulus, insbesondere in der Auseinandersetzung um das sogenannte Apostelkonzil. Von daher wurde sein Brief auch als Entgegnung auf die Darstellung des Paulus gewertet.
Wenn allerdings berücksichtigt wird, dass der Jakobusbrief letztlich gegen eine Fehlinterpretation des Paulus angeht, sind beide Aussagen unter verschiedenen Aspekten durchaus vereinbar.
3. Die Verfasserfrage
Schauen wir abschließend noch auf die Frage nach dem Verfasser des Briefes. Ich habe eben bereits erwähnt, dass das Schreiben als Werk des Herrenbruders Jakobus angesehen wurde. Dies hängt natürlich mit dem Präskript in Jak 1,1 zusammen. Dort wird der Brief unter die Autorität des Jakobus gestellt. Er richtet sich an die ganze Kirche, die eben in der Gefahr ist, Paulus misszuverstehen.
Ein Indiz für diese Zuschreibung an Jakobus war nicht zuletzt das Material des Schreibens, das sehr stark traditionsgebunden ist. Dies schien die Auffassung von der Verfasserschaft des Jakobus, der ja ganz im judenchristlichen Denken zuhause gewesen zu sein schien, zu stärken.
In Jak 3,1 lässt das Schreiben aber durchblicken, dass es zur Zeit, als der Jakobusbrief abgefasst wurde, schon viele Lehrer in der Kirche gab. Und auch der Verfasser gibt sich selbst als Lehrer zu verstehen. Er schreibt:
"Nicht so viele von euch sollen Lehrer werden, meine Brüder. Ihr wisst, dass wir im Gericht strenger beurteilt werden." (Jak 3,1.)
Dies setzt aber voraus, dass es bereits ein Institut des Lehrers in der Kirche gab und dass dieses Institut bereits fest Fuß gefasst hatte. Eine solche Situation ist aber in der Anfangszeit der Kirche - Jakobus erlitt schließlich als einer der ersten der Apostel das Martyrium - nicht zu denken. Sie weist letztlich auf eine Abfassung in den 90er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. hin.
So kann man recht sicher davon ausgehen, dass der Brief ein pseudepigraphes Schreiben ist, das unter die Autorität des Jakobus gestellt wurde. Möglicherweise geschah dies deshalb, weil die jüdische Tradition im Brief selbst so stark durchschlägt.
Gegen eine Abfassung durch Jakobus spricht aber nicht zuletzt auch das hervorragende Griechisch und die literarische Bildung, die der Autor erkennen lässt. Beides ist dem Herrenbruder Jakobus in dieser Form kaum zuzutrauen.
4. Ein jüdisch-hellenistisches Lehrschreiben?
Eine Hypothese geht nun davon aus, dass ursprünglich eine jüdisch-hellenistische Lehrschrift dem Briefe zugrunde lag, die im ersten Jahrhundert im jüdischen Raum geschrieben wurde. Man denkt dabei etwa an ein pseudonymes Schreiben unter dem Namen des Patriarchen Jakob. Man könnte eine solche Schrift vergleichen mit den apokryphen Testamenten der 12 Patriarchen, die ja jeweils auch ein ethisches Problem behandeln.
In diesem Fall könnte man durchaus annehmen, dass eine solche jüdische Lehrschrift, die unter dem Namen des Stammvaters Jakob umlief, nachträglich christlich überarbeitet und rezipiert worden wäre. Außer in Jak 1,1 wird nämlich sonst kein Gebrauch von der Autorität des Herrenbruders gemacht. Dies ist ein Unterschied zu anderen pseudepigraphischen Schreiben. In den Deuteropaulinen wird Pauli Autorität ja nicht nur im Prae- und Postscript herangezogen. Auch im Briefcorpus wird ja ein jeweils eigenes Paulusbild entworfen.
So hat die Theorie vom jüdisch-hellenistischen Lehrschreiben durchaus etwas für sich.
Anmerkungen